Das Lob kann er sich abschminken

Belgiens Aussenminister Didier Reynders war offensichtlich stolz auf seinen etwas aussergewöhnlichen Auftritt. Per Twitter teilte er ein Foto von sich mit tiefschwarz geschminktem Gesicht, einem weissen Zylinder auf dem Kopf, einem schwarzen Anzug und einer weissen Halskrause. «Les noirauds en ballade», schrieb Reynders dazu.

Frei übersetzt heisst das «die Schwarzen beim Spaziergang». Dabei geht es um eine alte Brüsseler Tradition. Seit 1876 ziehen die Noirauds jedes Jahr im März durch die Innenstadt und sammeln in besseren Restaurants Geld für benachteiligte Kinder. Der Wohltätigkeitsverein war einst unter der Patronage der belgischen Monarchie gegründet worden.

Didier Reynders ungeschminkt. Foto: Keystone

Reynders ungeschminkt. Foto: Keystone

Die karnevaleske Verkleidung soll an afrikanische Stammeshäuptlinge erinnern. Reynders selber schwärmte in einem Blog von der «guten Stimmung» beim jährlichen Umzug durch die Fressmeile in der Brüsseler Altstadt. Aussenminister Reynders hat der Einsatz für den guten Zweck aber viel Kritik vor allem in den sozialen Medien eingetragen.

«Schande über Sie», protestierte der Belgier Peter Bouckaert, in führender Position bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Ob Reynders sich beim nächsten Treffen mit afrikanischen Führern sein Gesicht nun ebenfalls schwarz anmalen werde. Der Auftritt sei «inakzeptabel», schrieb auch Wouter Van Bellingen, Vorsitzender des belgischen Minderheitenforums. Reynders präge schliesslich das Bild Belgiens im Ausland.

Belgiens König Philippe (l.) mit einem Noiraud an einem autofreien Sonntag in Brüssel. Foto: Yves Herman (Reuters)

König Philippe (l.) mit einem Noiraud in Brüssel. Foto: Yves Herman (Reuters)

Kein Wunder, stimmte auf der anderen Seite des Atlantiks US-Schauspielerin Mia Farrow in die Empörung ein. Ähnlich die nigerianischstämmige Autorin Chika Ungiwe, die in Brüssel lebt. «In jedem anderen zivilisierten Land würde eine politische Karriere dies nicht überleben», kritisierte sie. Seit der Ära von König Leopold habe sich in Belgien nichts an den Stereotypen gegenüber Afrikanern geändert.

Der Zwarte Piet erfreut Kinder – und verärgert Erwachsene. Foto: AP

Der Zwarte Piet erfreut Kinder – und verärgert Erwachsene. Foto: AP

Tatsächlich haben die meisten Belgier ein unverkrampftes Verhältnis zur Epoche, als Leopold II. den Kongo Anfang des letzten Jahrhunderts als eine Art Privatkolonie ausbeutete. So ist die Auffassung noch immer verbreitet, der Monarch habe den Afrikanern die Zivilisation gebracht. Dass bei der Ausbeutung von Kautschuk und anderen Rohstoffen Millionen von Kongolesen ihr Leben liessen, ist eher ein Randthema.

Es ist nicht das erste Mal, dass Belgien wegen des sogenannten Blackfacing am Pranger steht. Jedes Jahr sorgt es für heftigere Kontroversen, wenn in Flandern ähnlich wie in den Niederlanden der Zwarte Piet als dunkelhäutiger und krauslockiger Diener des Samichlaus durch die Strassen zieht und die Kinder mit Süssigkeiten erfreut. In Belgien denkt jedoch niemand daran, an den alten Traditionen zu rütteln.

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15 Kommentare zu «Das Lob kann er sich abschminken»

  • Dörflinger André sagt:

    Der Kommentar von D. Papadopoulos ist der beste ! Wer bestimmt denn eigentlich in einer freien Gedankenwelt, was „politisch korrek“ tsein soll und was nicht ?? D a s ist doch die neue Politische Unkorrektheit > Das Vorschreiben, was gedacht werden darf und was nicht und dann halt so aufgeschrieben wird. Lassen wir doch dem belgischen Minister seine Schwarzmalfreuden, wenns m i t hilft Spenden zu sammeln für einen sozial guten Zweck.

