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Jugendliche und Pornografie«Pornos gehören zum Aufwachsen dazu» – das können Eltern tun

Die polizeilichen Meldungen wegen Pornografie unter Jugendlichen nehmen zu: Junge mit Smartphone.

Ein- bis zweimal pro Woche rückt die Polizei im Kanton Zürich für eine Hausdurchsuchung aus, um bei Jugendlichen nach pornografischem Material zu suchen. Das berichtete der «SonntagsBlick». Auch auf nationaler Ebene hat sich das Problem verschärft: Über 1000 Jugendliche wurden 2022 in der Schweiz wegen Pornografie verzeigt – so viele wie nie. 2018 waren es noch 419.

Wie können Eltern ihre Kinder im Umgang mit Pornografie unterstützen? Dirk Baier, Professor am Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW, und Sharmila Egger, Psychologin und Lerncoach, wissen Rat.

Die Verantwortung der Eltern

Die Schule sei nur der zweitbeste Ort, die Kinder für Medienkonsum und den Umgang mit Pornografie zu sensibilisieren, sagt Dirk Baier. «Der beste Ort ist und bleibt die Familie.»

Eltern hätten also die grösste Verantwortung darin, ihre Kinder bei der Entwicklung einer gesetzeskonformen Mediennutzung zu unterstützen. Voraussetzung ist natürlich, dass Eltern die technologischen Entwicklungen verfolgen und sich über die Gesetzeslage informieren. Grundsätzlich gilt: Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren darf keine Pornografie gezeigt oder geschickt werden, egal ob dies Gleichaltrige oder Erwachsene tun.

Neugierig sein, ohne zu werten

Entscheidend ist, dass der Medienkonsum gemeinsam stattfindet und Tablets oder Handys nicht dazu genutzt werden, die Kinder abzulenken oder ruhigzustellen. «Zentral ist, dass Eltern Interesse am kindlichen Medienkonsum zeigen. Dass sie mit dem Kind über die Inhalte sprechen, das Kind erzählen lassen, was es medial erlebt, was es begeistert.»

Sharmila Egger sagt, man müsse «neugierig sein, ohne zu werten». Das heisst: «Zuhören, nicken und niemals ein Stirnrunzeln.» Auf dieser Basis könnten auch problematische Aspekte leicht angesprochen werden – und Eltern gegebenenfalls korrigierend eingreifen.

Offenheit bei den Eltern fördert Offenheit bei den Kindern. «Wenn Kinder wissen, dass Eltern bewusst ist, dass auf Whatsapp oder Snapchat pornografische Inhalte geteilt werden, dann erzählen sie es auch eher, als wenn sie das Gefühl haben, dass Eltern keine Ahnung davon haben», sagt Egger.

Der richtige Zeitpunkt

«Wenn man erst im Jugendalter versucht, mit dem Kind den Medienkonsum zu thematisieren, ist es zu spät», sagt Dirk Baier. Ab der Primarschule sei es sinnvoll, die Kinder nach und nach an Bildschirmmedien heranzuführen. Dies sollte zunächst zeitlich klar geregelt und eher kurz sein. Es gibt Einstellungen auf den Geräten, die etwa die Bildschirmzeit begrenzen oder anstössige Inhalte blockieren.

Mediale Diskussionen können ein guter Anlass sein für Gespräche. Wenn es neue Zahlen oder Fälle gebe, könne man sie nutzen, um mit einem 12-, 13-jährigen Kind das Thema anzusprechen, sagt Baier. «Also fragen, ob Sohn oder Tochter davon gehört haben, was sie darunter verstehen, ob sie sich Sorgen machen, ob sie Gleichaltrige kennen, für die diese Themen bedeutsam sind.»

Man könne sich als Elternteil zudem an die eigene Jugend zurückerinnern und überlegen, welche Fragen man selbst gern beantwortet gehabt hätte – und wie.

Mögliche Anzeichen

Sexualität und Pornografie sind für Heranwachsende sensible Themen, die sie kaum von sich aus mit den Eltern ansprechen. Ob ein Kind oder ein Jugendlicher pornografische Inhalte konsumiert oder gar herstellt, lässt sich von aussen schwer erkennen.

