Wer ist hier die Frau?

So. Wir haben, meine Damen und Herren, an dieser Stelle bereits gelegentlich die Diskussion über die Homo-Ehe vorangetrieben. Vielleicht also ist jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen, auf ein gesellschaftliches Phänomen hinzuweisen, was genauso lange existiert wie die gleichgeschlechtliche Paarbildung, jedoch im Gegensatz zur gleichgeschlechtlichen Ehe (same-sex marriage) erstaunlicherweise noch nie Legitimierungs- und Legalisierungsprobleme hatte, nämlich: die quasi-gleichgeschlechtliche Ehe (samish-sex marriage). Was es mit diesem Phänomen auf sich hat, bedarf eigentlich gar keiner weiteren Erläuterung, denn wohl jeder von uns kennt solche Paare: Paare, bei denen der Mann eigentlich die Frau ist und / oder die Frau eigentlich der Mann.
In meinem überfüllten Bekanntenkreis befindet sich zum Beispiel ein psychisch labiler Psychotherapeut, nennen wir ihn, völlig fiktiv, Siegfried. Siegfried spielt gern nur so für sich Bob-Dylan-Songs auf seiner Gitarre, steht zu seinen Gefühlen, scheut sich nicht, auch mal zu weinen, weil alles manchmal so furchtbar ist, und hat im übrigen eine Vorliebe für bunte, süsse Cocktails mit Zuckerrand und Schirmchen. Na und, werden Sie nun denken, was soll’s, ein in die Jahre gekommenes Gründungsmitglied der Alternativen Liste, nichts Besonderes, von den Cocktails vielleicht abgesehen. Und Sie haben vollkommen Recht. Siegfried ist, als Typ, gar nicht mal so selten. Übrigens ist er zu allem Überfluss auch noch mit einer dragonerhaften Matrone namens Theres verheiratet, die von Beruf Logopädin ist und gerne bunte Wollschals trägt und Annie Lennox hört, nach deren Vorbild (1983) sie auch ihre Haare schneiden lässt.
Paare in der Art von Theres und Siegfried sind, wie gesagt, gar nicht mal so selten, besonders im akademischen Milieu, wo man ein eher gebrochenes Verhältnis zu Geschlechterrollen pflegt. Aber die Frage ist doch: Wo steckt hier eigentlich der Geschlechterunterschied? Oder, anders gefragt: Drückt nicht Theres, die übrigens weiss, wie man einen Ölfilter wechselt, durch ihre Wahl von Siegfried zum Gatten auf eine ziemlich unbeholfene Weise ihr latentes Verlangen aus, mit einer Frau verheiratet zu sein? Und signalisiert nicht Siegfried, indem er die burschikose und ölfilterwechselnde Theres an seiner Seite präferiert, der Gesellschaft, dass es ihm im Grunde nichts ausmachen würde, mit einem Mann verheiratet zu sein? Und sind Theres und Siegfried insofern nicht, vielleicht, ein kleines bisschen quasi- oder de-facto-homo (functionally gay)?
Raststätte auf dem Weg nach Gaytown?
Für den unvoreingenommenen Betrachter jedenfalls sieht so eine Samish-Sex-Verbindung verdächtig nach einer Zwischenstation aus, nach einer blossen Raststätte auf dem Weg nach Gaytown, und aus Gaytown kommen bekanntlich die wenigsten zurück. Für eine gewisse Gruppe von Personen scheint es irgendwie ziemlich vom Zufall (oder höchstens noch von überkommenen Konventionen) abzuhängen, mit welchem Geschlecht sie sich zusammentun. Nehmen Sie Thomas und Thea Gottschalk, seit über 35 Jahren verheiratet, und wenn man in ihre Kleiderschränke schaute, wüsste man immer noch nicht, wer die Frau ist! Ein klarer Fall von einem Samish-Sex Couple. Häufige Samish-Sex-Gattinen sind auch Politikerinnen, weil die im Dienste der Karriere regelmässig ihre männlichen Anteile aktivieren müssen: Neben Gabi Huber wirkt jeder Mann feminin. Auch wenn er nicht Moritz Leuenberger ist.
Obschon es ja im Grunde den fliessenden Übergang zum Homotum markiert, ist jedoch das Samish-Sex-Modell noch nie von Homo-Aktivisten als Argument für die Same-Sex-Ehe zitiert worden. Und das ist auch kein Wunder. Denn der Samish-Sex-Verbindung fehlen die entscheidenden Vorteile der reinen gleichgeschlechtlichen Verbindung (das sind allerdings, ich gebe es zu, jene Vorteile, die ebenfalls nie von Homo-Aktivisten angeführt werden): Zuallererst die Verdopplung der Garderobe. Dann der Umstand, dass man sich besser mit seinem Partner über seine Gebresten austauschen kann, weil man den gleichen Körper hat. Oder dass bei ungefähr gleichem Alter (der gleiche Lebenswandel stellt sich nach einigen Jahren meist sowieso von selbst ein) ganz gute Aussichten darauf bestehen, dass man dann später im Homo-Altersheim ungefähr zur gleichen Zeit das Zeitliche segnet, d. h. es bleibt nicht ein Partner, wie bei heterosexuellen Rentnern, noch zehn Jahre lang übrig (falls sich der voraussichtlich Übrigbleibende, wie bei heterosexuellen Rentnern, darauf freuen sollte, ist diese Aussicht natürlich nicht unbedingt ein Vorteil).
