Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Culinarium Alpinum in Stans«Brutal lokal»: Bauer sucht Koch

Peter Durrer hat sich nach 34 Jahren in der Hotellerie selbstständig gemacht und pachtet das Restaurant im ehemaligen Kapuzinerkloster in Stans, inklusive 14 Zimmern und Umschwung.

Manche nennen es Tavolata, andere Tapas, im Kern ist es ein Menü im Miniformat: Auf dem Tisch stehen kleine Teller, mit einem Geisskäse mit gekochten Birnen, Kürbiskern-Crunch und Knäckebrot, einer Pilzterrine mit Jus, Nüsslisalat mit Kartoffelchip und einem Weichkäse auf Karotten-Kürbis-Mousse. Das ist der Start in den Abend im Restaurant Culinarium Alpinum im Kloster Stans.

Zu jedem der Produkte auf den Tellerchen könnten Küchenchef David Zurfluh und Gastgeber Peter Durrer eine Anekdote erzählen. Sie arbeiten nach der Methode «Brutal Lokal», bei der alle Produkte in wenigen Kilometern Distanz zum Restaurant produziert werden. «Hätten wir hier nur eine Beiz, würde das nicht ausreichen», sagt Durrer. Ein abgelegenes Restaurant wie seines brauche ein klares Thema und neue Geschichten.

Das Thema hier: Schweizer Regionalküche. Die Philosophie: Bauer sucht Koch.

Ohne Alphüttencharme, ohne Pinzette

Das tun sie in einem geschichtsträchtigen Gebäude: Das 1584 erbaute Kapuzinerkloster wurde 2004 zu einem symbolischen Betrag an den Kanton Nidwalden abgetreten. Nach einigen Jahren Leerstand übernahm es die Senn-Gruppe im Baurecht und renovierte es für rund sieben Millionen Franken. Der Journalist und Buchautor Dominik Flammer überzeugte den Kanton mit einem Konzept für ein Kompetenzzentrum für Kulinarik im Alpenraum.

Nach dem Umbau übernahm Peter Durrer 2020 die Pacht im Culinarium Alpinum. Der 54-Jährige ist Gastgeber durch und durch, adrett gekleidet, gut gelaunt und zuvorkommend. Er war unter anderem ein Jahrzehnt an der Hotelfachschule Luzern als Vizedirektor und Dozent und seit 1999 in zahlreichen Fünfsternhotels tätig. Dort verlangten die Gäste nach den «ewig gleichen» Hummer und Kaviar.

Die Vorspeisen der Tavolata: Halbhartkäse (links) und Weichkäse von der Ziege sowie eine Pilzterrine (vorne rechts).

«Man reist doch an Orte, um die Spezialitäten von dort zu probieren. Genau das bieten wir hier an.» Ganz ohne Edelweisshemden und Alphüttencharme. Das würde auch nicht zum elegant-schicken Lokal und den puristischen Hotelzimmern des ehemaligen Kapuzinerklosters passen.

Das kulinarische Erbe der Alpen ist in der hiesigen Gastronomie seit Jahren ein Thema. Dieses Erbe soll dereinst bei der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe eingetragen werden. Der Bewerbungsprozess läuft, sieben Länder kooperieren für dieses Vorhaben. Sie kommen zusammen auf rund 1800 Täler, in denen zwischen 20’000 bis 40’000 regionale Spezialitäten produziert werden.

Klostertradition lebt im Garten weiter

Fürs Konzept im Culinarium sei die Alpenregion zu weit gefasst, sagt Peter Durrer. Lieber beschränken sie sich auf die Schweiz, je näher, desto besser: Die Produkte, die serviert werden, stammen aus Stans, den Nachbargemeinden oder dem Kanton Nidwalden. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Fisch, dieser kommt gerade aus dem Bielersee. «Wir wollen lieber See- als Zuchtfische auftischen. In der Zucht herrscht beim Futtermittel zu wenig Transparenz.»

250 essbare Pflanzen gedeihen im Naschgarten des Klosters.

Das Culinarium hat ambitionierte Ziele: Das Bio-Zertifikat hat es bereits erhalten, dafür müssen mindestens 30 Prozent der servierten Produkte biologischen Ursprungs sein. Im Culinarium Alpinum sind es derzeit 42 Prozent.