Was man aber sehen könne: wenn das Kind darunter leidet, sagt Baier. Gerade auch, wenn explizite Bilder oder Videos von ihnen herumgeschickt würden.

«Wenn zu viel Pornografie konsumiert wird oder wenn Inhalte produziert und im Netz verbreitet werden, entsteht ein Leidensdruck. Der kann dadurch erkennbar sein, dass sich Kinder zurückziehen, nicht mehr gern in die Schule gehen, keinen Spass an Aktivitäten haben, in den Schulleistungen schlechter werden.»

Mit Pornografie umgehen

Eine Studie aus Zürich zeigt, dass 49,5 Prozent der 15-jährigen Jungen mindestens wöchentlich Pornografie konsumieren, gleichaltrige Mädchen zu 7,5 Prozent.

Sharmila Egger sagt: «Sobald ein Kind ein chatfähiges Gerät benutzt, braucht es nicht nur Aufklärung rund um Sexualität, sondern wirklich auch Hinweise zu pornografischem Material.»

Dass Jugendliche Pornos konsumierten, lasse sich aufgrund der leichten Zugänglichkeit kaum vermeiden, sagt Baier. «Eine Studie im Kanton Zürich hat gezeigt, dass durchschnittlich 49,5 Prozent der 15-jährigen Jungen mindestens wöchentlich Pornografie konsumieren, Mädchen zu 7,5 Prozent.» Das sei nicht per se Grund zur Sorge. «Es sei denn, es passiert bereits im sehr jungen Alter oder sehr intensiv.»

Der Konsum von Pornografie gehört für Dirk Baier mittlerweile zum Aufwachsen von Jugendlichen dazu. «App-Verbote bringen da wenig», sagt Egger. Was aber helfe: Die Geräte sollten über Nacht nicht im Kinderzimmer sein.

Das grössere Bild

«Ich denke, dass es falsch ist, sich zu stark allein auf den Pornografiekonsum zu fokussieren», sagt Kriminologe Baier. Es müsse letztlich um die Vermittlung von Wissen zum Thema Sexualität gehen. Und darum, die Kinder zu einem selbstbestimmten Handeln im Bereich Sexualität zu befähigen, bei dem sie die eigenen Grenzen und jene der anderen ernst nehmen.

Jugendliche müssten vor allem wissen, für wen Pornos mit welcher Absicht hergestellt werden – und dass sie Sexualität nur in sehr eingeschränktem Mass abbilden. Das heisst auch: Man muss klarmachen, dass das, was in Pornos zu sehen ist, in der Regel nicht nachahmenswert ist.

Eltern sollten auch weitere Vertrauenspersonen zulassen, rät Egger. Das kann irgendeine vertrauenswürdige erwachsene Person sein, die helfen kann, wenn die eigenen Eltern zu peinlich sind.

Handy überprüfen?

Man könne den Kindern anbieten, dass man gewisse Apps am Wochenende gemeinsam anschauen möchte, sagt Egger. So hat das Kind Zeit, aufzuräumen und Inhalte zu löschen, die es den Eltern nicht zeigen will. «Dadurch wird ein wichtiger Lernprozess angeregt.» Ebenfalls hilfreich sei, wenn man den Kindern ermöglicht, dass sie erzählen können, «ohne dass es Schimpfis gibt». Dazu kann man eine Jokerkarte einführen, die Kinder bei Bedarf spielen können. Damit kann die Angst vor dem Erzählen genommen werden.

Wenn das Kind unter 16 Jahre alt ist und pornografische Inhalte zugeschickt bekommt, können sich Eltern an die Polizei wenden. «Sie sollten allerdings aufpassen, dass sie diese Inhalte nicht an Minderjährige weiterleiten, damit sie sich nicht selbst strafbar machen», sagt Dirk Baier.

Für Baier ist klar: «Das Überprüfen von Handys ist Aufgabe der Polizei, nicht der Eltern.» Von einer Kontrolle der Inhalte der Handys würde er abraten. «Aber die Frage, ob das Kind einem zeigen möchte, was es sich da am Handy anschaut, können Eltern nicht oft genug stellen.»