Die Breitcordhose des Herrn M.

Zuerst noch ein Nachtrag zu letzter Woche, meine Damen und Herren, nämlich zur Telefon-Etikette: Falls Sie feststellen, dass eine Nummer angerufen hat, die Ihnen nicht unmittelbar bekannt vorkommt, und keine Nachricht hinterlassen wurde, sind Sie selbstverständlich nicht verpflichtet, zurückzurufen. So.
Und nun zu einer anderen Sache der letzten Woche: Da habe ich ja geschrieben: «Ich finde es gut und richtig, Sachen lange zu tragen.» Was nun nicht heissen soll, dass es per se okay wäre, immer das Gleiche anzuhaben. Oder gar dasselbe. Auch dieser Frage haben wir uns schon mal gewidmet, anlässlich der unnachahmlichen Uta Ranke-Heinemann und ihres türkisfarbenen Lederkostüms. Eine Rüstung, ein Markenzeichen. Und ich schrieb damals (heute zitiere ich mich ausführlich selbst, was mir viel Freude macht): «Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, meine Damen und Herren, aber ich finde das erfrischend. Ich finde es grossartig und famos, dass in unseren überstilisierten Zeiten jemand beharrlich ein Garderobenkonzept an den Tag legt, das wir sonst nur noch von Cartoonfiguren und Diktatoren kennen und das vielen selbsternannten Geschmackexperten und Internetdandies ganz furchtbar vorkommt: immer dasselbe anzuhaben. Oder das Gleiche, wie Sie wollen.»
Und nun das Aber. Oder, wie Lisle von Rhoman sagen würde: Now a warning: Das alles bedeutet tragischerweise mal wieder überhaupt nicht, dass jeder damit durchkäme. Ja, es ist furchtbar ungerecht. Wir waren seinerzeit auch noch auf eine andere Einsicht gestossen, die Einsicht nämlich, dass bei Fragen der Mode die Persönlichkeit alles ist. Sofern man eine hat. Wie Frau Ranke-Heinemann. Namentlich problematisch wird es, wenn Leute immer das gleiche oder dasselbe vollkommen belanglose Kleidungsstück tragen. Sehr hoch ist das Belanglosigkeitsrisiko bei Cordhosen. Die Sache ist eine Gratwanderung, eine feine Linie – beziehungsweise, im Falle von Breitcordhosen, gar nicht mehr so fein.
Damit bin ich angekommen: bei der Breitcordhose des Herrn Muschg. Bundfaltenbreitcordhose, um genau zu sein. Ich bin also beim Zahnarzt, greife dort nach der «Weltwoche», um zu sehen, welchen Ideen sich Philipp Gut diese Woche hingibt, und stosse im Inhaltsverzeichnis auf ein Bild des Schriftstellers Adolf Muschg, der der «Weltwoche» offenbar ein Interview gab. Ich habe es für Sie fotografiert. Nicht das Interview, das Bild. Der Herr auf dem Bild dürfte für sich reklamieren, für Mode kein grosses Interesse zu zeigen. Das nennt man inversen Snobismus und dieser wiederum ist eine weitverbreitete Einstellung bei Schriftstellern. Und ändert nichts an folgendem Umstand: Sehr hoch ist das Biederkeitsrisiko bei Bundfaltenbreitcordhosen. Besonders wenn man sie wieder und wieder und wieder anzieht. Das macht die nun auch nicht zum Klassiker oder sowas. Das ist einfach nur fies. Nennen Sie mich oberflächlich, meine Damen und Herren, aber jemand, der andauernd hellbraune Breitcordhosen mit Bundfalten trägt, kann die Welt als Schriftsteller nicht unbedingt bereichern. God bless us all and Adolf Muschg.
Im Bild oben: Herr M. und seine Breitcordhose in der «Weltwoche».
18 Kommentare zu «Die Breitcordhose des Herrn M.»
künstler, intellektuelle, pädagogen und andere sozis kümmert es wenig, wie sie rumlaufen, da sie sich, wie muschg, in anderen welten und höheren sphären bewegen. wahrscheinlich realisieren sie gar nicht, ob- und -was sie morgens (was) anziehen. glücklicherweise ist diese randgruppe nicht relevant für die „normalen“ menschen, welche sich mit den alltäglichen widrigkeiten herumschlagen müssen und für ihr geld auch richtig was arbeiten. wobei cosmopolitische schriftsteller meist stilvoll gekleidet sind. böse, aber wahr -> je linker, je nachlässiger; liegt ja in der natur der sache, scheinbar.
