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Kolumne «Fast verliebt»Wenn man eine Freundschaft falsch einschätzt

Berichtet aus ihrem Umfeld: Claudia Schumacher.

«Wir reden gerade darüber, wie es ist, wenn zwei Leute unterschiedlich auf eine Freundschaft schauen und der eine sie höher bewertet als der andere», antwortete ein Kollege, als ich auf einer Party zu seinem Grüppchen trat. «Gutes Thema», sagte ich – und hoffte, dass hier niemand über mich sprach.

Kennen Sie das Phänomen? Eine Freundschaft wird anstrengend, weil einer von beiden die Beziehung als eng einstuft und der andere weniger. Wie in der Liebe, wenn einer ganz unverbindlich seinen Sommer geniessen will und der andere schon die Eltern massiert zwecks anteiliger Übernahme von Hochzeitskosten.

Apropos Hochzeit: Die Wahrheit über den Stand einer Freundschaft erkennt man nirgends leichter als dort. Wenn es zur Gesamtaufstellung des sozialen Umfelds einer Person kommt und man sich selbst darin positioniert sieht.

Ich kenne beide Seiten des Elends.

Da war die Freundin, die quietschbegeistert fragte, ob sie meine Trauzeugin sein würde, als ich ihr erzählte, dass ich heirate. Ich reagierte freundlich ausweichend, war aber verwirrt. Wie kam sie darauf? Ich mochte sie, aber wir kannten uns nicht lange. Sie wurde nicht meine Trauzeugin. Verkraftet hat sie das schlecht. Obwohl ich versuchte, die Freundschaft mit ihr genauso weiterzuführen wie bisher, meldete sie sich irgendwann nicht mehr.

Und da war ich, neu in der Stadt und neu in einer Clique von Leuten, die sich schon lange kannten. Bald glaubte ich, drin zu sein. Mit dem aufwendigsten Geschenk kreuzte ich auf der Hochzeit einer der Freundinnen auf – wo ich hörte, dass sie einen Junggesellinnenabschied gefeiert hatte. Ich war nicht eingeladen worden. Zu allem Überfluss war das Geschenk, an dem ich treudoof und tagelang gebastelt hatte, ein Gemeinschaftsgeschenk. Und alle, die mitschenkten, waren auf dem Junggesellinnenabschied gewesen. Keine hatte mich informiert. Auch ihnen stand ich wohl weniger nah als gedacht.

Erreicht die Nähe ihre Grenze, muss man sie achten. Und das ist dann auch okay.

War ich gekränkt? Und wie! Aber nachdem ich meine Wunden geleckt hatte, wurde mir auch klar, dass der Fehler bei mir lag. Keine der Frauen hatte mir wehtun wollen. Sie hatten mich einfach nicht auf dem Schirm gehabt. Ich war es gewesen, die die Situation falsch eingeschätzt hatte. Heute bin ich noch mit jeder der Frauen befreundet, auch wenn ich in der Stadt inzwischen Menschen gefunden habe, die mir näherstehen.

Freundschaft lässt sich ebenso wenig erzwingen wie Liebe. Bevor man sich verrennt, hilft manchmal ein Realitätscheck. Wo stehe ich, und wo steht der andere? Man kann Nähe nicht allein herstellen. Sie ist ein Pas de deux, bei dem man gut auf den anderen schauen muss. Erreicht die Nähe ihre Grenze, muss man sie achten. Und das ist dann auch okay. Weil sich meistens eine Tür öffnet, wenn sich irgendwo eine schliesst.