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Kolonialismus im Museum Eine strenge neue Heimat für das Problem-Wandbild

Izabel Barros, Bernhard Schär, Vera Ryser und Angela Wittwer vom Verein «Das Wandbild muss weg!» sind ein Teil des Gastkurationsteams.

Auf den ersten Blick wirkt die Dichte erdrückend. Im ersten Raum hängt Texttafel an Texttafel, es gibt Vitrinen – aber kaum Orientierungshilfe. Dann wird der chronologische Aufbau der Ereignisse sichtbar: Am Anfang sind die 40er-Jahre, die Zeit, als die Berner Künstler Eugen Jordi und Emil Zbinden das Wandbild im Wylergut schufen, einer der grössten Zankapfel der letzten Jahre in Bern. Die Schau folgt seinem Schicksal. Am Schluss, im zweiten Raum, steht es schliesslich: das restaurierte Werk.

Die Ausstellung «Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern» bleibt nahe am Fall dran. Die Wandbilddebatte der letzten Jahre wird rekapituliert, eine Vielfalt der Meinungen ist abgebildet – allerdings nicht jene diskriminierenden, verletzenden Kommentare, die in der teils gehässigen Debatte auch gefallen sind. Hier hält das Ausstellungsteam am Grundsatz fest, dass Rassismus keine Meinung ist.

Betont sachlich

Das Thema wird betont sachlich und wissenschaftlich behandelt. Ein Aktivismus ist kaum zu spüren, obwohl sich die Ausstellungsmacherinnen und -macher durchaus auch als Aktivistinnen und Aktivisten verstehen. Die Entstehung des Wandalphabets mit den Kacheln C, I und N, die durch asiatische, indigene amerikanische und afrikanische Menschen illustriert waren, wird in den Zusammenhang seiner Entstehungszeit gestellt. Damals wurden dunkelhäutige Menschen als exotische Attraktion gesehen, wie die Berichterstattung über einen Besuch der Jazzerin Josephine Baker zeigt. Diese trat nach 1929 auch 1945 in Bern auf.

Ausführlich wird über den Hintergrund der Künstler informiert. So kommt auch Emil Zbindens Schwiegertochter Katharina Zbinden in einer Hörstation zu Wort. Ein schriftlicher Beitrag von Kunsthistoriker Etienne Wismer, Präsident des Fördervereins Emil Zbinden, macht klar: In anderen Werken hat sich der Künstler für die sozialen und ökonomischen Lebensumstände seiner Protagonisten interessiert – wohingegen das Wandbild eine Reduktion auf Stereotypen zeigt.

Dass nichteuropäische Menschen auf einem Bild neben Tieren und Pflanzen dargestellt werden, wirkt heute verstörend, passt aber ins damals verbreitete, durch den Kolonialismus geprägte Menschenbild. Europa galt als überlegen und zivilisiert, während bei anderen Kulturen Geschichte und Zivilisation negiert und eine angebliche Naturnähe betont wurde.

Von oben herab

Auch Museen wie das Bernische Historische Museum blickten von oben herab auf aussereuropäische Kulturen. Heute arbeitet das Museum, das über eine grosse ethnografische Sammlung verfügt, die Vergangenheit auf und versucht Objekte, die unrechtmässig in seinen Besitz gelangt sind, zurückzugeben. 

Gerade hier hätte es Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben, auf die das Team aber verzichtet. Oder nur indirekt darauf eingeht. Die Räume sind deshalb so karg, weil der Teppichboden und die Decken-Schalldämmung für diese Ausstellung entfernt wurden. Das bedeute eine «Dekonstruktion» des Museums, hiess es auf dem Medienrundgang. Ob diese Absicht auch ohne die Erklärungen spürbar wird? Eher nicht.

Direktor Thomas Pauli-Gabi: «Der richtige Ort, um die hitzige Debatte zu versachlichen.»

Das Museum selbst beschreitet mit der Ausstellung neue Wege, indem es die Deutungshoheit über das Thema abgibt. Dieses Vorgehen entspreche der neuen Museumsstrategie, wie Direktor Thomas Pauli-Gabi sagte. Demnach sollen verschiedene Akteurinnen und Akteure im Museum eine Stimme erhalten. «Unser Museum ist der richtige Ort, um diese phasenweise recht hitzige Debatte zu versachlichen und zu kontextualisieren.»

Allerdings wirkt das Resultat des Gastkuratoriums stellenweise etwas papieren. Dem liegt ein Dilemma zugrunde. Wie lässt sich das Thema angemessen illustrieren? In den Kreisen der Kolonialismus- und Rassismusforschung und unter Aktivistinnen und Aktivisten besteht der Konsens, dass Rassismus nicht «reproduziert» werden soll. So, wie man heute das N-Wort nicht mehr sagt, weil es rassistisch ist, soll man auch rassistische Bilder und Symbole nicht durch das ständige Präsentieren in Erinnerung halten.

Bücken und verdrehen

Deshalb ist auch kein Foto des Wandbildes im unverschmierten Zustand sichtbar. Wobei, an einer Stelle ist es tatsächlich versteckt. Man muss sich bücken und verdrehen, um es zu sehen. Die Mühsal des Themas ist in der Ausstellung quasi körperlich spürbar.

Aus demselben Grund gibt es auch nur spärlich andere Objekte, die rassistisch konnotiert sind und mit denen man das Thema beispielhaft hätte erweitern können. Es fehlt an Bildern, an Dingen, an visuellen Zugängen zum Rassismus-Thema. Die Haltung ist zwar konsequent, doch stellt sich die Frage, wie zugänglich die inhaltlich reich befrachtete Ausstellung wirklich ist für Menschen, die sich noch nicht intensiv mit dem Thema befasst haben.

Gastkuratorin Vera Ryser.

Erstaunlich ist, dass eine Kinderspur fehlt, also ein spezifisches Angebot für junge Gäste. Zumal sich das Wandbild in einer Primarschule befand. Co-Projektleiterin Vera Ryser ist sich des Widerspruchs bewusst. «Wir haben uns aber auf eine erwachsene Zielgruppe fokussiert. Sie ist mit rassistischen Stereotypen aufgewachsen und wird hier mit den eigenen Bildern konfrontiert.»

Vermittlung soll helfen

In der Ausstellung werden laut Ryser stets Vermittlungspersonen präsent sein, die den Besuchenden einzelne Stationen erläutern können, falls der Zugang schwerfällt. Ausserdem werden bald Vermittlungsangebote und Führungen für verschiedene Schulstufen angeboten.

Der hintere Raum mit dem Wandbild, mit Sitzgelegenheiten und Lesestoff zum Thema wirkt nach dem etwas überladenen ersten Teil wohltuend aufgeräumt. Das Wandbild – die problematischen Kacheln bleiben überpinselt als Zeugnis des Widerstands – liegt schräg im Raum. Neue Perspektiven auf das Thema bietet die Ausstellung schon, man muss sich aber reinknien und sich dabei dann und wann auch etwas verrenken.

Ausstellung bis 1. Juni 2025

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