Fegefeuer der Gewöhnlichkeiten

bm

Von François de La Rochefoucauld stammen die Worte «Unsere Tugenden sind nichts als verkleidete Laster». Was aber, wenn das Laster banal wird? Lance Armstrong zum Beispiel hat Doping endgültig spiessig aussehen lassen. Nachdem Herr A. bei Oprah alles gestanden und niemanden überrascht hat, und dann, wenig später, befeuert durch den Fall Pistorius, die Dopingdiskussion nun auch am Image der paralympischen Bewegung mehr und mehr zu nagen begann, scheint Doping endgültig eine Sünde geworden, die nichts mehr taugt. Und nicht die einzige. Nach der Tugend hat unsere herrlich beschleunigte Gegenwart auch das Laster in Verruf gebracht. Oder, in den Worten des Aphoristikers Nicolás Gómez Dávila: «Die Perversionen sind zu Vorstadtparks geworden, in denen die Menge sich vertraut bewegt.» Die Aussicht aufs Fegefeuer scheint in unserer überreizten, sündenstolzen Wellness-Gesellschaft zu einem der letzten Adrenalinerlebnisse geworden zu sein, und heute ist an der Hölle höchstens noch furchterregend, dass man dort Prinzessin Margaret über den Weg laufen könnte. Hier kommen für Sie noch ein paar weitere Laster, die in ihrer Sündhaftigkeit längst diskreditiert sind:

  1. Jähzorn

    Dafür gibts nun schon lange mehr keinen Platz ganz oben auf Satans Gästeliste. Das haben uns Naomi Campbell, Ernst August von Hannover und Russell Crowe vermasselt.

  2. Völlerei

    Die Neigung zu einem ausschweifenden und masslosen Leben scheint in unserer politisch korrekten Wellness-Gesellschaft verpönt, aber in Wahrheit haben sich deren Suchtpotentiale nur auf sämtliche Wellness-Gebiete ausgedehnt: Diäten, Konsum und plastische Chirurgie sind heute als Exzesse so weit verbreitet wie mexikanische Schmerzmittel aus dem Internet. Das ist ein bisschen traurig.

  3. Schamlosigkeit

    heisst jetzt «Medienkompetenz»

  4. Missgunst

    heisst jetzt «Gerechtigkeitsdrang»

  5. Liederlichkeit

    Leute, die wild herumschlafen, hiessen früher Flittchen; heute nennt man sie Stars oder Superstars. Oder Dingsbumsens Next Topmodel. Oder wie auch immer.

Bild oben: Naomi Campbell umarmt Stefano Gabbana an einer Party zu ihrem 25-jährigen Laufstegjubiläum, am 26. September 2010 in Mailand.

10 Kommentare zu «Fegefeuer der Gewöhnlichkeiten»

  • lia sagt:

    woher kommt eigentlich die Fixierung auf mexikanische Schmerzmittel – siehe auch Muttertagsbeitrag?

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