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Architekturkolumne BaustelleDer Zaun des Anstosses

Das böse Bundesamt für Verkehr, so lesen wir, hat ihn gefordert: den Zaun entlang der Gurtenbahn.

Niemand hatte die Absicht, einen Zaun zu errichten. Schon gar nicht dort, am Berner Hausberg Gurten, entlang seiner Bahn. Natürlich nicht. Denn selbst wenn ein Zaun hässlich ist wie dieser, ist er teuer. Das kann niemand wollen.

Aber das böse Bundesamt für Verkehr, so lesen wir, hat ihn gefordert, das böse Bundesamt für Verkehr hat ihn bekommen. Und so wird von verantwortlicher Seite nun gemurmelt: «Wir mussten, ähm, konnten nicht anders, räusper, wird sich mit der Zeit schon weggucken ...»

Eigentlich müsste man Stefan Raab an den Berner Hausberg beordern, damit er vor dem Corpus Delicti noch einmal seinen unvergesslichen Song über den «Möschndrahtzäun» zum Besten gibt.

Humor soll bekanntlich helfen. Nur, wie sagte schon Brecht? «Es ist schlimm, in einem Land zu leben, in dem es keinen Humor gibt. Aber noch schlimmer ist es, in einem Land zu leben, in dem man ihn braucht.»

Wozu eigentlich eine Abgrenzung?

Nun gut, es gibt in unserer sicherheitsversessenen Zeit möglicherweise eine Vorschrift, in diesem Fall (Stichwort: führerlose Bahn) einen Zaun zu bauen. Er übernimmt die Verantwortung. Im Zweifelsfall ist er, der Zaun, schuld. Das ist praktischer, als selber aufzupassen.

Die Überwindung der Abgrenzung wird zum Kunstwerk: Der Zytglogge in der Berner Altstadt.

Aber wozu überhaupt die Aufregung? In der Architekturgeschichte wimmelt es von Zäunen, Mauern, Einfriedungen. Abgrenzung ist, auch wenn wir das – nicht zuletzt durch den Zeitgeist bedingt – ungern zugeben, ein menschliches Bedürfnis. Nämlich die Unterscheidung in Meins und Deins: Das Vieh soll nicht ausbrechen, in meinen Garten soll niemand einbrechen.

Am deutlichsten wird das bei der Befestigung von Siedlungen. Schon die Kelten errichteten um ihre Häuser Holzpalisaden oder Wallanlagen. Später besass fast jede Stadt eine Ummauerung. Aber – und nun kommen wir zum Unterschied – neben rein funktionalen Aspekten wie Festigkeit und Verteidigungstauglichkeit bemühte man sich, die Abgrenzung zu gestalten.

Dies insbesondere dort, wo Ummauerungen mittels Stadttoren geöffnet werden konnten. Deren ästhetische Gestaltung feiert, um es etwas pathetisch zu sagen, das Loch im Zaun. Die Überwindung der Abgrenzung wird zum Kunstwerk.

Was davon ist am Gurten zu sehen? Rein – gar – nichts. Und das ist der eigentliche Skandal. Das Bemühen um eine Gestaltung hat gar nicht erst stattgefunden. Und das nicht etwa in einem beliebigen Gewerbegebiet, sondern in prominentester Lage.

«Wir suchen den schönsten Zaun»

Dabei wäre es zweifellos lohend, sich mit bestimmten Fragen vertieft auseinanderzusetzen: Braucht es den engmaschigen Zaun wirklich auf der ganzen Höhe? Was bewirkt eine andere Farbe? Wirkt ein feineres Geflecht transparenter und damit unauffälliger? Wie sähe eine geglückte Gestaltung der Zaunpfosten aus?

Es gibt ganz sicher keine Vorschrift, einen hässlichen Zaun zu errichten.

Hätten die Gurtenbahn-Verantwortlichen sich die Mühe gemacht, über solche Fragen nachzudenken – oder andere darüber nachdenken lassen –, hätte sich womöglich sogar in der Öffentlichkeitsarbeit daraus Kapital schlagen lassen, etwa nach dem Motto: «Wir brauchen einen Zaun, und wir suchen den schönsten.»

Hätte, wäre, wenn. Fazit: Der Zaun ist da. Und ja: Offenbar gibt es Vorschriften, die eine Errichtung eines Zauns entlang der Gurtenbahn vorsahen. Aber es gibt ganz sicher keine Vorschrift, einen hässlichen Zaun zu errichten.

Ich tröste mich damit, dass Zäune kommen und gehen. Die Gurtenbahn aber ist ewig.

Martin Klopfenstein ist Architekt in Schwarzenburg und Mitglied des «Baustelle»-Kolumnenteams.

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