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Artenvielfalt auf Terrasse und BalkonKleine Rettungsinseln für Wildbienen

Die Witwenblume zieht Wildbienenarten an wie die Gelbbindige Furchenbiene, die sich hier die Blüte mit einem Dickkopfkäfer teilt.

Einst glichen Wiesen und Waldränder kunterbunten Blütenteppichen. Überall Hornklee, Margeriten, Skabiosen und Kerbel und darüber ein Summen und Brummen, dass es eine Freude war.

Hummeln und Bienen wähnten sich im Schlaraffenland und konnten in einem Meer aus Pollen und Nektar baden, ohne dafür kilometerweit flügeln zu müssen – so wie wir es aus der Zeichentrickserie um die freundliche Biene Maja und ihren Freund Willi kennen.

Artenvielfalt nützt uns allen

Die Zeiten haben sich geändert, die Realität sieht grauer respektive grüner aus. Die Artenvielfalt ist in der Natur sichtbar geschwunden, viele Landstriche werden von der Landwirtschaft mittlerweile intensiv genutzt, andere sind zugebaut. Vor allem warme, gut besonnte Südhänge, an denen sich Wildbienen besonders wohlfühlen, halten längst andere besetzt: die Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser, die an solch privilegierten Lagen stehen.

Die Folgen davon: Etwa die Hälfte der über 600 Wildbienenarten, die einst in der Schweiz herumschwirrten, sind stark gefährdet – auch durch den Einsatz von Insektiziden. Rund 60 Arten gelten mittlerweile als verschollen oder ausgestorben.

Durch den Schwund stehen ebenfalls viele Pflanzen auf der Kippe. Denn ohne Wildbienen ist auch ihr Bestand gefährdet. Honigbienen können sie nicht ersetzen, sie fliegen viele der über 2000 Wildpflanzenarten der Schweiz, die auf bestäubende Insekten angewiesen sind, gar nicht erst an.

Die gute Nachricht: Jeder und jede kann etwas gegen die Misere tun – und das mit erstaunlich wenig Aufwand. Wer auf seinem Balkon oder auf der Terrasse einen einzigen Topf mit Pflanzen bestückt, wie sie in der freien Natur wachsen, mindert damit die Not der Wildbienen.

Wildbienen lieben diese Blüten

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Purpurweide und Frühlings-Seidenbiene: Männliche Weiden bieten im zeitigen Frühjahr eine wichtige Nahrungsquelle für Wildbienen wie die Frühlings-Seidenbiene, Hummeln und andere Insekten.
Glockenblume und Glockenblumen-Scherenbiene: Glockenblumen sind bei vielen Bienen beliebt. Unverzichtbar sind sie für manche Scherenbienenarten, zum Teil nutzen sie die Blume auch als Schlafplatz.

Idealerweise bietet man den Flüglern zugleich einen geeigneten Nistplatz für die Eiablage an, etwa ein taugliches Bienenhotel, ein Bündel getrockneter Brombeer- oder Rosenstiele, ein gut gelagertes Stück Holz, in das man sechs bis acht Millimeter breite und mindestens fünf Zentimeter tiefe, splitterfreie Löcher bohrt.

Da über die Hälfte der heimischen Wildbienen im Boden nisten, lohnt es sich zudem, einen mit einem Ablauf versehenen Kübel oder grossen Blumentopf mit sandhaltiger Erde zu füllen und diesen mit Spezialisten wie Mauerpfeffer, Steinbrech oder Hauswurz zu bepflanzen.

«Balkone und Terrassen leisten einen wichtigen Beitrag, um die Artenvielfalt von Wildbienen zu erhalten», sagt der Zürcher Biologe Claudio Sedivy, 42, der sich auf diese wichtigen Bestäuber spezialisiert hat und für sie spezielle Gärten baut und pflegt.

Claudio Sedivy, 42 Der Zürcher ist Biologe und Experte für Wildbienen.

«Einheimische Wildblumen, die Mensch und Wildbienen glücklich machen, gibt es unendlich viele – für jede Lage und jeden Geschmack», sagt der Biologe. Arten mit ungefüllten Blüten sind dabei generell zu präferieren. Allrounder für sonnige Lagen sind beispielsweise Hornklee, männliche Weiden, Glockenblumen, Reseden, Ochsenaugen oder Skabiosen. An Schattenlagen wiederum gedeihen Lungenkraut, Akelei, Silberblatt, die Gefleckte Taubnessel oder die Wilde Platterbse.

Die Tauben-Skabiose ist beliebt bei Wildbienen. Auch Tagfalter und Schwebfliegen laben sich an ihr.

