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Kolumne «Fast verliebt»Wahre Liebe endet nie

Eine Trennung heisst nicht, dass man alles neu bewerten muss: Claudia Schumacher.

Mein liebstes Restaurant auf der ganzen Welt liegt auf einer kleinen Thai-Insel voller Hippies. Als ich nach Jahren wieder dort bin, fehlt etwas: Frau und Kind. «Wo sind sie?», frage ich mich und trinke eiskalten Wassermelonen-Saft unter der Knallsonne.

Das hier schien immer die Geschichte einer grossen Liebe zu sein (und der Traum vieler Aussteiger und Influencerinnen): Vor über zehn Jahren eröffnete eine junge blonde Britin zusammen mit ihrem langhaarigen, rockglamourösen Thai-Mann das erste vegetarisch-vegane Restaurant auf dieser Insel – und alles daran war ungewöhnlich.

Die superblasse Europäerin auf der stromlosen Insel voller Kiffer und Bob-Marley-Poster. Ein fleischloses Restaurant in einer Fleischkultur. Man kann sich vorstellen, was die Eltern der jungen Frau damals dachten, irgendwo in ihrem Reihenhaus in England.

«Impossible? = I’m possible!», schrieb die Tochter in einer trotzigen Mischung aus Naivität und Entschlossenheit auf ein Schild. Dann rammte es ihr Mann in den Garten des Restaurants – und sie legten los: Servierten Tofu-Currys mit Vollkornreis und Superfood-Shakes, gaben Yoga-Stunden, spielten Gitarre, und der gemeinsame Sohn zierte die Speisekarte und rannte durch den Garten. Der Laden wurde ein Riesenerfolg.

Und jetzt? Ist er immer noch hier. Und wo ist sie? «In der Stadt», erzählt der verbliebene Mann. Wie ich erfahre, sind sie nicht mehr zusammen. Wie schade! Ich werde traurig. War wohl doch nicht so rosig, wie es wirkte, denke ich. War er nur eine Phase für sie, hat er es in den Sand gesetzt?

Aber dann höre ich dem Mann eine Weile lang zu und merke, dass meine voreiligen Schlüsse ins Leere laufen. Denn er spricht mit so viel Liebe und Respekt von ihr, dass mir klar wird: Die Geschichte der beiden ist grösser als ihre Trennung. Wie sie sich verliebten, dieses unwahrscheinliche Paar, wie sie dann gemeinsam die Welt bereisten, sich durch Asien futterten, über die Zutaten fachsimpelten und schliesslich ihre eigene Speisekarte zusammenschrieben, die der Grundstein ihres Erfolgs wurde.

Plötzlich kommt mir das – trotz der Trennung – sehr romantisch vor.

Sie lernte von ihm Thai, er lernte die nassen englischen Sommer kennen. Noch heute sind sie befreundet, zusammen für den gemeinsamen Sohn da, und er mag ihren neuen Freund. «Ich habe so viel von ihr gelernt», resümiert er lächelnd: «und sie von mir.» Plötzlich kommt mir das – trotz der Trennung – sehr romantisch vor.

So oft reden wir eine Liebe im Rückspiegel schlecht, nur weil wir nicht zusammenbleiben konnten. Dabei heisst eine Trennung nicht, dass man alles neu bewerten muss – warum auch? Es kann wunderbar gewesen sein. Was man gemeinsam erlebt und aufgebaut hat, kann grösser sein als die Tatsache, dass es vorbei ist.

Vielleicht ist es die höchste Kunst der Liebe, für immer zusammenzubleiben. Aber eine liebevolle Trennung, das ist die zweithöchste Kunst. Mindestens.