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Ferien in Frankreichs SüdwestenAquitanien – diskrete Schönheit der Grande Nation

Der Miroir d’eau ist das grösste Reflexionsbecken der Welt und ein beliebter Ort zum Spielen und Flanieren. Die restaurierten Paläste verleihen der Place de la Bourse Noblesse.

So einen Empfang gibt es nur in Frankreich, oder genauer: in Aquitanien, der südwestlichsten Ecke des Landes. «Ihr müsst unbedingt diese Austern probieren», rät uns die muntere Mitarbeiterin des Autoverleihs in Bordeaux und übergibt uns die Schlüssel und einen Zettel mit ihrer Lieblingssorte drauf und die Adresse eines Restaurants: «Fines de Claire Nº 3» in der «Cabane du Phare» auf dem Cap Ferret.

Hätten es der Fotograf und ich nicht bereits gewusst, wäre spätestens jetzt klar geworden, dass wir in einem Schlemmerparadies gelandet sind, in dem die Redewendung «Leben wie Gott in Frankreich» Berechtigung hat. Denn diese Region zwischen dem Atlantik und den dunklen Wäldern des Périgord hat das Beste aus «terre et mer», aus der Erde und dem Meer, zu bieten: Trüffeln, Käse, Wein und frische Meeresfrüchte, um nur ein paar der Delikatessen zu nennen, die hier so selbstverständlich auf dem Menüplan stehen wie bei uns der Rindsbraten oder die Rösti.

Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Informationen finden Sie hier

Doch nicht allein Feinschmeckerinnen und Feinschmecker kommen in diesem Landstrich auf ihre Kosten. Endlose Sandstrände am Atlantik, bukolische Landschaften mit dichten Eichenwäldern und pittoresken Dörfern sowie Grotten mit rätselhaften Graffiti aus der Steinzeit und stattliche Burgen sind gleichermassen eine Reise wert. Und dann ist da noch – wie die Kirsche auf der Torte – Bordeaux, die Hauptstadt der gesamten Region Nouvelle-Aquitaine. Die Handelsstadt an der Garonne und Welthauptstadt des Weins, in der unsere Reise beginnt, gilt neben Paris als eine der schönsten Städte Frankreichs.

«Das war allerdings nicht immer so», sagt Thomas Lemoine, der uns auf eine Tour durch die Innenstadt mitnimmt. Mit Grausen erinnert sich der 43-Jährige, der im 120 Kilometer entfernten Angoulême aufgewachsen ist, an das Bordeaux von früher: «Wir gingen nie zum Vergnügen hierher», erzählt Lemoine, «sondern nur wegen eines Termins bei Behörden oder beim Arzt.» Die Stadt sei durch Abgase schwarz geworden, die Gassen seien dreckig und die Altbauten verwahrlost gewesen. Dann, vor nicht einmal 25 Jahren, begann das grosse Aufräumen und Restaurieren. Die Autos wurden aus der Altstadt verbannt, der helle Kalkstein der prächtigen Gebäude im klaren frühklassizistischen Stil des 18. Jahrhunderts wieder zum Glänzen gebracht.

Das moderne Bordeaux zeigt sich auf der Place de la Comédie mit der Skulptur «Sanna» des spanischen Künstlers Jaume Plensa.

Freundlich, aber auch etwas unnahbar wie eine noble Dame wirkt die Stadt an der Garonne auf den Prachtstrassen und weiten Plätzen an den Aussenkanten der Altstadt. Hier stehen die eleganten Reeder- und Händlerpalais, deren hohe Fassaden üppig mit in Stein gehauenen Masken und Statuen geschmückt sind. Wir schlendern über Kopfsteinpflaster, durch verwinkelte Gassen und über versteckte, charmante Plätze, vorbei an Cafés, Restaurants und Boutiquen. «Die Stadt der Händler und Kaufleute war immer sehr bürgerlich und konservativ», sagt unser Stadtführer in einem Bistro bei einem Glas Rotwein. Doch seit Bordeaux aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde, entwickle es sich zu einer jungen, dynamischen Metropole, fährt Lemoine fort und betont: «Ich fühle mich jetzt sehr wohl hier.»

