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Stromgesetz schafft neue OptionenBerner Pioniere wollen Solar­strom im Quartier verkaufen

Die Wohnbaugenossenschaft Acht in Bern hat bereits eine Solaranlage auf dem Dach. Eine Elektrizitätsgemeinschaft würde laut Präsident Thomas Göttin den Ausbau ermöglichen.

Die Kontroverse um das Stromgesetz dreht sich vor allem um den Schutz unberührter Landschaften vor neuen Wasser- und Windkraftwerken. Anders als die Mehrzahl der Umweltorganisationen sieht die Fondation Franz Weber diesen durch die Vorlage bedroht und hat deshalb erfolgreich das Referendum ergriffen.

Doch das Stromgesetz, über welches das Schweizervolk am 9. Juni abstimmen wird, bietet auch neue Optionen für grünen Strom mitten im Siedlungsgebiet. So könnten Private ihren eigenen Solarstrom neu direkt im Quartier verkaufen. «Strom aus der Region für die Region», könnte man das Motto frei nach dem bekannten Slogan der Migros umschreiben. Auch Mieter und Mieterinnen könnten so günstigen Solarstrom aus der Nachbarschaft erhalten.

Noch ist der Passus über die «lokalen Elektrizitätsgemeinschaften» (LEG) im Stromgesetz kaum bekannt. Doch im Kanton Bern hat er bereits das Interesse einiger Pionierinnen und Pioniere geweckt.

Ein Dorfmärit für Solarstrom in Thunstetten

Schon zu Jahresbeginn hat der Gemeinderat des Oberaargauer Dorfes Thunstetten mitgeteilt, dass er bezüglich LEG aktiv wird. «Wir wollen unseren Bürgern und Bürgerinnen einen lokalen Markt für Solarstrom zur Verfügung stellen», sagt Gemeindepräsident Hans Peter Vetsch (SP). Das Pionierhafte einer LEG gefällt Vetsch, der früher beim Grossprojekt Gotthard-Basistunnel der Neat arbeitete. «Wir wollen als kleine Gemeinde vorn dabei sein.»

Hans Peter Vetsch, Gemeindepräsident von Thunstetten, vor dem Werkhof. Auf dessen Dach sollen demnächst Solarpanels installiert werden.

Die Gemeinde will allerdings nicht selbst in Solarstrom investieren, sondern dafür den Rahmen bieten. So hat sie kürzlich die Dächer des Werkhofs und des Gemeindehauses der IB Langenthal AG, dem Stromversorger der Nachbarstadt, zur Verfügung gestellt. Dieser wird darauf Solaranlagen bauen und sie auch betreiben. Die Gemeinde bezieht für diese Liegenschaften Strom zu einem reduzierten Tarif. Und später könnte ein Teil des Solarstroms auch in eine LEG eingebracht werden.

Bezüglich der lokalen Elektrizitätsgemeinschaft laufen die Vorbereitungen. Der Gemeinderat hat eine externe Firma beauftragt, die Rahmenbedingungen abzuklären. Auch die LEG will die Gemeinde nicht selber betreiben. Realisieren müsste sie dann eine private Gesellschaft, sagt Vetsch. «Und natürlich hängt es davon ab, ob das Stromgesetz, wie ich hoffe, angenommen wird.»

Private dürfen lokales Stromnetz nutzen

Das Konzept der LEG ist, dass Private ihren Solarstrom an lokale Verbraucher verkaufen und dafür das örtliche Stromnetz mitbenutzen dürfen. Die Grenzen, in denen diese lokalen Elektrizitätsgemeinschaften geschäften dürfen, sind allerdings eng gezogen: Sie dürfen maximal eine Gemeinde umfassen. Zusätzlich müssen die Teilnehmer der LEG alle im selben Kreis des Mittelspannungs-Stromnetzes liegen. Ein solcher Kreis hängt jeweils an einer sogenannten Unterstation.

Die BKW etwa hat neunzig Unterstationen, und sie beliefert 400’000 Endkunden direkt mit Strom. Im Durchschnitt könnte eine LEG also einen Stromnetzsektor mit 4400 Privat- und Firmenkunden umfassen. Entscheidend ist aber die Situation vor Ort. Thunstetten etwa hat zwar nur 3500 Einwohner, wird aber über zwei Unterstationen versorgt. Eine LEG könnte hier also nicht das ganze Gemeindegebiet, sondern nur ungefähr die Hälfte davon umfassen.

Auch in der Region Bern ist man in den Startlöchern

In der Stadt Bern zeigen die «Wohnbaugenossenschaft Acht Bern» und die Gebäudeversicherung Bern Interesse. Auf den Dächern der gemeinsamen Überbauung am Burgernziel sind bereits Solarmodule für den eigenen Verbrauch installiert. «Wir würden die Solaranlage gern erweitern», sagt Genossenschaftspräsident Thomas Göttin. «Mit einer LEG könnten wir zusätzlichen Solarstrom mit der Nachbarschaft teilen.»

Elektrizitätsgemeinschaften könnten «ein Motor für die lokale Produktion von Solarstrom» sein, sagt Jürg Stettler vom Verein Energiewende Muri-Gümligen.

Auch der Verein Energiewende Muri-Gümligen würde gern eine LEG in der Gemeinde schaffen. «Das wäre ein Motor für die lokale Produktion von Solarstrom», sagt Jürg Stettler vom Verein, der lokal bei Privatpersonen, Firmen und den Ortsparteien gut verankert ist.

