Dummheit ist auch eine Haltung

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Sie grinsen dümmlich als kämen sie eben von einer Gehirnwäsche. Er,  Mittvierziger und Typ Architekt, fragt Dinge wie: «Habe ich genug Geld für ein neues Motorrad?» Sie, Typ Dentalhygienikerin Mitte dreissig, will wissen: «Kann ich mir eine neue Handtasche gönnen?» Es gibt auch Sujets mit ihr und ihm zusammen: «Passt ein Familienauto in unser Budget?» Aufgemacht ist das Ganze mit brombeerfarbenen Grafikelementen des Grauens, die darauf hindeuten, dass Gehirnwäsche bei den Verantwortlichen für diese Kampagne äusserst beliebt sein muss.

Verantwortlich für die ubiquitäre Beleidigung des guten Geschmacks ist die Bank-now, eine Tochterfirm der Credit Suisse, die damit Konsumkredite bewirbt. Der Kampagnenclaim lautet «Es gibt immer eine Lösung» und dies sei, so heisst es bei Contexta, der verantwortlichen Agentur, nicht nur eine Werbeidee, sondern eine Haltung.

Gut zu wissen. Ich frage mich nur, Lösung für was genau? Genderklischees zu zelebrieren vielleicht? Konsumjunkies in den Ruin zu treiben? Voll crazy den Diem zu carpen, sich selbst zu sein und am Schluss feststellen, dass andere für einen bezahlen müssen? Werbung hatte noch nie die Aufgabe, der Intelligenz ihrer Adressaten zu schmeicheln. Aber sie sollte wenigstens funktionieren. Ob das hier der Fall ist, ist mehr als zweifelhaft. Denn abgesehen davon, dass die Frau davon labert, sich ein neues Täschchen zu «gönnen», während er sich nüchtern fragt, ob «das Geld für ein neues Motorrad reicht», ist diese Kampagne ja auch ein bisschen pervers. Über die persönliche Kaufkraft Auskunft zu geben ist ja heute intimer, als die bevorzugten Sexualpraktiken preiszugeben, nicht zuletzt deshalb präsentieren sich die Protagonisten als würdelose Idioten. Und wer identifiziert sich schon gern mit sowas?

Mich erinnert das irgendwie an die Lightmarke «Du darfst» – deren Kampagnen ja auch zu den Sternstunden der Werbung gehören. «Ich will so bleiben, wie ich bin – du darfst!» lautete deren Slogan in den Achtzigerjahren. Analog sollte die Bank-now-Werbung umgetextet werden: «Ich will blöd bleiben, weil ichs bin – du darfst!»


Soeben erreicht uns die Meldung, dass folgende Facebook-Gruppe zum Thema gegründet wurde: https://www.facebook.com/denkjetzt

Bild oben: Ausriss eines Plakats der Contexta-Kampagne für Credit-now.

83 Kommentare zu «Dummheit ist auch eine Haltung»

  • Robert Herz sagt:

    Das nenne ich ganz schlicht „zielgruppenorientiert“.

  • michael sagt:

    die werbung hat ihren zweck erreicht, man spricht über sie und es gibt sogar eine fb gruppe dazu. um das zu erreichen ist den werbe textern alles egal, es muss nur in den allg grenzen bleiben.

  • Sparter sagt:

    Wo ist nun die sachliche Kritik an der Werbung? Ausser, dass die Autorin offenbar in ihrer Empfindlichkeit verletzt wurde?
    Werbung muss ja nicht jeder und jedem gefallen, aber einfach „würdelose Idioten“ zu posaunen ist nun wirklich billig.
    Die Botschaft der Werbung ist simpel: Mach dir keine Sorgen um Geld. Gönne dir jetzt, was du begehrst – ob es eine grössere oder kleinere investition ist.
    Davon kann man nun halten, was man will, aber das ist das Geschäft eines Kreditverleihers.

  • J. Börlin sagt:

    Man kann dem Diem ja auch ohne Handtasche oder neues Motorrad ganz crazy carpen, oder etwa nicht? Mit etwas erfinderischer Fantasie carpt es sich jedenfalls ausgezeichnet. :))

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