Der Duft der grossen weiten Welt

Als Beweis für diesen Mut zu Neuem führt er uns zur Cité du Vin. Wie eine Kathedrale wirkt das weltgrösste Weinmuseum mit seinem geschwungenen, wuchtigen Turm aus Aluminium und Glas. «Die Architektur soll an die Bewegung des Weins im geschwenkten Glas erinnern», bemerkt Thomas Lemoine noch, bevor er sich von uns verabschiedet.

Die Architektur der Cité du Vin soll an die Bewegung des Weins in einem geschwenkten Glas erinnern.

Im Inneren widmet sich eine Ausstellung auf über 3000 Quadratmetern der Geschichte und Kultur des uralten Kultgetränks, ein spannender interaktiver und multimedialer Parcours. Ich schnuppere am Buffet der Düfte an diversen Aromen des Weins, an anderen Stationen verrät mir eine Sommelière den passenden Wein zu meiner Persönlichkeit, und Winzer aus aller Welt erklären, welchen Einfluss das Terroir, also der Boden und das Klima, auf ihre Weine haben.

Zum Schluss gibt es in der Turmspitze mit grossartigem Ausblick auf Bordeaux eine Degustation, und wer will, kann in der Weinboutique ein Souvenir zum Geniessen erstehen. Über 800 Weine aus 84 Ländern stehen in den stimmungsvoll ausgeleuchteten Regalen, wie uns Kellermeister Pierre-Antoine Thiot verrät. Ob darunter auch Schweizer Weine sind? «Aber sicher», gibt sich Thiot empört und zieht einen Chasselas und einen Fendant aus dem Regal.

Weingüter und Vinotheken

Die weltberühmten Tropfen des Bordelais gedeihen quasi direkt vor den Toren der Stadt. Schier endlos ziehen sich hier die Reben über die sanften Hügel der Region, dazwischen die herrschaftlichen Weingüter mit klangvollen Namen wie Château Margeaux, Pomerol, Haut-Médoc oder Petrus.

Im Weingebiet Saint-Émilion bewirtschaftet die Familie von Karine Lavau das Château Bernateau. «Kalkstein und Lehm sowie das ausgeglichene Klima bewirken den mineralischen Geschmack und die Eleganz unserer Weine», erklärt die quirlige 46-Jährige, während wir im Schatten eines Nussbaums an einem ihrer köstlichen Grands Crus nippen.

Dieser Geschmack sei einzigartig und habe die Region weltberühmt gemacht, sagt die Winzerin stolz. Und zu Preisen geführt, die bisweilen so märchenhaft klingen wie Weingläser beim Anstossen.

Die monolithische Kirche ziert das Stadtbild von Saint-Émilion.
Das in einen Felsen gebaute Gotteshaus gilt als die grösste unterirdische Kirche Europas.

Im nahe gelegenen, am Rand einer Felsklippe liegenden Städtchen Saint-Émilion kann man sie kaufen, die edelsten Tropfen, von denen manche so viel kosten wie ein durchaus gut bestückter Weinkeller. Krumme, steile Gassen führen durch das pittoreske Örtchen, die von zahllosen Vinotheken gesäumt werden.

Fast vergessen geht in dieser Wein-Euphorie die eigentliche Attraktion, Europas grösste Höhlenkirche, die im frühen Mittelalter in den mürben Kalkstein gehauen wurde. Ein mystischer, ehrwürdiger Ort mit hohen Gewölben und wuchtigen Säulen, wo der Hauch der mittelalterlichen Frömmigkeit noch heute zu spüren ist.

Im Reich der Austern

Am nächsten Tag befolgen wir den Rat der Autovermieterin und fahren ans Meer. Schon bald sitzen wir auf der Terrasse der «Cabane du Phare», vor uns eine Platte mit den delikaten Austern «Fines de Claire Nº 3» und ein Glas trockener Sancerre. Dazu der würzige Duft von Pinien, Algen und Salz. Die rustikale Beiz liegt an der Spitze der Halbinsel Cap Ferret, die wie ein Deich die Bucht von Arcachon vor der Wucht des Atlantiks schützt.

Ein magischer Blick auf den Atlantik von der Dune du Pilat bei Arcachon. Sie ist mit bis zu 110 Metern die höchste Wanderdüne Europas.

