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Luxuriöse Rheinkreuzfahrt Diese Flussreise kommt ohne Animateure aus

Die MS Thurgau Gold auf dem «romantischen Rhein» bei St. Goar.

Hätte ich vielleicht doch die Abendgarderobe einpacken sollen? Zu spät. Die Bord-Crew wuchtet bereits das Gepäck über den Landesteg der MS Thurgau Gold.

Das «modernste Flussschiff Europas» ist bereit für die «luxuriöse Rhein-Kreuzfahrt» von Basel über Rotterdam nach Amsterdam und zurück: Acht Tage, 1748 Kilometer, 25 Schleusen, jeden Tag ein Landausflug. Die «Gold» wird mit rund zwölf Kilometern pro Stunde der Nordsee entgegenkreuzen.

Auf dem Oberrhein schon kurz nach Basel gleitet das Schiff durch weite Auenlandschaften.

Noch aber liegen wir vor Anker. Einschiffen! Mir wird eine Zweibettkabine im Mitteldeck zugewiesen: ein wohnlicher Raum von 14 Quadratmetern mit Kingsize-Bett, Tisch und zwei Stühlen. Kein Stäubchen, nirgendwo. Auch ein riesiger Fernseher ist da, doch der Blick durchs Panoramafenster wird sich bald schon als das bessere Programm erweisen: Landschaftskino mit dem Rhein in der Hauptrolle.

Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Informationen finden Sie hier.

Ein Ritual jeder Flusskreuzfahrt ist der Begrüssungsapéro. Im Panoramasalon auf dem Mitteldeck marschiert in festlichem Ornat das Personal ein – mit Kapitän Alexander Tucicovenco an der Spitze.

Alexander Tucicovenco, der Kapitän, dem die «Gold»-Passagiere vertrauen.

Die Parade wird freundlich beklatscht. Ansprachen, Sekt, Gelächter. Bald fremdelt hier niemand mehr. Die Anita und der Martin und die Madeleine und die liebenswerten Nyffelers, die «ewig zusammen sind» und noch immer so glücklich wirken, als seien sie in den Flitterwochen: Alle machen Duzis, die Gespräche fliessen. Die Fahrt geht los.

Klick und prost! Am Hang über St. Goarshausen prangt ein Highlight des «romantischen Rheins»: Die Burg Katz aus dem 14. Jahrhundert.

Der Rhein, eine der wichtigsten Wasserstrassen Europas, weist uns den Weg. In seinem Einzugsgebiet wohnen 50 Millionen Menschen. Der Strom ist voller Geschichte und Geschichten, es gibt viel zu sehen, darunter berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Loreley. Auf schnurgerade folgen kurvige Passagen, es geht vorbei an Industrieanlagen, Fachwerkhäusern, Kirchtürmen, Schlössern und Weinbergen.

Der Trip ist auf die Generation 50 plus zugeschnitten. Laute Animateure und Partygedudel braucht hier niemand. Am Piano sitzt ein leibhaftiger Mensch. Das Abendkleid daheim zu lassen, war richtig. Der Dresscode: gepflegt, aber bequem, eine schicke Bluse, ein gebügeltes Poloshirt.

Technisches Meisterwerk: Die Zweikammerschleuse von Iffezheim.

Basel liegt mittlerweile in weiter Ferne, das Ausflugsprogramm wird diskutiert. «Kennt jemand die Loreley?» – «Macht ihr in Köln den Stadtrundgang mit?» Die wichtigste Frage am ersten Abend aber ist: «Was gibt es zum Znacht?» Besser gesagt: zum Dinner. Schliesslich sind wir Gäste eines Luxusschiffes.

Gutes aus dem Bauch der «Gold»

Gespeist wird im Restaurant im Unterdeck, der Rhein fliesst gefühlt direkt unter den Füssen durch. Ich bekomme einen Platz an Tisch 37. Auf den Menükarten steht Feines wie Rahmsüppchen, Filet, Garnelen, Tafelspitz, Schoggi-Mousse. Für den kleinen Hunger zwischendurch gibts im Heck des Schiffs die Brasserie d’Or.

Die Folgen des Schlemmens müssen die Reisenden selbst tragen. Ein bis zwei Kilogramm Hüftgold setzen sie auf der Reise an, schätzt Küchenchef Matthias Marquart. Im Bauch der «Gold» bereiten der 44-jährige Deutsche und sein neunköpfiges Team «internationale und europäische Küche mit regionalen Akzenten» täglich frisch zu.

