Der geheimste Wochenmarkt des Universums

Die E-Mail kommt aus heiterem Himmel. Sie ist eine Einladung zum geheimsten Wochenmarkt der Welt. Jawohl, ultrageheim! Jeden Freitag findet er nahe dem architektonisch krassen Hauptgebäude – bekannt als OPS 2A – der NSA in Fort Meade nahe Washington statt. Dort, wo Angies Handy abgehört wird. Und Hollandes Lästern über Angie.

Seit dem Vorjahr gibt es gleich um die Ecke von OPS 2A einen klandestinen Markt. Zuerst flatterte den teilnehmenden Landwirten, Metzgern und Bäckern die geheimnisvolle Mail ins Haus. Bedingung dafür war eine Empfehlung vonseiten eines NSA-Angestellten. «Die Leberwurst von Sausage Works ist besser als die von Angie» bedeutet beispielsweise eine todsichere Einladung.

Wer seinen Stand unweit von Parabolantennen und Supercomputern aufstellen möchte, muss seine Personalien registrieren lassen. Bei der Einfahrt auf das Gelände der NSA werden zudem zwei Sicherheitskontrollen durchgeführt, eine mit Hunden, die Tacos und Kielbasa, Obst und Eier beschnüffeln. Ausserdem hört eine NSA-Spezialabteilung das Gemüse vorsichtshalber ab. Intrigieren die Auberginen? Was flüstern die Karotten heute? Ist der Wirsing vaterländisch gesinnt?

Nein, nicht wirklich.

Aber genau weiss es niemand. Schliesslich ist die NSA so akribisch, dass eine gesonderte Abteilung für das Abschöpfen diverser Gemüsesorten durchaus denkbar wäre. Sobald am Freitag die Mittagszeit anbricht und sich die NSA-Angestellten chiffriert «Mahlzeit» zurufen, beginnt der Wochenmarkt. Rund 1000 der 10’000 Spione kaufen diverse Viktualien und schmausen, ehe sie sich wieder die Kopfhörer überstülpen und mithören, wie François wegen Angie weint.

Sicherlich steht auf manchem Schreibtisch ein Cupcake von Flavors Cupcakery and Bake Shop. Die sind beim NSA-Wochenmarkt dabei und verkaufen stets alle mitgebrachten 750 Cupcakes. Jeden Freitag! Gewiss werden sämtliche Cupcakes am Eingang zu OPS 2A auf versteckte Mikrofone und Mikroprotze geröntgt. Dass französisches Gebäck und überhaupt Importware verboten ist, versteht sich von selbst.

Ist der geheimste Wochenmarkt des Universums vorbei, packen alle Marketender fröhlich zusammen. Weil unverkaufte Waren die NSA-Zentrale von innen gesehen haben, dürfen sie das Gelände womöglich nicht verlassen. Vielleicht befindet sich hinter OPS 2A sogar ein Quarantäne-Lager, worin Würste und Pierogi friedlich neben Rotkohl und Quinoa hausen.

Treffen die Teilnehmer des klandestinen Wochenmarkts beim Flanieren in der Stadt zufällig einen ihrer Kunden, überkommt sie ein prickelndes Gefühl der Mitwisserschaft. «Wenn wir sie draussen sehen, ist es immer ein grosses Geheimnis», vertraute etwa Ashwini Paraquad vom veganischen Händler Sexy Vegie der «Washington Post» an. «Man sagt, ‹Toll, Sie am Freitag wiederzusehen›, aber man sagt nicht, wo genau man sich freitags sieht.» So zieht die NSA eben alles und alle in ihren Bann: Angie und François, sexy Gemüse und Cupcakes. Das Leben im Schatten der Antennenschüsseln hat durchaus etwas für sich.

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