Gegenüber liegt die Dune du Pilat, die höchste Wanderdüne Europas. Ein beeindruckender Sandberg, bis zu 110 Meter hoch, der das mondäne Arcachon nebenan trotz weitläufigem Jachthafen und Villen aus dem 19. Jahrhundert winzig aussehen lässt.

Am Cap Ferret lässt es sich köstlich Meeresfrüchte schlemmen.

In der Holzhütte öffnet Bertrand Claude im Sekundentakt eine Auster nach der anderen. «Von April bis Oktober sind es mehr als 72'000», sagt der Patron und Austernzüchter lachend. Seine Muscheln züchte er im Süsswasser des Arcachon-Beckens, das sich durch die Gezeiten mit Salzwasser vermische. «Dadurch haben die Austern diesen typisch nussigen und mild salzigen Geschmack», erklärt der 60-Jährige.

Das Périgord im Hinterland

Nach unserem Abstecher in das helle Licht der Atlantikküste fahren wir zurück ins Landesinnere. Die Strasse schlängelt sich den Fluss Dordogne entlang ins Périgord, das Hinterland der Weinmetropole.

Eine Bootsfahrt nach La Roque-Gageac. Das schmucke Dörfchen liegt am Fluss Dordogne.

Wir lassen die Rebberge hinter uns, die Gegend wird ländlicher mit weitläufigen Wiesen und Feldern. Bald folgen dichte Eichenwälder und hohe Kalkfelsen, zwischen denen sich die Dordogne in weiten Schleifen ihr Bett gegraben hat. Auf den schroff aufragenden Felsen thronen mächtige Burgen und Festungsanlagen aus dem Mittelalter, die sich über die Täler hinweg zu belauern scheinen. Es ist eine Landschaft von entrückter Schönheit, wie sie in meiner Vorstellung französischer nicht sein könnte.

Unser Ziel ist Sarlat, ein Städtchen mit einer Kulisse wie in einem Historienfilm. Tatsächlich hat die erstklassig restaurierte Altstadt als Drehort für etliche Mantel-und-Degen-Streifen gedient. Rund um den zentralen Platz der Freiheit, die Place de la Liberté, scharen sich die vornehmen Bürgerhäuser in einem bunten Stilmix aus dem 12. bis 18. Jahrhundert.

Das Städtchen Sarlat besitzt den Charme des Mittelalters und diente schon als Kulisse für Historienfilme.

Der alte Kern von Sarlat ist klein. Dennoch verlieren wir in einem Labyrinth aus krummen Gassen und endlosen Innenhöfen immer wieder die Orientierung und landen schliesslich an einem anderen Ausgang der Altstadt. Dass die Region dem Gaumen einiges zu bieten hat, zeigt der Wochenmarkt in Sarlat. Sein Besuch wird zum sinnlichen Rundgang durch die kulinarischen Köstlichkeiten des Périgord. Trüffeln, Pilze und allerlei Käsesorten türmen sich auf den Marktständen, dazwischen glänzen Früchte und Gemüse aller Art, es duftet nach frisch gebackenem Brot und frischen Kräutern.

In sakraler Atmosphäre werden auf dem Markt in der alten Kirche von Sainte-Marie feinste Delikatessen angeboten.

Die Marktfrau Annie Charrieres verkauft ihr nach altem Rezept selbst produziertes Nussöl. Dafür werden die Nüsse in einer Mühle gemahlen, dann über offenem Feuer erhitzt und schliesslich gepresst, wie mir die Landfrau erklärt. Das goldene Öl der Walnüsse garantiere ewige Jugend und Schönheit, verspricht sie, was mir den Kauf einer Flasche wert ist. Nur folgerichtig scheint es mir bei diesem Angebot, dass am Marktplatz die Kirche Sainte-Marie zur Markthalle umfunktioniert wurde, in der Spezialitäten anstatt Devotionalien angeboten werden.

Die Höhle von Lascaux

Als Himmel auf Erden bezeichnete der amerikanische Schriftsteller Henry Miller das Périgord – auch wegen der Funde prähistorischer Felsmalereien in zahlreichen Grotten und Höhlen: «Das Périgord muss seit Tausenden von Jahren ein Paradies gewesen sein.» Recht hatte er, auch wenn der Speiseplan des Cro-Magnon-Menschen, der vor mehr als 20'000 Jahren in den Felsen hauste, noch nicht so üppig war wie heute.

