Der Lügner Ahmed Chalabi

Er streute falsche Informationen über Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen und ist im Alter von 71 Jahren gestorben, Ahmed Chalabi. (Video: Youtube/Euronews)

Einer der Grossen des Welttheaters ist von uns gegangen, mit 71 Jahren an einem Herzversagen früh verschieden. Er war ein meisterhafter Lügner und führte Amerika an der Nase herum. Gleich Woody Allens Chamäleon Leonard Zelig geisterte er durch Londoner Salons und Washingtoner Restaurants, betörte blauäugige Medien und schlich sich in die fiebrigen Köpfe jener ein, denen es nach Krieg gelüstete.

Nach seinem Ableben ist Ahmed Chalabi wahrscheinlich dort, wo die Seelen des Grafen Cagliostro und des Barons von Münchhausen spuken. Auch Felix Krull hält sich dort auf.

President Bush flashes a "thumbs-up" after declaring the end of major combat in Iraq as he speaks aboard the aircraft carrier USS Abraham Lincoln off the California coast, in this May 1, 2003 photo. Bush on Friday, April 30, 2004 defended the speech he made a year ago and said "we're making progress, you bet" in bringing stability to the country. (AP Photo/J. Scott Applewhite)

Der US-Präsident George W. Bush schenkte 2003 Ahmed Chalabis Geschichten glauben und marschierte in den Irak ein. (Bild: Keystone/Scott Applewhite)

Wie kein Zweiter schob der Mathematiker und Streuer apokalyptischer Fantasien George W. Bushs Krieg im Irak an. Denn wie kein Zweiter vermochte er mit seinen Unterlingen beim Irakischen Nationalkongress Erfundenes als Wahrheit auszugeben. Dass Chalabi 1992 in Jordanien wegen Finanzbetrugs in Millionenhöhe angeklagt worden war – er bestritt den Vorwurf stets vehement –, schmälerte seine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Geheimdienste und Journalisten keineswegs.

Denn er hasste den Diktator Saddam Hussein, versprach einen neuen und demokratischen Irak und war in den Augen seiner Washingtoner Bewunderer deshalb ein «George Washington seines Landes». Auch mit Charles de Gaulle verglich man ihn. Zum Dank für diese Wertschätzung seiften er und seine Helfer den Präsidenten und dessen neokonservative Cowboys ebenso ein wie journalistische Fans zu beiden Seiten des Atlantiks. Wer könnte schon vergessen, wie Chalabis Helfer nur Wochen nach 9/11 im vornehmen Hotel Le Vendôme in Beirut angereisten Journalisten einen irakischen General präsentierten? Ein Überläufer namens Jamal al-Ghurairy sollte er sein.

Die Entourage des Generals trug schwere Ledermäntel, der General bevorzugte Lug und Trug: Al-Qaida hantiere in Saddams Irak mit Massenvernichtungswaffen, sagte er. Nicht General aber war er, sondern ein irakischer Unteroffizier, den Chalabis Leute nach Beirut geschleift hatten. Überhaupt war es ein Kreuz mit Ahmeds Informationen. Sie entpuppten sich allesamt als unwahr. Leider aber flog die Sache erst nach Bushs Einmarsch auf.

Zuvor galt das, was Chalabi sagte, als ungeschminkte Wahrheit: Saddams Griff nach Atombomben, seine Biowaffen, sein Hofieren von al-Qaida. «Wie die Regierung sind auch wir falschen Informationen aufgesessen», entschuldigte sich nach dem Reinfall die «New York Times». Aber da war es schon zu spät, der Krieg bereits in vollem Gange.

FILE - In this May 5, 2010 file photo, Ahmad Chalabi, the head of the de-Baathification panel looks on during an interview with The Associated Press in Baghdad. Iraqi state TV says Chalabi, a prominent politician who strongly advocated the 2003 U.S.-led invasion to overthrow Saddam Hussein, has died of a heart attack. (AP Photo/Karim Kadim, File)

Ahmed Chalabi galt auch als Agent des Iran. (Bild: Keystone/Karim Kadim)

Chalabi wiederum fiel nach dem Debakel in Ungnade: Nicht nur wurde er als Münchhausen geoutet. Er galt überdies als Agent des Iran, der seine Washingtoner Freunde in Teheran verpfiffen hatte. Gewissensbisse verspürte Ahmed gleichwohl keine. «Wir sind Helden im Irrtum», erklärte er. Fortan mauschelte er sich durch Bagdad, stets in der Hoffnung, den explodierenden Irak selber lenken zu dürfen.

