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Toxische Kunst am BauJetzt wird das Problem-Wandbild abmontiert 

Es ist kompliziert: Dozentin Christel Meyer-Wilmes von der HKB und Restaurator Ekkehard Fritz erklären, wie das Wandbild demontiert werden soll.

Das Wandbild soll weg. Doch das ist erst mal leichter gesagt als getan. Auf einem Baugerüst kniend, erklärt Restaurator Ekkehard Fritz im Wylergut-Schulhaus in Bern das aufwendige Verfahren. Vereinfacht gesagt, wird mit einem speziellen Schaum zuerst ein Negativ der Bildfelder angefertigt. Danach werden die Bildfelder mit einer Säge je im Doppelpakt herausgeschnitten. An der Hochschule der Künste (HKB) werden die Bildfelder anschliessend auf einen neuen Träger übertragen. Damit soll der Wandcharakter des Werkes beibehalten werden. 

Diese Arbeit wurde am Mittwoch begonnen und wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern. Noch ist unklar, ob die Sommerferien dafür reichen werden. 100’000 Franken werden die Demontage und Aufbereitung an der Hochschule der Künste kosten. Danach geht das 1949 erstellte Fresko mit den kolonialen Stereotypen als Schenkung an das Bernische Historische Museum, wo es im Frühling 2024 ausgestellt wird. Dort soll das toxische Geschenk die Debatte über den Umgang mit als diskriminierend empfundener Kunst im öffentlichen Raum weiter am Leben erhalten. 

Originalzustand unerwünscht

Die Gegnerinnen und Gegner der Demontage sprachen von einem «Bildersturm» und von einer Missachtung der historischen Bedeutung des Werkes. Ein Anwalt hat zudem eine Baurechtsbeschwerde eingereicht, welche drohte, das Projekt zu verzögern. Diese ist jedoch inzwischen abgewiesen worden. 

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Weiterhin brisant bleibt die Frage, in welchem Zustand das Wandbild genau konserviert werden soll. Bekanntlich übermalten 2020 Unbekannte drei Kacheln des auf dem Bild dargestellten Alphabets mit schwarzer Farbe: Das «N», das «I», und das «C», die afrikanische, indigene amerikanische und asiatische Menschen stereotyp wiedergaben. Ist es nun Aufgabe der Restauratorinnen und Restauratoren, das Wandbild wieder in den (problematischen) Originalzustand zu versetzen?

Technisch gesehen wäre das problemlos machbar, sagt Christel Meyer-Wilmes vor dem übermalten «N». Die Restauratorin arbeitet beim Fachbereich Restaurierung und Konservierung an der HKB. Doch gehe es bei diesem Projekt darum, die «Reaktionen der Gesellschaft als Teil der Objektgeschichte» abzubilden. Die schwarzen Übermalungen werden deshalb beibehalten. 

Die Entfernung des Wandbilds wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen. 

Die Frage nach dem «richtigen» Zustand des Bildes ist aber durchaus heikel: Restauratorinnen und Restauratoren müssen bei ihrer Arbeit diverse Leitlinien einhalten. Und schliesslich hat auch die Denkmalpflege das Wandbild als erhaltenswert eingestuft. Allerdings sehen neue Richtlinien des Bundesamts für Kultur (BAK) nun Ausnahmen vor, wenn mit dem Werk diskriminierende Werte vermittelt werden.  

«Gesellschaftlicher Lernprozess»

Für Vera Ryser vom Verein «Das Wandbild muss weg!» gehört das alles zum «gesellschaftlichen Lernprozess». In der Ausstellung im Historischen Museum, welche von ihrem Verein kuratiert werden wird, will sie auf die kolonial-rassistischen Weltbilder in der Zeit von Emil Zbinden und Eugen Jordi aufmerksam machen und aufzeigen, dass diese Bilder sowohl in schulischen wie auch in musealen Kontexten bis heute weiterwirken. 

Den Künstlern selber macht sie keine Vorwürfe: «Sie haben in ihrem Bild schlicht die kolonialen Denkweisen reproduziert.» Der damals herrschende koloniale Blick sei in der Schweiz auch bei Linken normal gewesen. Die heftigen Diskussionen um das Wandbild hätten ihr aber gezeigt, so Ryser, dass diese bis in die Gegenwart reichten. Sie rechnet deshalb auch weiterhin mit Widerstand. «Der Verlust von Privilegien, und sei es auch nur das Privileg, ein verletzendes Wort sagen zu dürfen, ist für manche sehr schmerzhaft.» 

Museum stoppte «I-Ausstellung»

Seit 2019 wird über das Wandbild im Wylergut gestritten. Begonnen hatte die Debatte über den Umgang mit Berns kolonialem Erbe mit der Diskussion um die Zunft zum Mohren. Ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt, wie sich in Bern der Diskurs dazu seitdem geändert hat.

Nach dem Überschwappen der Black-Lives-Matter-Bewegung aus den USA im Sommer 2020 musste sich etwa die Kolonialbar am Kornhausplatz einen neuen Namen geben. Sie war zuvor in den sozialen Medien in einen Shitstorm geraten. Kurz darauf änderte der Kleiderladen Kitchener sein Logo, einen indigenen Kopf. 2022 änderte schliesslich auch die Zunft zum Mohren ihren Namen. 

Besonders gefordert sind auch die Museen, namentlich das Historische. Im Herbst 2022 schloss es die Dauerausstellung «Indianer – Vielfalt der Kulturen in Amerika». Bereits zuvor hatte das Museum das «I-Wort» überklebt. Seit Mai 2023 ist auch die Dauer-Ausstellung «Kulturen in Asien und Ozeanien» geschlossen. Laut Museum dienen die Räume nun als Experimentierflächen und bieten Platz für Workshops und Veranstaltungen. 

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