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Retrotrend in der MusikSwift auf Band, Yello auf Spule – Kassettli sind wieder in

Klangtüftler mit einem Album zum Anfassen: Dieter Meier (links) und Boris Blank von Yello machen im Retrohype den nächsten Schritt.

Beobachter des Musikgeschäfts sind in Aufruhr: 300 Millionen Streams verbuchte das neue Album von Taylor Swift – allein am Tag der Veröffentlichung. 26,1 Milliarden digitale Zugriffe nahm die Künstlerin der Stunde 2023 für sich in Anspruch – natürlich auch das: Rekord.

Aber wer spricht eigentlich darüber, dass es Taylor Swifts musikhistorische Erzeugnisse auch auf Kassette zu kaufen gibt? Viel zu wenige, möchte man meinen, angesichts dessen, dass der Superstar selbst in diesem Segment für rege Nachfrage sorgt: Zumindest im offiziellen Taylor-Swift-Fanstore ist die Kassette, die stilgerecht mit Booklet für knapp 20 Euro geliefert wird, nach wenigen Tagen bereits vergriffen.

Neue Musik auf Vinyl und Band

Es gehört in der Branche seit einigen Jahren wieder zum guten Ton, neue Musik nicht nur digital sowie auf Vinyl und CD, sondern auch auf Band zu vertreiben. Neben dem Album von Taylor Swift gibt es diejenigen von Billie Eilish, Madonna, Justin Bieber oder Björk auf Kassette zu kaufen, in der Schweiz hat jüngst Dancehall-Künstler Stereo Luchs seine Veröffentlichung auf den kleinen Bändern zugänglich gemacht.

Die zarte Renaissance, die die Musikkassette – jargongerechter: das Tape – gerade erlebt, sorgt auf dem Streamingmarkt höchstens für Schulterzucken und macht sich wirtschaftlich kaum bemerkbar. Für die Schweiz vermeldete der Branchenverband der Musiklabels 2023 einen Umsatz von knapp 18 Millionen Franken mit physischen Tonträgern – das sind gerade mal 8 Prozent der gesamten Erträge im hiesigen Geschäft. Der grösste Anteil bei den physischen Tonträgern entfällt auf CDs und Vinyl – in der Kategorie «Other», der auch die Kassette zuzurechnen ist, sind es noch 200’000 Franken.

Bei Musik auf Vinyl und Band geht es oft um Auflagen im Kleinstbereich, der Liebhaber spricht in diesem Fall gern von Editionen – ihm wird mit der aus wirtschaftlichen Gründen beschränkten Stückzahl Exklusivität verkauft. Die Aficionados schwärmen vom haptischen Erlebnis, das sie mit dem greifbaren Medium verbinden, vom Fingerspitzengefühl, das es braucht, um die Nadel mit sanftem Knacken in die Rille zu setzen oder das aufgestaute Kassettenband mit einem Bleistift wieder faltenfrei aufzurollen. Musik, so argumentiert diese Klientel, war nie nur zum Hören, sondern ist auch zum Anfassen da.

In einer Zeit, in der sich die Branche vornehmlich über verkaufte Tonträger definierte, ist auch das Schweizer Elektro-Duo Yello entstanden. Bei Dieter Meier (79) und Boris Blank (72) weiss man nie so recht, ob sie musikalisch nun endgültig den Ruhestand antreten – oder mit einem weiteren kleinen Kreativitätsfunken irgendwo zwischen Kunst und Marketing für Aufsehen sorgen.

Die Aficionados schwärmen vom haptischen Erlebnis: Die B77-MKII-Bandmaschine von Revox in der Yello-Edition. Kostenpunkt: 13’500 Euro.

Gerade geschah mal wieder Zweiteres. Zusammen mit den Schweizer Traditionsaudiotechnikern von Revox lancieren Yello ein Tonbandgerät – und gehen damit im Retrohype noch einen Schritt weiter zurück, hinter die Kassette. Die grossen Spulen hatten ihre Blütezeit in den 60er-Jahren, zehn Jahre später hörte die breite Masse ihre Musik schon auf den kleineren, während die grossen Tonbänder in den Studios weiter zum Einsatz kamen. So richtig erfolgreich waren Yello dann vor allem in den 80ern, als gerade die Kassettenrekorder boomten. Aber das sind Details.

Vom edlen Retrogerät mit Yello-Signatur existieren nur zehn Stück, sie sind für 13’500 Euro zu erstehen (und dürften bald vergriffen sein). «Stella», das Durchbruch-Album der Pop-Pioniere von 1985, gibt es ebenso auf Tonband zu kaufen (479 Euro) wie auch eine handsignierte Kopie des Studio-Masterbands im Edelstahlköfferchen (1350 Euro). Weitere Yello-Alben sollen folgen. Revox restauriert die Tonbandgeräte und versieht sie mit neuen Teilen, gebaut werden die analogen Relikte nicht mehr, weil davon nicht genug abgesetzt werden könnten. Was wiederum den geschäftsweckenden Nebeneffekt einer gewissen Exklusivität hat.

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Platten, Kassetten oder eben Tonbänder haben im digitalen Zeitalter nicht mehr nur die Funktion eines Tonträgers. Sie sind ein Distinktionsmerkmal für das Publikum aus der urbanen Hipster-Kultur, ein Accessoire, das als Ausdruck eines selbst zugeschriebenen Kulturverständnisses dienen soll. «Musik ist Geschmacksache, Klangqualität ist es nicht», heisst es im Promovideo zum Retroprojekt von Yello und Revox.

Eine Umfrage der BBC ergab schon 2016, dass die Hälfte der Vinyl-Kundschaft ihre Platten gar nicht hört. Ähnlich dürfte es sich mit der Kassette verhalten – obwohl ihr Comeback etwas weniger exklusiv daherkommt als das von anderen Tonträgern.

Seit einiger Zeit ist der Walkman zurück, der das erste massentaugliche tragbare Abspielgerät war und die selbst erstellten Mixtapes in den 80ern auf die Strasse brachte. Zu haben ist er ab 140 Franken; das ist bedeutend weniger als ein guter Plattenspieler und ziemlich viel weniger, als das exklusive Retrotonbandgerät von Revox kostet.

Das Revival der Kassette bleibt ein einigermassen widersprüchliches Phänomen. Lohnen wird sich das Geschäft für niemanden, nicht für die Vertreiber, nicht für die Künstler, nicht für die Hersteller der Abspielgeräte. Dass sich die Musikindustrie wie etwa die Modebranche in regelmässigen Abständen selber reproduziert, liegt in der Natur der Popkultur. Hipster und Nerds müssen nur zuwarten, bis der nächste Retrotrend da ist.

Sie können sich auf schweres Geschütz gefasst machen: Musikhistorisch würden nach der Schallplatte, dem bislang ältesten reaktivierten Tonträger, die Tonwalzen von Thomas Edison warten. So einfach unter den Arm klemmen lassen die sich nicht.