Manche Wildstauden tragen zwar weniger lang Blüten als Zuchtsorten, was manche Hobbygärtnerinnen und -gärtner ungern sehen. Schneidet man die Stauden nach der Blüte jedoch zurück, starten viele zu einer zweiten Blühwelle und machen diesen Nachteil wett. Ausserdem kommen sie mit Wetterkapriolen, die der Klimawandel mit sich bringt, besser zurecht. Entsprechend stellen sie geringere Ansprüche an den Unterhalt und leiden weniger, wenn Balkongärtnerinnen und -gärtner den Aufwand im grünen Bereich klein halten wollen.

Wichtig ist, dass Wildbienen schon im zeitigen Frühling taugliche Blüten finden. Denn Hummelköniginnen und Gehörnte Mauerbienen schwirren bereits an Spätwintertagen durch die Lüfte, sobald die Temperaturen 3 bis 4 Grad erreichen. Die Frühstarterinnen nehmen auf Traubenhyazinthen und Krokussen einen ersten Snack.

Traumpaar: Traubenhyazinthe und Gehörnte Mauerbiene (siehe Abbildung unten). Mit ihrem rötlichen Hinterleib ist die Wildbiene kaum zu übersehen. Sie ist auf Frühblüherinnen angewiesen.
Gehörnte Mauerbiene.

Hummeln halten dabei ihre Muskeln mit Vibrationen warm, die Mauerbienen wiederum fliegen besonnte Wände an, um darauf Wärme zu tanken. Dort lassen sich die flauschigen Tierchen mit ihren fuchsroten Hintern gut beobachten, ohne dass man um sein Wohl bangen muss: Denn Wildbienen sind generell friedlich und malträtieren Menschen kaum je mit ihrem Stachel.

Idealerweise liegen Futter- und Nistplatz der Wildbienen nicht weiter als 300 Meter auseinander, sonst nimmt der Bruterfolg rasch ab – ein überlanger Weg zehrt an den Kräften der Insekten. «Deshalb ist es wichtig, urbane Räume möglichst dicht mit Wildstauden und Nisthilfen zu durchsetzen», sagt Claudio Sedivy: «Jeder Beitrag zählt, auch wenn er uns klein und nichtig erscheint.» Die Summe macht es aus!

Calendula und Gemeine Löcherbiene: Die strahlend gelben Blüten locken verschiedene Wildbienenarten an, so auch die Gemeine Löcherbiene.

Zur Erklärung: Die Weibchen füllen im Frühling Hohlräume mit Futter und legen in der Folge Eier darin ab, bevor sie die Eingänge verschliessen. Die Nachkommen nähren sich vom eingelagerten Proviant, bis sie im folgenden Frühling selbst ausfliegen.

In der langen Zeit, in der ein Ei zur Wildbiene wird, sollten die Nistplätze möglichst unberührt bleiben, sonst unterbricht man die Metamorphose und gefährdet damit die Brut. «Bienenhotels beispielsweise dürfen im Winter keinesfalls an die Wärme getragen werden», sagt der Experte: «Sonst schlüpfen die Wildbienen mitten im Winter – und gehen ein.»

Wie schnell das Brummen und Summen anschwillt, wenn man den Tieren die richtigen Pflanzen anbietet, zeigt sich beispielsweise in Regensdorf ZH. Vor zwei Jahren wandelte dort Claudio Sedivy mit seinem Unternehmen Kompass B einen sterilen Rasen in ein Wildbienenparadies um. Dieses liegt an einer Strassenkreuzung mitten im Dorf und lockt trotzdem zuhauf Wildbienen und viele andere Insekten an.

In den zwei Jahren seit der Erschaffung zählte er im Blütenmeer rund 100 verschiedene Wildbienenarten. «Eine solche Vielfalt kann ein einzelner Wildpflanzenkübel zwar nicht bewirken», sagt der Zürcher: «Doch selbst er füllt das Fenstersims oder den Balkon rasch mit Leben.» Damit schenken wir uns Freude und den Wildbienen eine bessere Zukunft.

Buchtipps

Die Autorin zeigt, wie man mit einheimischen Pflanzen farbenfrohe Lebensräume für Insekten schafft. «Wildblumen für Balkon und Terrasse», Nina Keller, GU, 28.90 Fr.

Die hundert besten Bienenpflanzen in einem Buch. «Bienenparadiese», Erika Börner und Christina Weidenweber, Neumann & Göbel, 10.10 Fr.

565 Steckbriefe zu sämtlichen Wildbienenarten, die meisten sind auch in der Schweiz zu finden. «Die Wildbienen Deutschlands», Paul Westrich, Eugen Ulmer, 143.60 Fr.