Das «Lascaux IV» in Montignac ist ein museales Meisterwerk. Hier können sämtliche Malereien aus der Höhle von Lascaux als exakte Nachbildungen bewundert werden.

Aber immerhin: «Am Ende der Eiszeit lebten sie hier in einer Steppenlandschaft von Fisch, Wild, Beeren und Früchten», berichtet Florence Girod, 24, die uns durch die berühmte Höhle von Lascaux führt. Zwar gehen wir dabei nicht durch die dunklen Gänge der echten Höhle, die für Besucher geschlossen werden musste, nachdem der Ansturm die Gravuren und Malereien gefährdet hatte. Doch vergisst man schnell, dass man sich in einer «Lascaux IV» genannten Kopie befindet, wenn unsere Führerin die originalgetreuen Nachbildungen mit ihrer Lampe erhellt.

Dann scheinen die in leuchtendem Ocker, Rot und Schwarz gemalten mächtigen Stiere, die galoppierenden Wildpferde und die Hirsche mit riesigem Geweih zum Leben zu erwachen. War es die erste Kunstgalerie der Welt? Hatten die Darstellungen einen kultischen Zweck? Oder waren es Zeichnungen zum Zeitvertreib? Die Expertin zuckt mit den Schultern: «Darüber streiten sich die Gelehrten bis heute.»

An den Ufern der Dordogne

Von tief im Erdinnern verborgenen Kunstwerken sind es im Wunderland Périgord nur wenige Kilometer zu einem wahrhaft himmlischen Ort. Tatsächlich scheinen die hängenden Gärten von Marqueyssac, 130 Meter über der Dordogne auf dem Plateau eines steilen Felsrückens gelegen, in der Luft zu schweben.

Im Eingangsbereich der Parkanlage bilden Buchsbäume, alle perfekt von Hand geschnitten, ein wogend grünes Meer aus Kugeln, Spiralen oder Kuppeln. Zum Lustwandeln gedachte Spazierwege führen durch ein nach dem Vorbild italienischer Gartenkunst aus der Renaissance gestaltetes Gelände, durch einen Zypressen- und Lindenwald, vorbei an künstlichen Felsen und Wasserfällen. Wo immer wir am Rand des Parks ins Freie treten, öffnen sich grandiose Panoramen. Einmal hinunter auf das hübsche Städtchen La Roque-Gageac, das sich am Ufer der Dordogne eng an die Felswand unter Marqueyssac schmiegt. Am Hafen liegen «gabarres», flache Frachtkähne, die einst Holz für Weinfässer und Kalksteine für die Herrenhäuser nach Bordeaux brachten. Jetzt transportieren sie Touristen ein kleines Stück auf der Dordogne, die am Ende ihres langen Weges vereint mit der Garonne im Atlantik mündet.

Die Gärten von Marqueyssac laden mit romantischen Wegen zum Lustwandeln.

Auf der weitläufigen Terrasse des Schlosses Marqueyssac geniessen wir am letzten Tag unserer Reise den wohl schönsten Ausblick ins Périgord. Wir schauen auf die malerische Landschaft, in der sich Bilderbuchburgen wie Beynac und Castelnaud finden. Sie sind Zeugen einer düsteren und blutigen Vergangenheit, als sich Franzosen und Engländer vom 11. bis ins 15. Jahrhundert hier die Köpfe einschlugen, bevor streitlustige Ritter in einer Art Wettrüsten mit diesen martialischen Bauten ihre Machtansprüche geltend machten. Es ging um politische Ränkespiele, stets jedoch auch um die Herrschaft über den kostbaren Rebensaft und die gut gefüllte Speisekammer in dieser fruchtbaren Ecke Frankreichs.

Glücklicherweise sind heute die Festungen nur noch Relikte aus dem Mittelalter. Und so können wir in friedlicher Stimmung mit einem Glas Wein zu landestypischer Geflügelterrine sowie einem Cabécou, dem delikaten Ziegenkäse aus der Region, ein letztes Mal auf das köstliche Essen und die Magie dieses Fleckens Erde anstossen. Mehr Leben wie Gott in Frankreich geht nicht!

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