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Abstimmung über StromgesetzDer Bund knausert bei Vergütung für Solarstrom

Auf möglichst vielen Dächern sollen, wie in der Von-Roll-Siedlung in Bern, Solarpanels installiert werden. Aber die vom Bund vorgeschlagenen Mindesttarife für Solarstrom stehen in der Kritik.

Momentan sind die Solartarife ein Flickenteppich. Für den Solarstrom von privaten Fotovoltaikanlagen zahlen die grössten Elektrizitätswerke zwischen rund 8 Rappen und fast 25 Rappen pro Kilowattstunde. Je nach Grösse und Standort der Solaranlage kann das für Anlagenbesitzer einen Unterschied von Hunderten bis mehreren Tausend Franken pro Jahr ausmachen.

Das Stromgesetz, über welches das Schweizer Volk am 9. Juni abstimmt, sieht nun eine Absicherung gegen unten vor. Für den grünen Strom von Privaten sollen die lokalen Elektrizitätswerke künftig Mindesttarife bezahlen. «Diese orientieren sich an der Amortisation von Referenzanlagen über ihre Lebensdauer», hält Artikel 15 des Stromgesetzes fest. Sie sollen garantieren, dass Private ihre solare Investition auf lange Sicht amortisieren können.

Null Rappen Mindesttarif

Der Bundesrat wird die konkreten Tarife erst nach der Abstimmung in einer Verordnung festlegen. Und da liegt das Problem. Denn die Landesregierung hat bereits einen Entwurf der Verordnung in die Vernehmlassung geschickt, der auf Berechnungen des Bundesamts für Energie (BFE) beruht. Ausgerechnet die vorgeschlagenen Mindesttarife, die eigentlich Investitionssicherheit für private Solarproduzenten bringen sollen, sorgen für Verunsicherung in der Branche.

Bereits bei kleinen Solaranlagen mit bis zu 30 Kilowatt (KW) Leistung, wie sie oft auf Einfamilienhäusern stehen, ist die Minimalvergütung mit 4,6 Rappen/kWh im Entwurf tief angesetzt. Für mittlere bis grössere Anlagen (30–150 KW) beträgt sie zwischen 6,7 Rappen/kWh und 0 Rappen/kWh.

Ja, genau: Laut Bundesamt könnte in vielen Fällen der «Mindesttarif» auch null Rappen betragen.

Schadet Bundesamt der Vorlage?

Die vorgeschlagenen Minimaltarife sorgen für Unmut bei den Solarverbänden, zumal sie wie Swissolar mitten im Abstimmungskampf stehen – für das Stromgesetz. «Das Gesetz ist entscheidend für den weiteren Ausbau der Solarenergie», sagt David Stickelberger, der Politikchef von Swissolar, dem Verband der Solarfirmen und -installateure.

Doch, so Stickelberger: «Es gibt Befürchtungen, dass der Verordnungsentwurf der Vorlage schaden könnte.» Überbewerten will er dies zwar nicht. «Anders als ein Gesetz können Verordnungen rasch geändert und verbessert werden, und noch ist es ja nur ein Entwurf.» In der Sache findet er allerdings klare Worte: «Es besteht massiver Verbesserungsbedarf.»

Das sieht auch die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie ähnlich. Die in Bern ansässige älteste Solarvereinigung begrüsst das Stromgesetz wegen der Ausbauziele für grünen Strom – und kritisiert die Verordnungsentwürfe. Das gilt insbesondere für ihre Fachgruppe, den Verband unabhängiger Energieerzeuger (Vese). «Die vorgeschlagenen Minimaltarife werden dem Sinne des Gesetzes nicht gerecht», sagt Vese-Vorstand Diego Fischer.

Die Mindesttarife sind nicht der einzige Kritikpunkt. Bereits beim neuen Modell der lokalen Elektrizitätsgemeinschaften warf die Branche dem Bundesamt, das zum Departement von Bundesrat Albert Rösti (SVP) gehört, zu restriktive Bedingungen in einem Verordnungsentwurf vor.

Gerne wüsste man vom Solarverantwortlichen des BFE, warum das Bundesamt derart einschränkende Leitplanken für privaten Solarstrom vorschlägt. Doch die Medienstelle des BFE lehnt ein Gespräch mit ihm ab – unter Verweis auf die laufende Vernehmlassung und die Erläuterungen dazu.

Grosses Solardach, tiefer Eigenverbrauch: Dieses zu einem Miethaus umgebaute alte Bauernhaus in Münsingen ist wertvoll für die Energiewende, doch die Solaranlage dürfte nur mit fairen Solartarifen rentieren.