Die Vorratsräume sind am Start mit 60 Kilo Schweinsrücken, 20 Kilo Roastbeef, 20 Kilo Rinderbrust und 3000 Eiern gefüllt. 100 Gerichte stehen über die Woche zur Wahl. «99,9 Prozent unserer Gäste schmeckt es», sagt Marquart.

Küchenchef Matthias Marquart weiss, wie er verwöhnte Gaumen beglücken kann.
Rotbarschfilet auf mediterranem Gemüse an Rieslingsauce.

Eine Kalorienbombe abzulehnen, ist kein Problem. Wäre da nicht Nursultan. Der freundliche kirgisische Kellner macht nach einem «Nein danke» ein ganz trauriges Gesicht: «Sie müssen doch essen!»

Nächster Landgang Heidelberg

Die erste Nacht liegt hinter uns. Niemand klagt über unruhigen Schlaf oder schlechte Matratzen, niemand hat die Medikamente vergessen. Diese zu beschaffen, könnte ein Problem sein. Bei medizinischen Notfällen jedoch wäre man auf der «Gold» sicherer als zu Hause. Einen Rettungs-Heli zu holen, sei in Minutenschnelle möglich, erklärt der Kapitän. «Aber wir wollen lieber nicht über Notfälle reden», sagt er. Er hat noch keinen erlebt.

Schon beim Frühstücksbuffet wirkt der Blick auf den Rhein wie Medizin. Die Sonnenaufgänge auf dem Oberdeck wären sehenswert, aber um 6 Uhr ziehen erst einige Bettflüchtige einen Cappuccino aus dem Automaten im Salon. Auf der Plattform am Heck der «Gold» geniessen Raucher ihre Morgen-Zigi. In kürzester Zeit haben sie eine Ecke gefunden, wo der Fahrtwind das Flämmchen des Feuerzeugs nicht ausbläst.

Auf sogenannten Genusstouren gilt es etwa, Gin zu mixen oder Bier zu brauen.

Jeweils um elf Uhr ist «Morgenappell» im Salon. Reiseführerin Daniela erklärt das Tagesprogramm. Die Landgänge starten gegen 13.15 Uhr, um 18 Uhr geht es zurück an Bord, pünktlich zum Apéro. Man kauft die Ausflugsbillette vor der Anreise als Paket oder bucht sie einzeln an Bord bei Daniela. Das Angebot umfasst zwei Variationen: Auf sogenannten Genusstouren gilt es etwa, Gin zu mixen oder Bier zu brauen. Alternativ gibts geführte Touren in die Umgebung oder durch Städte.

Sie weiss alles über die Landgänge: Reiseleiterin Daniela Oitzinger.

Zunächst steht Heidelberg mit einer der berühmtesten Schlossruinen Deutschlands auf dem Plan. Die Sonne scheint, der Bus chauffiert die Gruppe von der Anlegestelle am Rhein ins benachbarte Neckartal und auf den Schlossberg, hin zum malerischen Bauwerk. Der Blick von der Terrasse aus ist grossartig. Und wir können uns zurücklehnen, für alles ist gesorgt, vom Transport bis zu den Eintritten.

Vom Rhein nach Heidelberg am Neckar ist es nur ein Katzensprung. Die Busreise zur Stadt mit der hoch gelegenen Schlossruine ist perfekt geplant.

Auf der ganzen Flussreise erfahren wir Wissenswertes über Land, Leute und die Schifffahrt. Etwa dass die Landeplätze teuer und begehrt sind, sodass die «Gold» manchmal in der zweiten Reihe parkieren muss und die Passagiere beim Landgang ein anderes Kreuzfahrtschiff queren müssen. Kein Umstand, auch nicht für Leute, die nicht so gut zu Fuss sind.

Kapitän Tucicovenco auf der Kommandobrücke hat die Landemanöver souverän im Griff. Auch den nautisch anspruchsvollen, engen und kurvigen Streckenabschnitt am Fuss des Loreley-Felsens kennt der 53-jährige Rumäne in- und auswendig.

Inbegriff der Rheinromantik

Der «romantische Rhein» zwischen Bingen und Koblenz ist das Highlight der Reise, seine Burgen, Schlösser und die sagenhafte Blondine werden mit Spannung erwartet. Der Legende nach verwirrte die Loreley einst einen Fischer dermassen, dass dessen Boot an einem Felsen zerschellte. «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten …»: Das Lied ist noch immer Inbegriff der Rheinromantik.