Herr Rittermann , ich beneiden Sie um Ihre Fähigkeit zur grenzenlosen Vereinfachung! Wobei , eine ganz kleine Prise Intellektualtät würden Sie gefahrlos ertragen ohne das Sie vom Rechten zum Linken mutieren könnten.
aufrichtigen dank, herr meier! aber nein danke, ich bin sehr gerne so einfach wie ich bin.
Schlipsträger, Anzugsfetischisten, Bänkster und andere Mammonverehrer kümmert es zu viel, wie sie rumlaufen, da sie sich, wie Rittermann, in Glaspalästen und Teppichetagen bewegen. Des Kaisers neue Kleider sind für sie allmorgendlicher Kick, sich perfekt anzuziehen. Leider ist diese Randgruppe relevant für die „normalen“ Menschen, welche sich mit den alltäglichen Widrigkeiten herumschlagen müssen und tatsächlich arbeiten, als Büezer, Ingenieur oder Handwerker. Sie machen es einem schwer, Herr Rittermann, keine Satire zu schreiben (und radikale Kleinschreibung ist sooo 1968).
Cordhose hin oder her, Herr Muschg ist ein bekannter Schriftsteller. Dass sich jemand am Bild festkrallt, statt das Interview zu lesen, sagt ja schon alles. Und sich dabei dem Schriftsteller noch überlegen fühlt.
ist bekannt sein per se schon was positives? ich denke, nicht.
Naja, auch dieser Artikel hat die Welt wohl nicht gerade bereichert. Trotzdem verdienen Sie damit Ihren Lebensunterhalt, also was solls. Wurden Sie den auch schon von der Weltwoche zum Interviewtermin gebeten? Was ein Schriftsteller für Kleider trägt ist in etwa so relevant wie was ein Gehirnchirurg für einen Wagen fährt. Von mir aus kann er auch mit dem Tram oder dem Velo ins Spital radeln, solange er die OP nicht verkackt. Does this make sense?
@ amann – darum geht es doch nicht. Herr Tingler produziert mehr oder weniger interessante Artikel, sie lesen es und antworten. DAS ist es worum es geht. Dann sehen Sie nebenbei auf der Homepage vielleicht noch ein nettes Angebot für eine Ferienreise, buchen es und schon freuen sich alle.
Was würden Sie denn zu den gelben Hosen von Frank A. Meyer sagen, oder wenn, Gott behüte, Karli Lagerfeld 40 Jahre lang Cordhosen trüge ? Vielleicht hat Muschg ja einen visuellen Gendefekt oder ein chronisches optisches Aufmerksamkeitsdefizit, aber davon auf seine literarischen Qualitäten zu schliessen, halte ich für ziemlich vermessen. Immerhin, „Im Sommer des Hasen“ ist nicht so schlecht, aber lange her. Gelesen ?
Lagerfeld trägt seit 80 Jahren Rossschwanz und Sonnenbrille. Auch nicht gerade brilliant. Aber zum Artikel: Ich mag Männer in Breitcordhosen…. besser als die peinlichen Röhrlijeans allemal.
Einige Leser meinen Herrn Tingler der Oberflächlichkeit bezichtigen zu müssen. Nichts ist falscher. Es ist nun einmal so: Wer schlampig daherkommt, ist meist auch innerlich nicht aufgeräumt. Und nein, Sil und Klasse haben nichts mit Geld zu tun. Auf jeden Fall gilt aber immer noch das Bonmot (geklaut von Stefan Zweig): „Schönes zieht schönes an.“
Ähnliches («Wer schlampig daherkommt, ist meist auch innerlich nicht aufgeräumt») meinte ich auch lange Zeit Leuten zuschreiben zu müssen, welche Interpunktion, Orthographie oder Grammatik nicht beherrschen. Ist aber eben doch ziemlich oberfächlich …
Innerlich aufgeräumt tönt für mich ziemlich unkreativ.