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Kolumne «Fast verliebt»Wahl­verwandt­schaften

Berichtet aus ihrem Umfeld: Claudia Schumacher.

«Freunde sind Gottes Entschuldigung für Verwandte», wusste schon der irische Literaturnobelpreisträger George Bernard Shaw (✝1950). So geht es vielen: Man wird flügge und bastelt sich eine neue Familie aus Freundinnen und Freunden, aus älteren Ratgebern oder kleinen Protegés, die als Kinderersatz dienen.

Das muss nicht mal damit zusammenhängen, dass die eigene Herkunftsfamilie die Hölle war. Vielleicht ist man nur aus beruflichen Gründen weit weggezogen, fühlte sich daheim aber so pudelwohl, dass jetzt das System Familie auf Schritt und Tritt reproduziert werden muss.

Da es sich bei allen Formen von intimen Beziehungen aber empfiehlt, fair zu spielen, kommen hier ein paar Regeln:

Zuerst erwachsen werden lohnt sich!

Vielleicht waren Sie zu Hause das Nesthäkchen und hatten superliebe ältere Geschwister: Die haben die Konflikte mit den Eltern geführt, Sie überallhin mitgenommen, und wenn Sie mal wieder Mist gebaut hatten, stand einer der Grossen mit seiner empirischen Weisheit zu Ihrer Rettung bereit. Und jetzt? Sind sie allein in einer neuen Stadt – und suchen sich neue Diener.

Ihr Boyfriend ist ein lieber Trottel, der Ihre Versicherungen checkt, Ihre technischen Probleme löst und Sie überall hinfährt, weil Sie sich immer noch nicht auf die Autobahn trauen? Ihre beste Freundin wird ständig mit Ihren Problemen zugemüllt, weil Sie nicht die kleinste emotionale Unannehmlichkeit Ihres Alltags ohne Jammern schlucken können? Man sollte seine lebens­wichtigen Organe nicht in die Körper von anderen stecken. Selber klarkommen ist nachhaltiger, für alle.

Übertragen Sie Ihren Geschwisterzwist nicht auf Fremde!

Etwa, indem man alte Kindheitswunden endlos an anderen nachspielt. Ihr älterer Bruder bekam von den Eltern mehr Applaus als Sie? Okay, aber das ist ein denkbar schlechter Grund, Ihren besten Freund, der ein paar Jahre älter ist, um jeden Erfolg zu beneiden und sich ständig mit ihm in Konkurrenz zu stellen, anstatt ihn zu feiern. Für Ihren seelischen Geiz haben Sie ja schon einen leiblichen Bruder.

Ersatzeltern unbedingt mit Dank bedenken!

Ein ganz heikles Feld sind Ersatzeltern. Man findet Sie etwa im Beruf: Mentorinnen und Mentoren holen an Ihren Zöglingen oft nach, was deren Eltern versäumt haben. Nicht selten passiert dann mit der Zeit etwas Wunderliches: Die Zöglinge wenden sich gegen Ihre Ersatzeltern, sobald sie aufgebaut wurden. Eine Art stellvertretender Vater-/Muttermord. Das ist, gelinde gesagt, nicht nett. Wer gütige Ersatzeltern findet, darf sich an ihnen nicht für das rächen, was die eigenen Eltern verbockt haben. Ein bisschen Dank ist das Mindeste!

Im Worst Case ist eine Wahlverwandtschaft nur eine weitere Gelegenheit, sich selbst und andere zu quälen. Im Idealfall ist sie aber eine neue Möglichkeit, alles richtig zu machen. Bonne chance!