Big Ben verstummt

Reparaturbedürftig: Die «viktorianische Ingenieurskunst» im Londoner Elizabeth Tower. Foto: Neil Hall (Reuters)

157 Jahre lang hat der Big Ben den Briten treulich die Stunde geschlagen. Es ist der berühmteste Glockenschlag der Welt, aus dem meistfotografierten Gebäude des Vereinigten Königreichs. Nun aber müssen Einheimische und Touristen vier volle Jahre lang ohne die vertrauten «Bongs» von Westminster auskommen. Elizabeth Tower, der Turm, in dem der Big Ben hängt, wird rundum renoviert – und seine grosse Glocke still gestellt.

Am kommenden Montagmittag soll die über 13 Tonnen schwere Glocke zum letzten Mal schlagen. Die Bürger und Besucher der Stadt sind eingeladen, sich aus diesem Grund unter dem Big Ben zu versammeln. Schon vor zehn Jahren, und davor in den 80er-Jahren, hatte der Glockenschlag wegen Reparaturarbeiten vorübergehend verstummen müssen. Aber nie so lange wie diesmal. Erst im Jahr 2021 sollen das Spiel der vier kleinen Glocken und das Dröhnen der grossen Glocke wieder regulär zu hören sein.

Leider, meint Steve Jaggs, der Wächter der Glocke, gehe es mit der Renovierung nicht schneller. Man müsse dafür sorgen, dass «dieses schöne Stück viktorianischer Ingenieurskunst» weiter reibungslos funktioniere. Und für die sorgsame Generalüberholung brauche es Zeit.

Eine Uhr mit Temperament

Nebenher sollen im 96 Meter hohen Glockenturm eine Toilette, eine kleine Küche und ein Aufzug eingebaut werden. Letzteres wohl, um Jaggs und seinen Helfern die 334 Treppenstufen zur Glocke zu ersparen. Als im vorletzten Sommer der Big Ben eines Morgens ganz unerwartet sechs Sekunden zu früh schlug und zwei Wochen lang Panik herrschte im Elizabeth Tower, wären die Glockenwächter froh gewesen um einen Lift.

Damals entschuldigte sich Jaggs in aller Form für die Zeitverschiebung. Die Uhr, erklärte er, habe halt bei unterschiedlichen Wetterlagen «ihr eigenes Temperament». Ausserdem habe sie über 150 Jahre auf dem Buckel. Und es ist wahr: Unter seinem hohen Alter stöhnt der ganze Palast von Westminster. Demnächst soll ja nicht nur eine Uhr, sondern aller Parlamentsbetrieb für sechs Jahre stillgelegt werden. Nur kann man sich nicht darüber einigen, wohin die Parlamentarier ziehen sollen für diese lange Renovierungszeit. (Lesen Sie dazu auch «Ratten in Westminster».)

Die Probleme der BBC

Besondere Probleme schafft das Verstummen des Big Ben der BBC, die den Glockenschlag live überträgt in gewissen Nachrichtensendungen. Die nächsten vier Jahre hilft bei der «Beeb» nur die Glocke vom Band. Das freundliche Angebot einer achtjährigen Schülerin, täglich im Sender vorbeizukommen und die «Bongs» für die Hörer auf einem Instrument zu spielen, wollten die BBC-Oberen dann doch lieber nicht in Anspruch nehmen. Die Kleine hatte von der Abstellung der Glocke im Autoradio gehört und zu ihrem Vater gesagt: «O nein – da müssen wir etwas tun!»

Eine gute Nachricht gibt es für alle, die die Schläge des Big Ben schmerzlich missen: Zu Silvester und zum Gedenken an die Kriegstoten im November darf die Glocke sich volltönend in Erinnerung bringen. Bei unvorhergesehenen Staatsanlässen freilich kann man nur hoffen, dass das Uhrwerk nicht gerade auseinandergenommen ist.

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3 Kommentare zu «Big Ben verstummt»

  • Doris Aerne sagt:

    Ich freue mich immer, wenn Herr Nonnenmacher, manchmal auch sehr kritisch, aus meiner Lieblingsstadt berichtet, man spürt, er ist mit dieser Stadt verbunden.

  • Penumbra Noctis sagt:

    In London entschuldigt sich der Sigrist/Kuester dafuer, dass die Glocke wegen Renovationsarbeiten kein Stundensignal geben koenne. Hierzulande hagelt es Laermklagen dagegen.

    • Roger Waelti sagt:

      Das eine schliesst ja das andere nicht aus.
      Nur weil sich ein Betreiber einer Anlage für deren Ausfall entschuldigt, bedeutet das nicht, dass alle, die von den Emissionen betroffen sind, Freude daran haben. Oder?

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