Die Erläuterungen skizzieren ein mehrstufiges System. Das lokale Elektrizitätswerk kann – muss aber nicht – auch in Zukunft freiwillig mehr für privaten Solarstrom zahlen. Wobei Swissolar bereits bei diesem Punkt präzisierende Zusicherungen fordert. Zudem können private Produzenten ihren Solarstrom auch ausserhalb der Region verkaufen – falls sie Abnehmer finden. Denn der Markt ist sehr überschaubar. Momentan bietet etwa die Solarfirma Helion 12 Rappen/kWh über eine Laufzeit von 10 Jahren.

Gibt es keine sonstige Einigung, dann gelten Börsenpreise für Graustrom auch für den Solarstrom, und zwar der Durchschnittspreis pro Quartal. So praktiziert es der Berner Stromkonzern BKW bereits – und löst damit oft Unmut aus, weil die Solarpreise extrem schwanken, von sehr hoch bis zu sehr tief.

Erst wenn die Börsenpreise in einem Quartal sehr tief sind, kommen künftig die Mindesttarife als Absicherung ins Spiel. «Sie dürfen gerade deswegen sicher nicht null Rappen betragen», kritisiert Stickelberger. «Das wirkt abschreckend.» Angemessene Mindesttarife seien für Elektrizitätswerke tragbar, gerade weil sie wohl eher selten ins Spiel kämen.

Oft sind Solaranlagen zu klein

Für das BFE hingegen rentieren Solaranlagen so gut, dass es kaum Absicherung braucht. Beim Referenzmodell mit dem Null-Mindesttarif zum Beispiel dauere die Amortisation nur gerade 8 Jahre. Wie kommt es darauf? Das Stichwort ist der Eigenverbrauch: Wird der Strom einer Solaranlage direkt im Haus verbraucht, dann entfallen die Netzgebühren. Das BFE rechnet für zwei seiner drei Referenzmodelle mit einem hohen Eigenverbrauch von 40 bis 60 Prozent.

Dies beruht auf Durchschnittswerten, welche die Solarverbände nicht infrage stellen. Ihr Einwand ist, dass die Statistik eine unbefriedigende Situation zeige: Früher wurden oft viel zu kleine Solaranlagen auf die Dächer gestellt – eben weil man sicher sein wollte, dass sie primär den eigenen Bedarf decken. Dächer, die nur halb oder zu einem Viertel mit Panels bedeckt sind – das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die Einspeisung ins Stromnetz nicht lohnt.

Die Anreize müssten in Zukunft so gesetzt sein, dass die Dächer ganz genutzt werden, fordern Swissolar und Vese. Ebenso müssten nicht nur nach Süden orientierte Dächer, sondern auch solche mit Ost-West-Ausrichtung genutzt werden. Bei diesen ist der Stromertrag tiefer als vom BFE berechnet. Aber dafür fällt er im Tagesverlauf gleichmässiger an – was sehr erwünscht ist.

Vese weist zudem darauf hin, dass ältere Anlagen zu höheren Kosten erstellt wurden. Laut einer Umfrage von Vese, an der sich 450 Betreiber beteiligten, wären 70 Prozent der Anlagen unter den Vorgaben des BFE nicht amortisierbar.

EWB rechnet anders

Die Solarverbände kritisieren auch andere «fragwürdige Annahmen» des BFE, so Stickelberger. So bilden die angenommenen Strompreise ausgerechnet den «Putin-Peak» stark ab, als der Strommarkt verrückt spielte. Für diese Zeitung hat Swissolar das Beispiel eines Mehrfamilien-Miethauses in der Stadt mit eigenen Annahmen durchgerechnet. Resultat: Für die Amortisation innert 25 Jahren ist ein Minimalpreis von 9,4 Rappen/kWh nötig.

Auf einen noch höheren Minimaltarif kam pikanterweise der Stadtberner Versorger EWB, als er im Sommer die neue Bundesregelung «antizipierte», um den Solartarif für 2024 festzulegen: 13,6 Rappen/kWh – je nach Marktpreis auch mehr, plus eine Vergütung für den ökologischen Mehrwert von Solarstrom.

Also im Minimum doppelt so viel, wie der höchste vom BFE vorgeschlagene Minimaltarif.

Und EWB nimmt durchaus für sich in Anspruch, mit diesem markant höheren Mindesttarif bereits jetzt «in Einklang mit den neuen Bundesregelungen zu stehen», wie EWB auf Anfrage schreibt. Allerdings bleibt offen, ob der Minimaltarif von 13,6 Rappen/kWh auch noch 2025 Bestand haben wird.

Die von EWB versorgte Stadt Bern ist interessant, weil Bern wie alle Städte beim Solarausbau hinterherhinkt. Denn hier dominiert ein Haustyp, den das BFE in seinen Berechnungen vernachlässigt: alte Mehrfamilienhäuser, in denen Mieter und Mieterinnen wohnen. Da sind die Installationskosten meist höher als bei Neubauten und die Erträge tiefer als bei Wohneigentum. Doch: Alte Miethäuser sind in der Schweiz sehr zahlreich – und damit entscheidend für die Energiewende.

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