Wenn dicke Beine zum Problem werden

Charakteristisch für ein Lipödem ist, dass der Beinumfang in einem Missverhältnis zum Oberkörper steht. Foto: iStock

Edith Kern* war im Lauf ihres Lebens nie übergewichtig. Nur ihre Oberschenkel standen in einem auffälligen Kontrast zu ihrem sonst feingliedrigen Körper. «Ich hielt wochenlang strikte Diät und machte regelmässig Gymnastik. Aber meine Körperform änderte sich nicht. Oben herum trug ich Grösse S, unten XL.» Aber nicht nur die Form ihrer Beine störte die 47-jährige Floristin zunehmend. «Vor allem im Sommer und bei feuchtheissen Temperaturen schmerzten meine Beine im Laufe des Tages immer stärker und schwollen auf.»

Auch in ihrer Freizeit wurde die Mutter zweier Teenager immer wieder mit ihrem Problem konfrontiert: «Ins Schwimmbad ging ich nicht mehr, seit ich mitbekommen hatte, wie zwei Mädchen beim Blick auf meine Beine kicherten: ‹Schau mal, diese Elefantenbeine!›»

Edith Kern wollte sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden und konsultierte ihren Hausarzt, der ein Lipödem diagnostizierte. Eine Fettverteilungsstörung, unter der ausschliesslich Frauen leiden, und die immer an beiden Beinen auftritt. Mit ihrem Arzt hatte die zweifache Mutter Glück, denn nicht selten wird ein Lipödem, auch von Fachleuten, als «Übergewicht» abgetan. Dabei leidet Schätzungen zufolge jede 20. Schweizerin unter dieser Krankheit.

Lipödeme sind keine Fettpolster

«Da fast ausschliesslich Frauen zu den Betroffenen zählen, geht die Wissenschaft von einer hormonellen Ursache aus«, sagt der Facharzt Jens Altmann. Der gängigen Vorstellung, dass man durch Abnehmen und Sport ein Lipödem zum Verschwinden bringen könne, widerspricht er: «Lipödeme sind keine Fettpolster, die durch Übergewicht entstanden sind. Es handelt sich dabei um eine chronische Stoffwechselstörung, die sich unbehandelt mit zunehmendem Alter häufig verschlimmert.» So würden die Spannungsgefühle und Schmerzen in den Beinen, aber auch die Empfindlichkeit des Gewebes immer stärker.

Ist ein Lipödem aber nicht in erster Linie ein ästhetisches Problem? «Wird ein Lipödem nicht fachärztlich abgeklärt und behandelt, kann es sich zu einem Lymphödem entwickeln.» Das bedeute, dass das Lymphsystem keine Flüssigkeit mehr absondern könne. Mit der Folge, dass «in späteren Krankheitsstadien die Bewegungsfreiheit der Betroffenen stark eingeschränkt ist». Aber auch die Psyche der betroffenen Frauen werde oft in Mitleidenschaft gezogen.

Dr. med. Jens Altmann ist leitender Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie in der Bodensee-Klinik in Lindau.

Vor allem in Deutschland wurde in letzter Zeit öffentlich darüber diskutiert, ob eine Liposuktion, das Absaugen dieser Fettpolster, nicht von den Krankenkassen übernommen werden sollte. In der Schweiz ist dies (noch) kein Thema. Das hat auch damit zu tun, dass Betroffene ein Lipödem am liebsten verschweigen. So wollte sich auch Edith Kern nur anonym äussern: «Ich lebe in einem Dorf, und ich habe keine Lust auf Klatsch.»

Nachdem jahrelange konventionelle Therapien wie Lymphdrainage und auch das Tragen von Kompressionsstrümpfen ihr keine Erleichterung gebracht haben, hat sich Edith Kern nach verschiedenen ärztlichen Abklärungen für eine Liposuktion entschieden. «Es war kein einfacher Entscheid, aber mein Leidensdruck und die Tatsache, dass sich meine Beschwerden mit zunehmendem Alter noch verschlimmern würden, haben mich dazu gebracht.»

Mehr Informationen: www.lipoedem-schweiz.ch

Teil 2 zum Thema Lipödem am Freitag: Was bringen konventionelle Therapiemethoden bei einem Lipödem? Und was passiert bei einer Liposuktion?

3 Kommentare zu «Wenn dicke Beine zum Problem werden»

  • M.Neeser sagt:

    Habe seit 30 Jahren dieses Leid mit meinen Beinen. Nach der achten Rückenop. kam noch das Ameisen laufen dazu. Damit ich eine Linderung habe trage ich die Stützstrümpfe und Abends vor dem Schlafen gehen spritze ich die Beine mit dem Gartenschlauch ab. Wenn ich nicht durch schlafen kann, kommt der Schlauch zur Anwendung egal welche Zeit und Temparatur, komme soeben davon 0 Grad. Die Aerzte meinen da könne man nicht viel dagegen tun, Wasser Tabletten.

  • Oliver Kuhn sagt:

    Schön und gut, nur wenn man das Thema schon anschneidet hätte man auch gleich erwähnen können was die betreffenden Therapieformen beinhalten.
    So darf der Leser sich erstmal selber auf die Suche machen was denn nun eine Lymphdrainage und eine Liposuktion bedeuten.

    • Silvia Aeschbach sagt:

      Lesen Sie den Blog fertig, Oliver.
      Dann werden Sie sehen, dass am Freitag, an der gleichen Stelle,
      genau diese Fragen beantwortet werden.

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