Doppeltes Leid am vorzeitigen Aus

Er kommt zu früh, sie kommt zu kurz: Sexuelle Probleme können eine enorme psychische Belastung darstellen, nicht nur für den Mann. Foto: Raisa Durandi

Der vorzeitige Samenerguss ist belastend für den Mann. Aber wie empfinden Frauen, wenn ihr Partner darunter leidet? 

Der vorzeitige Samenerguss (Ejaculatio Praecox – EP) betrifft dauerhaft ungefähr ein Drittel aller geschlechtsreifen Männer. Grundsätzlich ist das Problem durch drei zentrale Aspekte charakterisiert: Gefühl des Kontrollverlusts, kurze intravaginale Ejakulationslatenz und Partnerschaftsbelastung. Letzteres unterstreicht die Sexualität als zentralen Aspekt in romantischen Partnerschaften und untermauert den Zusammenhang zwischen Beziehungs- und sexueller Zufriedenheit.

Sexuelle Probleme wie EP können demzufolge eine enorme psychische Belastung darstellen – und dies nicht nur für den Mann. Deswegen ist es wichtig, auch die Sichtweise der Frau und die Bedeutung der EP für die weibliche Sexualität genauer zu erforschen. Dies wird leider noch heute von vielen Experten ignoriert. Dabei klagen laut zahlreicher Studien Partnerinnen von Männern mit EP über erhöhten sexuellen und persönlichen Stress und schätzen sogar den eigenen Leidensdruck höher ein als beim Partner. Zudem berichten sie über signifikant mehr eigene sexuelle Probleme.

Der Mann ist auf sein Problem fokussiert

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage hat sich noch intensiver mit dem Thema befasst und die Sichtweise von Frauen in Bezug auf verminderte Ejakulationskontrolle und damit verbundene belastende Aspekte genauer untersucht. Von den 1500 befragten Frauen gaben rund 40 Prozent an, dass die Ejakulationskontrolle besonders wichtig für befriedigenden Geschlechtsverkehr sei.

Die EP führte bei diesen Frauen laut Selbstaussage ebenfalls zu vermehrtem Leidensdruck und Stress. Dabei stellt sich heraus, dass nicht in erster Linie die kurze Zeitdauer des Liebesaktes als Hauptquelle des sexuellen Frustes angesehen wird, sondern der Umstand, dass der Mann so stark auf das Hinauszögern des Samenergusses fokussiert ist, dass er dabei ihre sonstigen sexuellen Bedürfnisse ignoriert und nicht auf ihre individuellen Wünsche eingeht.

Für die Mehrheit der Frauen besteht erfüllende Sexualität laut der Umfrage nämlich nicht nur aus Geschlechtsverkehr, sondern umfasst andere, kreativere Formen der Stimulation, welche gleichermassen als essenziell für eine befriedigende Sexualität erachtet werden. Dadurch, dass der Mann vornehmlich mit seinem Problem und seiner eigenen Leistung beschäftigt ist, gehen diese Bedürfnisse unter. Auf Dauer ist die Frau frustriert, vermeidet zunehmend den sexuellen Kontakt und büsst damit an Lebensqualität ein. Zuletzt wird die Partnerschaft infrage gestellt.

Oft mehr als nur sexuelle Unzufriedenheit

Aufgrund des Frustes endet manchmal eine eigentlich harmonische Beziehung in einer Trennung. Denn die Konsequenzen sind oftmals weitreichender als «lediglich» sexuelle Unzufriedenheit. Trotz der hohen Belastung sprechen Frauen aus Scham oder Unsicherheit selten mit ihrem Partner und bleiben mit ihrem Problem allein.

Dabei kommt der Partnerin eine wichtige Rolle zu, da viele Betroffene durch ihre Partnerin erst dazu ermutigt werden, sich Hilfe zu holen. Hier können verhaltens- und sexualtherapeutische Massnahmen den Raum bieten, sich mit dem sexuellen Problem gemeinsam auseinanderzusetzen, Ängste abzubauen, den Leistungsdruck zu mindern und so gemeinsam eine befriedigendere Sexualität zu leben.