  • Dimitri Papadopoulos sagt:

    Das ist doch nicht schlimm. Wir alle haben doch Indianerlis gespielt und so, das hat gar nichts mit Rassismus zu tun.
    Die Antirassisten sind doch heutzutage bald die grössere Bedrohung für unsere freiheitliche Gesellschaft als die Rassisten; gegen die letzteren ist sie mittlerweilen immun, die ersteren hingegen entzünden sie.

  • Hitz sagt:

    Sorry, aber Stefan erklärt bzw. beantwortet meine Frage absolut nicht und er bestätigt auch nicht Ursinas absolute Aussage, ausser man stimmt ihr eh schon zum vornherein zu und meint deshalb, dass eine andere Person mit ähnlicher Meinung schon eine Erklärung bzw. eine Begründung wäre.
    Einerseits ist Stefans saloppe Gleichsetzung von Blackfacing mit Sklaverei an den Haaren herbeigezogen und andererseits finde ich in seinem Text keinen Hinweis darauf, warum irgendwas „nicht akzeptabel“ sein könnte.
    Es hat sich zu sehr eingebürgert, gewisse Aussagen als wahr anzusehen, nur weil sie mit als moralisch und akzeptabel konnotierten Begriffen gespickt sind, ohne dass man noch die Prämissen dahinter hinterfragt.

  • Ursina sagt:

    Es ist eine Errungenschaft unserer zivilisierten und aufgeklärten Denkens, dass wir Traditionen und das Verhalte in der Vergangenheit hinterfragen. Blackfacing ist heute nicht mehr akzeptabel. Egal ob an Fasnacht, oder bei einer Benefizveranstaltung zum Geld für arme (sic!) Kinderlein zu sammeln.

    • Hitz sagt:

      Um Ihre apodiktische Aussage zu hinterfragen: Wieso genau ist Blackfacing eigentlich nicht akzeptabel? Ich möchte hierzu einmal eine nicht-emotionalisierte und nicht nur auf zweifelhafte moralisierende Prämissen aufbauende Argumentation hören oder lesen.

    • Michu sagt:

      Wie soll man den sonst an die Fasnacht gehen?
      Als weisser Morpheus? Als weisser Samuel L. Jackson?
      Oder darf man gar nicht mehr als ein beliebter schwarzer Schauspieler an die Fasnacht? Weil man selber weiss ist?
      Darf ich mich noch rot, grün, gelb, blau schminken? Oder ist das auch rassistisch?
      Welche Farbe darf es nach Ursina denn noch sein?

    • Dimitri Papadopoulos sagt:

      Ich finde Blackfacing absolut in Ordnung. Schauen Sie sich doch, zum Beispiel die Basler Fasnacht an. Da hat’s Chinesen, Ägypter, Fische, Pierrots, Uelis, Türme, Fudis, Polizisten, Schotten, Mexikaner, Elsässer („Waggis“), ….
      Wenn man sich nicht als Schwarzafrikaner (oder wie sagt man heute) mehr verkleiden darf, dann ist das doch eine Diskrimierung dieser Menschen!

  • Stephan Huber sagt:

    Es ist doch ein unbegreiflicher aber weitverbreiteter Irrglaube, dass durch Umschreibungen und Umdeutungen von Symbolen und Sprache Rassismus behoben bzw. unterdrückt werden könnte. Seriöser wäre es doch, solche Dinge beim Alten zu belassen aber gleichzeitig zu dokumentieren und zu erklären. Nur so kann man aus der Vergangenheit und den dannzumal begangenen Fehlern lernen. Die grössten Rassisten sind doch oft die, welche aus einem falsch verstandenen Schuldgefühl heraus überall Rassismus wittern und alles mögliche erst zum entsprechend belasteten Thema machen.