Schon eher wäre eventuell damit zu rechnen, dass der Vatikan eines Tages seine Einwände gegen Homo-Ehen auf Quasi-Homo-Ehen ausdehnt, denn wenn man argumentiert, dass Gott etwas ganz Spezifisches im Sinne hatte, als er Mann und Weib erschuf, dann wollte Gott wohl kaum Verbindungen, in denen man Mann und Weib gar nicht so richtig voneinander unterscheiden kann. Aber was soll’s. Gott kann auch kaum gewollt haben, dass die Vatikanbank mit dem Ruch der Geldwäsche befleckt wird. Oder dass Eugen Drewermann diese Pullover trägt. Und damit wollte ich eigentlich schliessen. Aber dann ist noch was dazwischengekommen. Neulich habe ich in der deutschen «Tageszeitung» gelesen, dass gerade die unsicheren, weichen Männer zur Homophobie neigten, und wenngleich ich dieser These grundsätzlich überhaupt nicht zustimme, so bringt mich das nun doch auf einen kleinen weichen Mann: Christophe Darbellay. Die Partei nämlich, deren Präsidentchen Herr Darbellay ist, also die CVP, also die sogenannte «Christlichdemokratische Volkspartei», die bei den letzten Nationalratswahlen in unserer schönen Schweiz einen Stimmenanteil von gut 12 Prozent realisierte, hat kürzlich genug Unterschriften gesammelt für eine Initiative, die die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen will. Also die steuerliche Benachteiligung verheirateter Paare gegenüber unverheirateten. Ein löbliches Unterfangen. Bin ich voll dafür. Auch die sogenannte eingetragene Partnerschaft leidet unter der Heiratsstrafe. Das Miese ist nur, dass die CVP bei dieser Gelegenheit hintertückischerweise gleich die Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in unserer schönen Bundesverfassung verankern möchte. Besagte CVP-Initiative trägt den irreführenden Titel «Für Ehe und Familie». Zutreffender sollte sie heissen: «Für Ausgrenzung und Diskriminierung». Und dabei fiel mir dann wieder ein, dass der kleine, weiche Herr Darbellay so vor einem Jahr gerade dadurch aufgefallen war, dass er, nachdem die Rechtskommission des Ständerates ohne Gegenstimme beschlossen hatte, dass auch homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen sollen, zu Protokoll gab, er, Christophe Darbellay, sehe nicht ein, warum man das gestatten wolle. Denn: Kokain würde schliesslich auch nicht legalisiert, nur weil es Kokainkonsumenten gebe.
Barack Obama, ein Befürworter der Homo-Ehe, hat gerade eine zweite Amtszeit gewonnen. In Frankreich wird die Homo-Verpartnerung aufgewertet zur Homo-Ehe mit Adoptionsrecht. Und nun quakt wieder Herr Darbellay dazwischen. Deshalb jetzt hier, für Sie, Herr Darbellay: No friggin’ way. Sie werden unsere schöne Bundesverfassung nicht durch hinterwäldlerischen, reaktionären Unfug besudeln. Wir sind hier in der Schweiz, einer Bastion der Liberalität, einer Festung der Freiheit, und die werden so kleine, weiche Männer wie Sie nicht schleifen. Dazu sind Sie zu klein. Und zu weich. Shame on you. Shame on you.
Das gilt auch für den Stadtzürcher Gemeinderat Markus Hungerbühler, schwul und CVP-Parteipräsident unserer schönen Limmatstadt, der auf diesem Portal zu der ganzen Angelegenheit wie folgt zitiert wird: «Da wird wieder etwas künstlich hochgekocht. Für das Ziel einer gleichgeschlechtlichen Ehe wird man diesen Satz auch wieder ändern können.»
Well, bullcrap. And shame on you.
Im Bild oben: Das Ehepaar Gopnik aus dem Film «A Serious Man». (Foto: Focus Features)
29 Kommentare zu «Wer ist hier die Frau?»
Eigentlich im oberen Teil ein origineller, feinfühliger Kommentar zu gut beobachteten gesellschaftlichen Phänomenen, mit dem ich weitgehend übereinstimme. Als dann aber Worte wie besudeln, friggin, bullcrap und dreimal shame auftauchen, weiche ich innerlich zurück und denke, dem Mann trau ich nicht. Es fehlt mir das Augenzwinkern, das Offenlassen eines Auswegs, bei dem jeder sein Gesicht wahren kann, der Humor. Der schreibt nicht über eine Situation und lächelt, sondern er steht mittendrin und leidet. Armer Kerl. Vielleicht hatte er aber am Schluss auch nur einen schlechten Tag?
Herr Tingler übersieht, dass es bereits ein Minarettverbot in der Verfassung hat, das die Religionsfreiheit einschränkt. Da wird noch mehr dazu kommen…