Die wahre Geschichte der Burgen ist allerdings weniger romantisch, die Herren waren wüste Raubritter und knöpften den unter ihnen vorbeifahrenden Schiffern hohe Zölle ab. Auch war dieser Flussabschnitt gefürchtet wegen seiner Untiefen und der gefährlichen Stromschnellen.

Es muss nicht immer eine Fähre oder eine Brücke sein: Bei Koblenz, wo die Mosel zufliesst, geht es mit der Gondelbahn ans andere Ufer.

Wir schippern der Loreley entgegen. Die Bronzefrau am Ufer, die an die schaurig-schöne Sage erinnert, ist von der Reling aus kaum auszumachen.

Gut zu wissen: Es gibt eine zweite Chance, auf der Rückfahrt kommen wir ja noch einmal vorbei. Die Burgen Katz und Maus, die Schlösser Pfalzgrafenstein und Marienburg – das alles ist Grund genug für ein grosses Hallo und allgemeines Handyzücken.

Kabine mit Live-Rundumkino

Nach abwechslungsreichen Tagen bleibt stets Zeit für den rituellen Absacker an der Bar. Danach geht es in die Kabine. Schlafenszeit. Draussen gleitet der von Lichtern gesprenkelte Strom vorbei. Zeit, die Bord- oder Heckkamera in der Kabine auf den Bildschirm zu schalten. Zusammen mit dem Blick aus dem Fenster ist das bestes Rundumkino – mit dem leisen Schnurren der Motoren und sanftem Plätschern als Soundtrack. Was machen wir morgen?

Wir peilen Köln an. In der Ferne sind bereits die schwarz gezackten Türme des machtvollen Doms auszumachen. Die Rheinmetropole lässt sich kaum jemand entgehen. Wir erfahren, wie mächtig der Katholizismus im Rheinland früher war.

Türme, die weithin sichtbar zeigen, wo Gott hockt: Der Kölner Dom, im Vordergrund der Heinrich-Böll-Platz und das Museum Ludwig.
Darfs ein Kölsch sein? Wieso nicht, wo wir doch grad so schön in Köln beisammen sind!

Zum Shoppen bleibt auf der Reise keine Zeit, und das ist auch gut so. Ohne Einkaufsstress sind alle viel entspannter. Der nächste Stopp in Dordrecht (NL) bietet ohnehin mehr als jedes Einkaufszentrum. Wir lernen: In den Windmühlen von Kinderdijk, Unesco-Welterbe, wurde kein Mehl gemahlen, sie pumpten Meerwasser ab, um Kulturland zu gewinnen.

Zu Mittag gegessen wird in Rotterdam im Art-déco-Hotel New York: typisch niederländisch, mit Chicken und Pommes und Mayo. Der Gastbetrieb diente früher als Unterkunft für Amerika-Emigranten, deshalb der Name. Ein Verdauungsspaziergang führt zum bekannten Bleistift-Turm und zur Markthalle – schade, dass wir schon gegessen haben! Bevor der Bus zurück zur «Gold» gondelt, reicht es für einen Halt in einem Strassencafé.

Vollends flach sind die Ufer am Amsterdam-Rhein-Kanal, unserem letzten Stück Wasserweg vor der Grachtenstadt.

Kurz das grosse Schiff gegen ein deutlich bescheideneres tauschen: Grachtenfahrt in Amsterdam.

Die windzerzauste Vegetation kommt einem vertraut vor: Kennt man sie nicht von niederländischen Malern? Deren Werke lernen wir später kennen, im Amsterdamer Rijksmuseum.

Schlange stehen müssen hier andere, erneut hat unsere Reiseleitung alles perfekt organisiert. Allein Rembrandts Licht-von-oben-Effekte sind die weite Reise wert. Und wie realistisch doch diese alten Meister ihre Stillleben gemalt haben – als wären es Fotografien.

Fotografien gibt es auch auf der Rückreise rheinaufwärts wieder viele zu machen. An Land, aber auch an Bord. Ganz besonders beim Kapitäns-Galadinner, dem letzten Abendmahl auf der MS Thurgau Gold. Küchenchef Matthias Marquart und sein Team fahren volle Kraft voraus, sieben Gänge, Black-Angus-Steak, «Abschluss-Dessert-Parade». Süsses muss jetzt sein. Und Nursultan, der kirgisische Kellner, strahlt mit seinen Gästen um die Wette.

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