  • Hirz sagt:

    Die automatische Verknüpfung dieses Falls von Blackfacing mit Leopolds Kongo-Verbrechen, ist durchaus zu hinterfragen und hat sich als grundlos akzeptierte Prämisse in solche Diskussionen eingeschlichen. M.E. ist diese Verknüpfung selber rassistischer als das Blackfacing selber, da es immer auch einen reflexhaft zugewiesenen Opferstatus für Schwarze bedeutet. Mich verwundert, dass sich heute so viele Minderheiten mit einem solchen Opferstatus abfinden und ihn sogar noch bereitwillig pflegen und fördern.

  • Michu sagt:

    „Blackfacing“ kommt vor allem in den USA nicht gut an, da früher so Weisse Schwarze herabwürdigend dargestellt haben.
    Ich schminke mich aber zu Fasnacht regelmässig auch schwarz, einfach weil die Person, welche ich darstelle, schwarz ist.
    Man kann politische Korrektheit auch übertreiben oder in diesem Fall eher falsch hineininterpretieren.

  • Hans Weiss sagt:

    Hoch leben die Belgier! Es gibt offenbar noch ein paar unverdorbene mit gesundem Menschenverstand.

  • Chris Fogg sagt:

    Muss man denn alle Traditionen immer hinterfragen? Sie sammeln freiwillig Geld für benachteiligte Kinder. Das sollte im Vordergrund stehen. Ebenso bin ich mit dem Lied 10 kleine Negerlein aufgewachsen. Das gehört zu meiner Jugend und meine Kultur. Es kann nicht sein, dass wir alle Kinderlieder oder Märchen umschreiben, weil sie heute nicht mehr politisch korrekt sind.

    • SrdjanM sagt:

      „Muss man denn alle Traditionen immer hinterfragen?“

      Ja, man muss sich immer wieder damit auseinandersetzen und genau verstehen wofür sie eigentlich stehen.
      Ob man sie abschaffen soll ist dann eine andere Frage welche man erst beantworten kann wenn man sich der Vergangenheit und deren Wirkung bewusst ist.
      Das Abblocken jeglicher Diskussionen dazu („das haben wir immer schon so gemacht“) ist eher kontraproduktiv und führt zu noch mehr Protesten.

    • Stefan sagt:

      Ja, Traditionen müssen hinterfrage werden. Denn Traditionen sind nicht einfach da und haben per se ein Existenzrecht, sondern sind zu einem gewissen Zeitpunkt mit gewissen Wertvorstellungen entstanden. Und zu hinterfragen ob diese Wertvorstellungen zum heutigen Zeitpunkt immer noch zu unserer Gesellschaft zählen sollen ist wichtig und nötig.
      Um ein Extremfall als Beispiel herbei zuziehen: auch bei der Diskussion zur Abschaffung der Sklaverei gab es Leute die diese mit dem Argument der Tradition beibehalten wollten und die Gesellschaft kam trotzdem zum Schluss dass diese Tradition nicht mehr den heutigen Wertvorstellungen entspricht und deshalb abgeschafft gehört. Ob die im Artikel erwähnte Tradition im Jahre 1876 mit Wertvorstellungen entstanden ist welche völlig wertfrei bezüglich schwarzen Personen war, weiss ich zwar nicht, wage ich aber zu bezweifeln wenn man sich Europas Ansichten zu Afrika im späten 19ten Jahrhundert vergegenwärtigt. Und nun zu argumentieren dass die Leute sich heutzutage beim «Les noirauds en ballade» nur schwarz anmalen um eine schwarze Person darzustellen (und dies deshalb problemlos sei) blendet die Entstehung der Tradition total aus, was ich als naiv empfinde.
      Dass Kulturgüter wie Kinderlieder oder Märchen aller Art als Gedächtnis einer Gesellschaft erhalten werden sollen ist wichtig, ob jedoch alle aktiv gelebt werden sollen ist eine andere Frage.

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