16 Kommentare zu «Doppeltes Leid am vorzeitigen Aus»

  • Eduardo sagt:

    Sorry, wenn ich hier mal wieder als Stimmungsverderber auftrete, aber die vielen, vielen Alleinstehenden, der jeden Abend alleine ins Bett gehen müssen und das meist bis ans Ende ihres Leben machen werden, können über derartiges angebliches „Leid“ nur den Kopf schütteln.

    • Marcel Zufferey sagt:

      Niemand ist gezwungen, alleine, d. h. vollständig beziehungslos (oder sexuell abstinent), zu leben. Vor allem in der heutigen Zeit nicht, inmitten all dieser unzähligen Dating-Plattformen, Apps undsoweiter. Nie zuvor in der neueren Zeit war es einfacher, jemanden kennen zu lernen, als heute!

  • Reincarnation of XY sagt:

    Der Artikel ist oberflächlich. Die Partnerin ist an EP ebenso beteiligt wie der Mann. SIE muss seine Bedürfnisse besser erkennen. Nicht, dass ich hier die Frau in die Schuld nehmen will. Aber eine funktionierende Sexualität ist immer Teamwork. Wenn es nicht funktioniert müssen stets BEIDE etwas verändern. Das kommt hier leider nicht zum Ausdruck.
    So wie der Mann lernen muss, wie die weibliche Sexualität funktioniert, muss die Frau lernen wie die männliche Sexualität funktioniert. Das geht über das 0815 Verständnis heraus, ist geht nicht nur um männlich und weiblich, sondern letztlich ist es sehr persönlich und individuell. Eine gar nicht mal so leichte, aber andererseits wunderschöne Aufgabe, die eine sehr spannende Reise werden kann.

    • DontJustStandThereAndNodTamely sagt:

      Danke Roxy
      Wehe, wenn Mann nämlich der Partnerin sagen würde, sie solle wegen ihrer Anorgasmie den Arzt aufsuchen. Partnerschaft heisst eben auch, das eigene Ego mal sein lassen.

  • Merasol Doruelo sagt:

    Na ja. Als Ü60 bin ich ja fast etwas entschuldigt:)
    Mal geht es halt länger, mal sehr schnell (was meine Frau dann sehr nervt). Männer sind halt keine Maschinen mit einem Timer… Aber für Ladies kann es natürlich schon frustrierend sein, einfach nur auf den Mann warten zu müssen.

    Weiss auch nicht. Schwieriges Thema eigentlich. Ich nehme es einfach wie es halt kommt. (Hoppla, doppeldeutig.) Ganz schön egoistisch obschon ich immer mein Bestes zu geben versuche, auf meine Frau einzugehen… Aber lässt sich das als Mann steuern?

    • mia sagt:

      …“mein Bestes zu geben versuche, auf meine Frau einzugehen“… Allein schon dieser Satz lässt einen Frust erkennen, der die Hoffnung auf bessere Zeiten gleich im Keim ersticken lässt.

  • tststs sagt:

    Irgendwie erinnert mich das Ganze an Dr. Sommer, aber nicht an Sexualität zwischen erwachsenen, gestigten Menschen.

    Kein erwachsener Mann und keine erwachsene Frau würden ein Vorkommnis, das sich mit einem Kleenex beseitigen lässt, als PROBLEM bezeichnen 😉

  • Isidor Knickli sagt:

    Ja, die Frauen und ihre mysteriösen Bedürfnisse: Für sie umfasst also erfüllende Sexualität „andere, kreativere Formen der Stimulation, welche gleichermassen als essenziell für eine befriedigende Sexualität erachtet werden.“ Aber bloss nicht konkret werden. Hauptsache scheint hier einmal mehr zu sein, dass es allein darauf ankommt, ob die Frau die Sexualität als befriedigend betrachtet und die Deutungsgewalt darüber behält. Was aber mit den armen schlappen Männer, die vor lauter Ansprüchen, Hinauszögern und Steifbehalten schon gar keinen mehr hochkriegen? Die dürfen dann in die Sprechstunde zur Frau Burri nach Neuseeland, um sich von ihr Bescheid stossen zu lassen. Und da wird es dann heissen, dass es auch eine befriedigende Sexualität ohne Samenerguss gibt. Jedenfalls für Frauen.

