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Kolumne «Fast verliebt»Warum Torschlusspanik ganz gut ist

Die Kinderfrage läute bei Frauen einen Reifeprozess ein – schreibt Claudia Schumacher.

In einem Strandcafé auf einer Thai-Insel beobachte ich ein Naturschauspiel, das mir vertraut vorkommt: Da ist eine Frau mittleren Alters, die zufrieden und gefestigt wirkt, und neben ihr ein Mann im selben Alter, der etwas unreif und verloren erscheint. Die beiden sind befreundet, leiten zusammen das Café. Sie fährt abends nach Hause zu ihrem Kind. Er ist Junggeselle, sitzt dann noch bis in die Nacht zappelig im Café, spielt wie ein Teenie auf seinem Handy rum, macht zwanzig Jahre jüngere Touristinnen an (soweit ich sehen kann, erfolglos) und lebt von Goa-Party zu Goa-Party. Ein Blick in seine Augen weckt allerdings den Verdacht, dass die ersten 300 Goa-Partys lustiger waren als die 956. vom letzten Wochenende.

Das Inselbeispiel ist sicher ein bisschen extrem, aber Koh Phangan lässt sich durchaus auf Konolfingen übertragen: Frauen werden eher erwachsen, während Männer häufiger Gefahr laufen, alternde Peter Pans zu werden, die es in diesem Leben nicht mehr aus Neverland rausschaffen.

Dass der Fortbestand der Menschheit auf den Bäuchen der Frauen ruht, gehört zu den grossen Ungerechtigkeiten dieser Welt, da sind meine Freundinnen und ich uns einig. Frauen sind es, die Dammrisse und Karriereknicks verschmerzen, die öfter in die Care-Falle oder Altersarmut schlittern. Aber ist das die ganze Wahrheit?

Je älter ich werde und je länger ich mein Umfeld beobachte, desto mehr glaube ich, dass die verlachte, verschriene Torschlusspanik der Frauen auch ihre guten Seiten hat. Selbst dann, wenn ihr gar kein Kind entspringt.

«Mitte 20 wusste ich nicht, ob ich mal Familie haben will», sagt eine meiner Freundinnen, «aber ich wollte mir den Weg offenhalten.» Für sie bedeutete das, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Sich beruflich was aufzubauen. Einmal die Woche die Wohnung staubzusaugen. Emotional zu reifen. Versicherungen abzuschliessen, eine feste und langjährige Liebesbeziehung einzugehen. Sie ist jetzt Ende vierzig und hat sich vor ein paar Jahren gegen ein Kind entschieden.

«Der biologische Druck war aber gar nicht so schlecht», sagt sie. «Er hat mir geholfen, menschlich zu reifen.» Wenn sie sich ein paar ihrer kinderlosen männlichen Kollegen über 50 ansehe, sei sie «gottfroh» darum. Sie glaubt, dass sich Frauen die Frage nach dem Sinn entweder mit einem Kind beantworten oder auf anderem Wege, «aber zumindest stellt sich die Frage». Männer könnten dieser Frage ein Leben lang aus dem Weg gehen und dabei peinlich werden wie Leo DiCaprio in Saint-Tropez. Sie können sich sagen: Ich mache es wie Al Pacino und zeuge mit über 80 noch ein Kind.

Es gehört aber zu den Mysterien des Lebens, dass sich Freiheit umso kostbarer anfühlen kann, wenn sie ein paar Einschränkungen erfährt, während sie in der völligen Grenzenlosigkeit schnell schal und langweilig werden kann. Genau wie niemals enden wollende Ferien.