Bush mochte ihn allerdings nicht mehr. «Auf Chalabi kannst du pissen», sagte er 2004 zum jordanischen König Abdullah. Moment mal: Ahmed Chalabi half immerhin einen unnötigen Krieg anzuzetteln, der Hunderttausende das Leben und amerikanische Steuerzahler zwei Billionen Dollar kostete. Das ist schon eine einmalige Leistung.

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14 Kommentare zu «Der Lügner Ahmed Chalabi»

  • Reto Burgener sagt:

    Was anderes könnten denn Bush und Co. auch sagen, als dass sie belogen wurden? Etwa dass sie den Mann instrumentalisierten, um den Krieg lostreten zu können? Dass sie genügend gegenteilige Informationen hatten? Dass sie nichts anderes hören wollten, als einen handfesten Grund, im Irak einzumarschieren? Glaubt irgend jemand wirklich, dass die mit allen Wassern gewaschenen US-Regierung so dumm sei, einer berüchtigten Einzelfigur einfach so zu glauben? Aufgrund einer unbestätigten Information wegen einen blutigen Krieg zu beginnen? Und Chalabi hat das alles gratis gemacht für die USA? Oder war das ein Geschäft, bei dem beide Seiten bekamen was sie wollten?

  • Claudio Mennillo sagt:

    Diesem Bericht zu glauben kommt einer Gleichung mittlerer Intelligenz zu beleidigen. Irgendwie und eigenartigerweise leben die Terroristen immer dort wo es riesen Öl- Gasquellen und sonstige Bodenschätze hat.

    • gabi sagt:

      Ja… Zum Beispiel… äh… Norwegen.

      Ressourcen bedeuten zuerst einmal Eines: Möglichkeiten.

      Wie sich die Gesellschaft dann selbst organisiert und entwickelt, liegt – dann erst recht – an ihr selbst und an nichts Anderem.

      • Claudio Mennillo sagt:

        ….als dreizehnt grösster Ölförderer der Welt mit sehr hohen Gewinnungskosten und vor allem noch geringen Reserven (ca. 15 Jahre) kann Norwegen mit 3% des Ölbusinesses nicht unbedingt zu den Big Playern gezählt werden. So werden sie von den „Gringos“ ausser für den Friendsnobelpreis nicht sonderlich ernst genommen.

  • Nick Schaefer sagt:

    Wenn ein „demokratischer Rechtstaat“ so einfach – aufgrund platter Lügen – zu einem nun schon 12 Jahre dauernden Krieg verleitet werden kann, mit Millionen Toten, mit der Destabilisierung von zehn grossen Ländern (Irak, Syrien, Afghanistan, Pakistan, Jemen, Syrien, Tunesien, Lybien, Ägypten, Somalia, Mali), mit einer riesigen Flüchtlingswelle, welche Europa überschwappt und im Inneren zerreisst –
    Wenn ein Weltenbrand so einfach ist:
    Wie einfach ist es dann, kleine Bezirksgerichte und Schweizer Amtsstuben zum eigenen Vorteil zu instrumentalisieren?
    Solange es nur ein gutes Geschäft darstellt?
    Man denke da gar nicht so weit: Pharmalobby, Scheidungsindustrie, Steuerlöcher, Bauzonen, …

    • David Stoop sagt:

      Man nenne alle Krisenherde der Welt in einer Liste und schiebe dem ganzen einen einzigen Grund zu. Das ist eigentlich extrem platt kommt mir aber doch so seltsam vertraut vor. Ach ja, da gab es doch mal den Herrn George W. Bush, der hat das genauso gemacht.
      Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Anhänger von Herrn Bush sind?