  • Gabriela sagt:

    Ich finde es sehr interessant, dass in diesem Artikel über EP das Empfinden der Frauen angesprochen wird und laut Artikel von vielen Experten ignoriert wird. Doch wenn ein Drittel der Paare davon betroffen sind, leiden doch etliche Beziehungen unter Unzufriedenheit und Stress bis hin zu einer Trennung. Da müssen wohl Frauen und Männer wegen Scham und Unsicherheit nicht darüber reden und beide leiden weiter. Schön wäre, wenn sich der Mann seiner Verantwortung (Stressverminderung) stellen würde und die Frau sich mit ihrem sexuellen Selbstbewusstsein auseinander setzen würde. Davon könnten beide profitieren, wenn sie denn offen genug für Gespräche, andere Vorgehensweisen in der Liebe oder professioneller Beratung sind.

  • Jänu sagt:

    „dass er dabei ihre sonstigen sexuellen Bedürfnisse ignoriert und nicht auf ihre individuellen Wünsche eingeht.“

    Und umgekehrt? Was ist eigentlich mit den sexuellen Bedürfnissen der Männer? Warum wird in einem Artikel über den EP nicht (auch) darüber gesprochen? Es steht kein einziger Abschnitt, kein Satz, kein Wort darüber, dass auch die Frau auf die sexuellen Bedürfnisse des Mannes eingehen sollte. Wenn man natürlich davon ausgeht, dass Männer nur rammeln wollen, dann fällt dieser Aspekt halt unter den Tisch.

    Ist das nicht typisch? Die Männersicht scheint nicht interessant zu sein. Männer werden mit ihren Problemen alleine gelassen und wenn sie sich (hilflos) darum kümmern, dann kommt der Vorwurf, sie ignorierten die Bedürfnisse der Frau. Ach?

    • Christoph Bögli sagt:

      Guter Punkt. Denn es dürfte ja gerade Teil des Problems sein, dass der Mann gemäss dem Standardmodell primär zu leisten und Bedürfnisse zu befrieden hat, also alleine daher ein Druck aufbaut, der ein Problem werden kann, wenn man sich in einer Partnerschaft nicht frühzeitig davon löst.

      Die Kehrseite davon ist auch, dass die Ejakulation des Mannes viel zu stark als vermeintlicher Schlusspunkt ins Zentrum gestellt wird. Seltsamerweise gerade auch von Frauen. Dabei ist es doch keineswegs so, dass sich Sex nur darum dreht und zwangsweise beendet werden muss, wenn es dazu kommt. Die Relevanz davon zu reduzieren und eben auch zu berücksichtigen, dass Männer durchaus auch andere Aspekte der Sexualität mögen, kann bereits helfen, entspannter an die Sache heranzugehen..

    • tststs sagt:

      Die „Männersicht“ wurde letztes Mal behandelt…
      „Männer werden mit ihren Problemen alleine gelassen und wenn sie sich (hilflos) darum kümmern, dann kommt der Vorwurf, sie ignorierten die Bedürfnisse der Frau.“ Ich verstehe natürlich Ihre Argumentation, aber man könnte es auch mal so betrachten: Wenn der Mann in einer EP-Situation sich eben gerade auf die Partnerin und nicht auf sein Problem fokussieren würde/könnte, dann wäre das Problem evtl wie… weggeblasen 😉

  • Reincarnation of XY sagt:

    30% aller Männer und Frauen betroffen… das Echo überaus gering.

    So wird es nie besser … selber schuld

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