Fehler in der Landschaft

Der Bieler Fotograf Rudolf Steiner zeigt die Natur rund um Rondchâtel in all ihrer Verletzlichkeit.

«Man begegnet hier kaum Ausflüglern, höchstens ein paar Holzfällern»: Zwischen zwei Autobahnen gelegen, wird die Gegend um den Weiler Rondchâtel nahe der Stadt Biel von einem Zementwerk dominiert. Für den Bieler Fotografen und Künstler Rudolf Steiner ist die Klus zwischen Frinvillier und Péry zum Forschungsgebiet geworden. «Es ist unglaublich, welchen Licht- und Wettersituationen ich hier begegne, ich bin richtig süchtig danach geworden», sagt er.

Seit 2013 erforscht Steiner hier mit seiner Kamera Grotten, Minen und Höhlen, spaziert durch den nachtdunklen Wald. Versammelt hat er nun eine erste Tranche dieser Bilder in einem Band mit dem Titel «Ricochet», was so viel heisst wie «abprallen». Wie ein Sehstrahl tastet Steiner mit seiner Kamera die Landschaft ab oder wie es der Autor Trmasan Bruialesi auf der Rückseite des Bands schreibt: «Das Auge ist ein schieferndes Kind.»

Ein Apfelbaum in der Nacht, dessen Früchte zu leuchten scheinen; ein Baumstumpf, überscharf, darüber der blaue Himmel mit seltsamen Farbspuren; das Zementwerk, als würde es der Nebel gefangen nehmen: Steiner realisiert seine Aufnahmen mit einem Kameraroboter, der normalerweise für Panoramafotos zum Einsatz kommt, und einem Teleobjektiv. Die Blende wird so weit wie möglich geöffnet, und dann dauert es bis zu 30 Minuten, bis die Aufnahme fertig ist. Denn der Roboter macht von einem einzigen Motiv Hunderte von Einzelaufnahmen. Später werden sie digital zu einem einzigen Bild zusammengefügt. Dabei entstehen softwarebedingte Fehler: schwarze Felder, bunte Schlieren, Verpixelungen. Und genau das ist es, was an diesen Bildern so fesselt. Die Natur ist hier nicht nur etwas Natürliches, sondern auch eine Datenmenge – und zeigt sich über den Umweg zum Digitalen in all ihrer Verletzlichkeit.

20122.steiner.9783907112236

Rudolf Steiner: Ricochet

Vexer-Verlag.
St. Gallen 2020.
264 Seiten.
58 Fr.

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