Letztes Jahr wurde der Naschgarten, in dem Kakibäume neben frosthartem Ingwer und Zwergmehlbeeren gedeihen, eröffnet. Überhaupt, die Beeren: An Büschen hängen knallrote Früchte, die man jedem Kind verbieten würde zu essen. Eine Informationstafel besagt, dass die Nachtschattenbeeren sehr wohl geniessbar sind.

Rings ums Kloster wächst im Oktober sogar Safran, der jeden Morgen gepflückt wird. Im Garten hinter dem Haus findet man an die 250 essbaren Beerensorten und Wildpflanzen. Damit wird an eine klösterliche Tradition angeknüpft: Seit jeher hätten die Missionare Pflanzen aus fernen Ländern mitgebracht und hier in Stans kultiviert, sagt Peter Durrer.

«Wir versuchen hier das Regionale neu zu erzählen.»

Peter Durrer

Nach drei Jahren Schaffenszeit eilt dem Culinarium Alpinum sein Ruf voraus, und ortsansässige Bauern treten von sich aus mit Durrer in Kontakt. Was die Küche nicht direkt auf den Teller bringt, wird eingemacht und sammelt sich in der Schatzkammer: Glas an Glas reihen sich dort Essiggurken, Sugo und sogar hausgemachtes Ketchup. Und zum Kloster passende Kapuzinerkresseblüten.

Neben der Culinarium-Schatzkammer befindet sich der Reifekeller: Hinter Peter Durrer reifen die Laibe des Alpsbrinz.

Ein Natursteinraum dient als Reifekeller für den Alpsbrinzer Käse, der insgesamt nur in gerade mal noch 8 Alphütten produziert wird. Die Laibe werden von den Käsern der Molki Stans gepflegt und geschmiert. Das hat sich herumgesprochen: Erstmals hat das Culinarium diesen Sommer internationale Reisende aus der Touristenhochburg Luzern nach Stans gelockt.

Täglich grüsst der Bauer

Nur mit Rahm zu kochen, findet Peter Durrer langweilig. Immer Rindsfilet zum Znacht und Gipfeli zum Zmorge ebenfalls. «Wir versuchen hier das Regionale neu zu erzählen.»

Die Hauptgänge der Tavolata: Fleischbällchen, Bieler Balchen, Mais und viel Gemüse.

Davon zeugen die Tavolata-Hauptgänge, die nach den eingangs erwähnten Vorspeisen von den Kellnerinnen aufgetragen werden: Bieler Balchen – so nennt man grosse Felchen – mit blauen St. Galler Kartoffeln, Alpschwein-Fleischbällchen, Maiskolben vom benachbarten Feld, gerösteter Kabis auf Rotkrautsalat. Doch genug der Beispiele, das Menü wechselt schliesslich täglich, je nachdem, was die Bauern liefern.

Das Potenzial des typischen Schweizer Frühstücks wird hier ausgeschöpft: Zum «Café complet» – Brot mit Käse und Konfitüre – gibt es einen Butterzopf, der von einem backenden Bauern stammt. Dazu serviert Küchenchef David Zurfluh mit seinem Team nebst hauseigenen Konfitüren, Granola und Birchermüesli natürlich Käse: Nidwaldner Alpkäse, Stanser Röteli und Weisser Stanser. 

Klein, fein und ausreichend: Die regionale Käseauswahl beim Frühstück.

Ein Höhepunkt des brutal lokalen Frühstücks ist die Caramelcreme, die in Südamerika als «Dulce de Leche» bekannt ist. Durrers Schwester, die auf ihrem Bauernhof einen Praktikanten aus Argentinien beschäftigte, bekam von ihm ein Rezept.

Peter Durrer begab sich selber auf Recherche und entdeckte die Geschichte im Buch von «Die Alpwirtschaft in Nidwalden» von Leo Odermatt. «Auch in der Schweiz wurde früher Milch auf diese Weise haltbar gemacht, und zugleich hatte man ein Süssungsmittel», erzählt Peter Durrer bei Butterzopf mit Caramelcreme. Unverschämt dick aufgetragen, so gehen Anekdoten runter wie Caramel – oder Honig.