Im Kleingedruckten liegt der Haken

Alles klar also, so das Volk denn das Stromgesetz annimmt? Nicht ganz. Das Problem liegt im Kleingedruckten – in der Verordnung, die der Bundesrat nach einem Ja erlassen muss. Dazu gibt es erst einen Entwurf, momentan läuft die Vernehmlassung. Doch für Swissolar, den Verband der Solarbranche, ist der Verordnungsentwurf ungenügend. Bleibe es dabei, dann könnten die Elektrizitätsgemeinschaften «keine breite Anwendung finden».

Das Problem liegt vor allem bei der Netzgebühr. Diese soll für LEG reduziert werden, weil das Netz entlastet wird, wenn der Strom vor Ort verbraucht wird. Doch gemäss Verordnungsentwurf soll die Reduktion der Stromnetzgebühren höchstens 30 Prozent betragen.

Im Fall der BKW zum Beispiel beträgt der Netzanteil knapp 11 Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Den LEG würden also nur gut 3 Rappen / kWh Netzgebühr erlassen – bei einem BKW-Strompreis für Private von total 29 Rappen / kWh ist das nicht viel.

Auch wenn man zudem berücksichtigt, dass Solarstrom einer LEG oft ein paar Rappen billiger sein dürfte als der BKW-Strom, bliebe die Marge klein. Denn von einer LEG erhoffen sich Solarproduzenten eine bessere Vergütung, Verbraucher tiefere Strompreise – und aus der Marge muss auch noch das Rechnungswesen einer LEG finanziert werden.

«Diese Reduktion der Netzpreise wird in vielen Fällen nicht ausreichen, um dem Modell LEG zum Durchbruch zu verhelfen», kritisiert Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen, der auch Swissolar präsidiert. «Das entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.» Tatsächlich war man in der Parlamentsdebatte von einer Reduktion der Netzgebühren von bis zu 60 Prozent ausgegangen. Dieser Wert steht denn auch im Gesetz.

«Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Verordnung nachgebessert wird», kündet Grossen an. «Zunächst braucht es jedoch ein Ja zum Stromgesetz, damit LEG überhaupt eine Rechtsgrundlage haben.»

Der Kampf um das Stromnetz

Die Elektrizitätswirtschaft hat die LEG lange bekämpft. Dies mit dem Argument, sie brächten – entgegen der Grundidee – kaum eine Entlastung der lokalen Stromnetze. Auf Anfrage schreibt die BKW, sie habe die LEG «akzeptiert» – als Teil des Stromgesetzes, das der Konzern befürwortet. Zugleich verweist die BKW darauf, dass auch das Energiedepartement Uvek «nur sehr geringe Netzkosteneinsparungen» durch LEG erwartet.

Grossen widerspricht und verweist auf eigene Erfahrungen. Das Wohn- und Bürogebäude in Frutigen, wo die Elektroplanungsfirmen von Grossen und seinen Partnern untergebracht sind, ist mit Solarzellen, intelligenten Steuerungen und Batterien ausgestattet.

So konnte laut Grossen ein Netzausbau komplett vermieden werden – obwohl die Belegschaft gleichzeitig um mehr als das Dreifache wuchs und achtzehn Ladestationen für Elektroautos neu dazukamen.

Klar: Das Gebäude ist auch das Vorzeigebeispiel von spezialisierten Firmen, der Erfolg kann nicht eins zu eins verallgemeinert werden. «Dafür gewinnt man mit einer LEG über viele Gebäude hinweg viel mehr Spielraum als bei einem Einzelbau», sagt Grossen. Das Modell brauche aber eine gewisse Marge, damit ein Anreiz entstehe.

Strom rund um die Uhr mit Hofdünger

Auf dem Bauernhof Sunne-Hubel in der Kleinstgemeinde Deisswil bei Münchenbuchsee sieht man Chancen in einer allfälligen LEG. Wie für die anderen Pioniere sind auch für die Bauernfamilie noch etliche konkrete Fragen offen. Der Landwirtschaftsbetrieb hat bereits Erfahrung mit erneuerbarer Energieproduktion: Auf dem Dach des Kuhstalls ist eine Solaranlage, und die Holzschnitzelheizung heizt insgesamt neun Häuser im Dorf.

Mit dem Hofdünger ihrer Kühe könnten Beatrice Rufer und Adrian Brönnimann auf dem Hof Sunne-Hubel ein Biogaskraftwerk betreiben – und den Strom im Rahmen einer LEG verkaufen.

Mit einer LEG wäre mehr möglich, sagt Bäuerin Beatrice Rufer: «Wir haben Pläne für ein Blockheizkraftwerk mit dem Hofdünger.» Das bedeutet, dass mit Biogas aus dem Dünger ihrer eigenen Kühe und jener des Nachbarhofs sowohl Wärme als auch Strom produziert würde. Mit der Wärme könnte die Geflügelmasthalle des Nachbarhofs mit erneuerbarer Energie beheizt werden statt wie bisher mit Erdgas.

Der Strom könnte im Dorf verkauft werden. Dies mit dem zusätzlichen Vorteil, dass das Biogaskraftwerk, anders als Solaranlagen, auch in der Nacht Strom produzieren würde. «Bisher geben die Elektrizitätswerke ihre Leitungen für den Stromverkauf in der Nachbarschaft nicht frei», sagt Rufer. «Mit einer LEG könnten wir diese benutzen.»

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