Sorry, feminists!

Als Feministin darf man nicht zimperlich sein. Wobei es keine Rolle spielt, ob man sich diese Bezeichnung auf die Fahnen schreibt oder darauf verzichtet: Wer öffentlich über Geschlechterverhältnisse nachdenkt, muss damit rechnen, als Projektionsfläche für Ressentiments zu dienen, öffentlich angegriffen und beschimpft zu werden – nicht nur von Männern, auch von Frauen und manchmal von anderen Feministinnen, wenn sie die reine Lehre über Sexismus, weibliche Identität oder Politik in Gefahr sehen.
Das geht zunächst mal in Ordnung. Wer sich exponiert, muss eine gewisse Lust zum Disput mitbringen und sollte sich nicht von jeder Böe umpusten lassen – das gilt für Frauen genau so wie für Männer. Was mich jedoch unsäglich anödet, sind die ewiggleichen Attribute, mit denen Feministinnen diffamiert werden: hässlich, kalt, unnatürlich, machtgeil und unweiblich. Oder, um alles in ein Wort zu fassen: «alternd».
Manchmal scheint es mir, als vibrierten wir noch immer unter den Schockwellen, welche die Frauenbewegung mit ihrer Forderung nach Gleichstellung ausgelöst hat. Traumatisiert wiederholen wir immer dieselben alten Klischees über den Feminismus. Nämlich dass Feministinnen vergrämt und lustfeindlich seien, dass sie etwas gegen Sex und gegen Männer haben und nur ideologisch denken können.
Das grösste Missverständnis dabei ist: Der Feminismus ist keine einheitliche Ideologie. Feministinnen sind nicht alle gleich, und Frauen sind nicht von Natur aus solidarisch. Sie können sich im Gegenteil ganz schön auf den Zehen rumtrampeln, das sollte inzwischen allgemein bekannt sein.
Und wo finden wir eine Kur gegen dieses Missverständnis? Im Internet, auf Twitter, um genau zu sein. Dort macht seit Kurzem ein Mem die Runde, genannt «sorryfeminists». Begonnen hatte es mit dem Tweet der Journalistin Deborah Needleman, welche über die streitbare Kolumnistin Kathy Ropie twitterte:
«Kathy Ropie ist sexy, smart und keck (sorry, feminists) (…)»
«Sorry, feminists» impliziert, dass Feministinnen vielleicht etwas dagegen haben könnten, dass eine Frau als sexy bezeichnet wird. Oder vielleicht versuchte Needleman auch bloss, ein Klischee ad Absurdum zu treiben. Twitter jedenfalls hat den Hashtag freudig aufgegriffen und listet unter #sorryfeminists alles auf, was man Feministinnen gern unterstellt. Ein paar Beispiele:
Dressing my cat up as a pumpkin for Halloween because I don’t have kids yet. #sorryfeminists
Trying to think of a #sorryfeminists tweet. I’m sure I have lots to be sorry for. Like shopping. #sorryfeminists #sorrysocialists
I hate the week of my menstruations. #sorryfeminists
Hah, my fave Eminem song. I can rap every damn word. #sorryfeminists RT @DLin70 @amelapay That’s misogytainment!
If you’ll excuse me, I must head back to my binder now. #sorryfeminists
P.S. I’d still bone you and make you breakfast every morning… for the rest of my life. @REALStaceyDash #sorryfeminists
Feministinnen griffen den Hashtag jubelnd auf und begannen sich ironisch für alles Mögliche zu entschuldigen, was dem Feministinnen-Klischee widerspricht. Andere verstanden die Ironie nicht und witterten darin ein Troll-Phänomen, um Frauen zu diskreditieren. Ich persönlich finde den Hashtag super, weil er erstens zeigt, dass es DEN Feminismus als einheitliche Ideologie nicht gibt, weshalb auch die immer gleichen Unterstellungen an die Adresse der Feministinnen ins Leere zielen. Zweitens weiss ich die kathartische Wirkung solcher Meme zu schätzen, zumal ich selber eine ganze Wagenladung von Sorryfeminist-Tweets abzugeben wüsste, z. B. höre ich zuweilen gerne Hip Hop von der eher expliziten Sorte (sorryfeminists), und gewisse Schwestern im Geiste können mir mit ihrem Dogma der reinen Lehre ganz schön auf die Eier (sic!) gehen (sorryfeminists). Drittens und vielleicht am Wichtigsten ist, das Selbstironie jeder unter Ideologieverdacht stehenden Bewegung nur gut tun kann. Denn sie regt zum Denken an.
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20 Kommentare zu «Sorry, feminists!»
Feministinnen sind so lange nicht ernst zu nehmen, wie sie sich noch nicht aus dem gattungsmässigen zum individuellen Sein herauf gearbeitet haben.