  • Martin.. sagt:

    Unfaehiger US-Amerikanischer Geheimdiesnt oder ist Chalabi nun der Suendenbock welcher fuer die US-Verbrechen herhalten muss?
    Tatsache ist: Die USA und ihre Verbuendeten schuldn Irak 1000 Mrd Euro an Reparationen.

  • Ann Sophie Leopoldsky sagt:

    In der Tat ein wichtiger Nachruf, der die unsäglichen Ereignisse im Vorfeld des Irakkriegs nochmals aufrollt.
    Störend an diesen und anderen Artikeln von Martin Kilian ist leider einmal mehr dessen Sprache. Formulierungen wie „neokonservative Cowboys“ mögen bei einem Teil der Leserschaft intuitiv ein existierendes Weltbild bestätigen und Herr Kilian’s politische Präferenzen ausdrücken – letztendlich sind sie aber inhaltlos. Die Ernsthaftigkeit des Themas und die Glaubwürdigkeit des Journalismus geht gleichzeitig verloren.
    Als Leserin möchte ich primär umfassend, sachlich und ausgewogen informiert werden. Die persönlichen Ansichten des Journalisten interessieren mich dabei herzlich…

  • Dr yahya hassan bajwa sagt:

    Alles geplant! Machen wir uns doch nichts vor! Weltpolitik funktioniert so. Bei jedem Krieg, jedem, geht es nur um Geld und Macht. Nie um Menschenrechte und schon gar nicht für Frauenrechte!

    • David Stoop sagt:

      Weltpolitik ist eigentlich nie „geplant“, da man in erheblichem Ausmass auf aktuelle Themen reagiert. Da es in der Weltpolitik einfach zuviele Akteure und zu wenige Konstanten gibt, wäre jeder Superplan schnell makulatur.
      Der Krieg hingegen war natürlich von einer Regierung Bush geplant, deren Mitglieder selber direkt an den „positiven“ Folgen des Krieges partizipieren. Will heissen, es war ein Fr… äh Geschäft für Cheney, Rumsfeld und Co.
      Chalabi war da Teil des Systems, wie es Bush, Cheney und Rumsfeld auch waren.

  • Timo Schuler sagt:

    Man muss hier die Gretchenfage stellen: Was war zuerst, Chalabi der log oder Bush und seine Bande die Chalabi zum Lügen aufforderten um eine Rechtfertigung für den Krieg zu haben? Man wird es wohl nie wissen.

  • Andreas Märki sagt:

    Es freut mich, nun den Namen des Irakkrieg-Sündenbockes zu kennen.
    Interessant ist es auch zu sehen, wie leichtgläubig die amerikanische Regierung damals offenbar gehandelt hat. Liegt das wohl daran, dass sie selbst nie auf die Idee käme, etwas anderes als die Wahrheit zu verbreiten?

  • H.W. Karrer sagt:

    Es ist tragisch, dass ein US-Präsident mit seiner ganzen Administration nicht merkt, dass er faustdick angelogen wird. Bevor man einen Krieg vom Zaune bricht, prüft man doch seine Informationen. Aber wollte man das? Oder hoffte man, einfacheren Zugriff auf immense Oelvorkommen zu bekommen?

    • gabi sagt:

      Nun ja… Das Vorgehen rund um die angeblichen WMD im Irak, welche als Kriegsgrund dienten, zeigt doch, wie es war.

      Die wollten einfach Beweise für etwas, an das sie schon zuvor glaubten. Die Dienste wurden nach jeder Meldung, da sei nichts, einfach wieder zurück an die Arbeit geschickt, denn das müsse einfach was zu finden sein!

      Glaube – nicht nur Religiöser – ist eine gefährliche Grösse, wenn die Politik Richtung Krieg kippt.

      Wird der dann auch noch durch finanziell reizvolle Aussichten gestützt, macht´s das natürlich nur noch schlimmer. Dennoch meine ich, die wollten einfach hören, was sie sich selber einredeten. Ahnung hatte die ganze Gilde um Double-W ja wirklich nicht im…

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