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Trauer nach Abtreibung«Mein Bauch ist ein Friedhof»

Obwohl Marie Trinkel* das Recht auf Abtreibung befürwortet, kam sie mit dem eigenen Schwangerschaftsabbruch nur schlecht zurecht (Symbolbild).

Marie Trinkels* Welt war in Ordnung. Sie hatte einen langjährigen Partner, zwei gemeinsame Kinder, tolle Freunde und einen Job als klassische Musikerin, den sie liebt. Doch an einem Tag im September 2020 geriet ihr Leben aus den Fugen. Sie wurde ungewollt schwanger.

Die damals 35-Jährige schämte sich dafür, dass ihr so etwas in ihrem Alter und mit ihrer universitären Bildung passieren konnte, trotzdem wollte sie das Kind behalten. Ihr Partner war strikt dagegen. Er sagte klipp und klar: «Wenn du dieses Kind bekommst, bin ich für die nächsten 30 Jahre unglücklich.» Ein Dilemma.

Auf ihrer Suche nach Hilfe wandte sich Marie Trinkel an eine Beratungsstelle, die sich jedoch schnell als verkappte Abtreibungsgegner-Gruppe herausstellte. «Sie sagten mir, dass ich mein Leben zerstöre. Ich solle einfach meinen Partner wieder in mich verliebt machen, damit er das Kind auch wolle. Das Gespräch war schlimm.»

Wunsch nach einer Fehlgeburt

Auch der Besuch beim Gynäkologen brachte keine Lösung. Obwohl Marie Trinkel hin- und hergerissen war, gab dieser ihr die Abtreibungspille mit. Die Diskussionen zu Hause gingen weiter. «Ich habe mir so eine Fehlgeburt gewünscht. Ich habe mit dem Kind gesprochen und es gebeten, selbst zu gehen.» Sie schämte sich, dass ein drittes Kind für ihren Partner nicht infrage kam. Sie wollte ihn aber auch nicht zwingen, für ein Kind zu sorgen, das er nicht will. Die Zeit, in der eine Abtreibung möglich war, wurde knapp.

«Irgendwann war ich so gestresst, dass ich die Pille schluckte. Ich habe es sofort bereut, doch ich habe es nicht geschafft, mich zu übergeben.» In einer dramatischen Aktion fuhr die gesamte Familie vom Ferienhaus ins Spital. Doch es war bereits zu spät. Da es Marie Trinkel nicht gut ging, wurde ein Notfallpsychiater gerufen: «Ich wollte so nicht weiterleben. Ich sagte ihm: Mein Bauch ist ein Friedhof.» Seine Antwort werde sie nie vergessen: «Er sagte: ‹Nein, ihr Bauch ist ein Garten. Und Sie entscheiden, was darin wachsen darf.› Das hat ein bisschen geholfen. Doch die Zeit danach war sehr schwierig.»

Marie Trinkel trauerte – erzählte aufgrund ihrer Scham nur sehr wenigen Personen von ihrer Situation. Obwohl sie eigentlich nur verständnisvolle Reaktionen erhielt, hörte sie in ihrem Kopf die vorgefassten Antworten: «Was soll das Klagen? Du hast dich gegen das Kind entschieden. Du bist selbst schuld.»

Zusammentreffen mit Abtreibungsgegnern

Als sie zwei Jahre nach dem Schwangerschaftsabbruch zufällig Pro-Life-Aktivisten in Basel mit ihren Plakaten kreuzte, habe sie nur noch geweint: «Ich dachte, die denken sicher, dass ich eine Mörderin bin. Aber vor allem hat es mich sehr gestört, dass man öffentlich Plakate zeigen darf, die gegen ein Menschenrecht sind. Was, wenn eine Frau auf dem Weg zu ihrem Schwangerschaftsabbruch auf so was trifft?» Obwohl diese Erfahrung nicht einfach war für sie, finde sie es «extrem wichtig», dass man abtreiben dürfe.

Ein Jahr nach dem Schwangerschaftsabbruch zerbrach ihre Beziehung. Während der gesamten Zeit hätte Marie Trinkel sehr gern jemanden an ihrer Seite gehabt, mit dem sie ausgiebig über das Thema sprechen hätte können. «In der Entscheidungszeit und nach der Abtreibung hätte es mir sehr geholfen, eine Gruppe von Leuten zu haben, die das Gleiche erlebt haben», sagt Marie Trinkel.

Deshalb hat die Baslerin eine Selbsthilfegruppe gegründet (siehe Box). «Ich wurde von einer Frau kontaktiert mit einer ganz anderen Geschichte. Sie wollte das Kind nicht, hat aber trotzdem grosse Trauergefühle. Wir machen das jetzt gemeinsam.» Bislang gibt es erst eine Selbsthilfegruppe in Aarau. Neben Basel sind in Nänikon und in Schaffhausen/Winterthur Gruppen im Aufbau. «Da es nur sehr wenige Stellen in der Schweiz gibt, könnte ich mir vorstellen, dass wir unsere Angebote auch online durchführen», sagt die 38-Jährige.

Mittlerweile geht es Marie Trinkel sehr viel besser. Ihr Leben mit ihren beiden Kindern erfüllt sie. Sie hat auch eine neue glückliche Partnerschaft. Die Verbindung mit dem ungeborenen Kind habe ihr viel Kraft gegeben: «Dieser kleine Mensch ist an meiner Seite. Es bleibt ein Schmerz. Aber ich habe Frieden damit geschlossen.»

*Name geändert.

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