Dieser Satz ist schön praktisch: Man kann das Wort „Feministinnen“ mit allen anderen mehr oder weniger ideologischen Begriffen (z.B. Kommunistinnen, Anarchisten, Faschisten, Oligarchen, Kapitalstinnen, Patriarchen, Pazifisten etc. – die Liste ist endlos) ersetzen, und die Aussage funktioniert immer.
FeministInnen (es gibt auch Männer die sich so bezeichnen !) haben sich (glücklicherweise) unbeliebt gemacht haben indem sie die Gleichstellungsfrage für sich beanspruchen. Alleine schon der Name ist dabei ein wiederspruch.
„Feministinnen sind nicht alle gleich, und Frauen sind nicht von Natur aus solidarisch.“
Eine Ausrede und eine Fehlinformation. 1. Wenn Feminist nicht sauber definiert ist, wieso trägt jemand dann den Titel? Ganz einfach : Als Gruppe etwas fordern und bei Rückfragen die Gruppe leugnen. 2. Frauen sind unter sich (!) von Natur aus solidarisch ( google:’own group preference‘).
Hey „Mensch“, das ist totaler Quatsch! Natürlich sind nicht alle Feministen gleich, sondern gibt es verschiedene Strömungen. Wenn mehrere Menschen eine gleiche Idee unter einem gleichen Begriff vertreten, heisst das noch lange nicht, dass sie alle gleich denken. Die Idee war und ist der Kampf für die Emanzipation der Frau, also ihre soziale und politische Gleichstellung. Und natürlich gibt es verschiedene vorstellbare Wege, sich auf dieses Ziel hinzubewegen, über die man sich oft nicht einig ist und über die man verhandelt.
Das gilt für alle politischen, sozialen und kulturellen Bewegungen, bis hin zu Religionen. Daher sind auch weder alle Sozialisten, noch alle Liberalen, noch alle Muslime, noch alle Romantiker gleich. So gibt es zum Beispiel einen sozialistischen Feminismus und einen liberalen Feminismus. Es gibt FeministInnen, welche gegen Pornos, Prostitution etc. sind und es gibt sogenannte sexpositive FeministInnen.
Öffne deine Scheuklappen und eine neue Welt erwartet dich!
Alles Schnee von gestern, sorry, feminist: Dass es -den- Feminismus nicht geben soll, ist ein ganz schlaues, dialektisches Zaubertricklein: Hinter dieser Aussage kann man sich schliesslich bei missliebiger Kritik auch ganz gut verstecken. Im Notfall zaubert man einfach 99 Variationen von eben -diesem- Feminismus aus dem genderpolitisierten Hut- und sämtliche Kritik an -dem- Feminismus verpufft augenblicklich völlig wirkungslos, denn, wie gesagt: -Den- Feminismus gibt’s ja gar nicht, Mann..!! Sehr wohl geben tut es hingegen eine Männerrrechts- um!-Bewegung. Und die ist natürlich völlig homogen.
Lieber Herr Zufferey, ich fürchte ich verstehe nicht genau, was Sie mit ihrem Kommentar sagen wollen.
Ich setze mich sehr für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. Zurzeit arbeite ich daran, dass die Frauen endlich auch verpflichtet werden, Militärdienst zu leisten. Ich finde es eine regelrechte Schande, dass nur die Männer von diesem Privileg profitieren können.
Wenn, dann richtig.
Dieses Privileg zu haben, hat aber viele Männer sehr, sehr lange nicht gestört, im Gegenteil. Wird nun da für Chancengleichheit plädiert, weil das Militär vielleicht doch nicht so lustig ist? Wäre es in dem Fall nicht besser, sich dafür einzusetzen, das Militär eine Berufs- oder Freiwilligenarmee umzuwandeln? In die Männer und Frauen eintreten können, wenn sie das möchten? So wie Sie schreiben, habe ich den Eindruck, dass weil gewisse Leute unter dem Militär leiden, es am besten wäre, wenn andere auch litten.
Wie definiert man denn jetzt eigentlich „Feminismus“?
Gibt´s da endlich mal was, das „verhebbt“, oder kann immer noch jede alles drunter postulieren?
Lesen was Michèle geschrieben hat, ja Gabriel? Es gibt DEN Feminismus einfach nicht, weil wir halt nach weiblichem Gutdünken und chaotischen Zielvorgaben durch die Welt segeln (sorry, feminists!). Ist ja nicht sooo schwer zu Begreifen…auch nicht für Sie oder? Einig sind sich Feministinnen eigentlich nur, dass DER Feminsimus nicht dauernd in Frage gestellt werden sollte. Er existiert einfach und fühlt sich sauwohl dabei, jawohl!
Michèle, you made my day! :-))))