Eine Blamage für die Einheimischen

Ein Geheimtipp, dort wo es angeblich richtig hässlich sein soll. Das sagen zumindest die Winterthurer – und sie liegen falsch.

Triumph! Heute kommt eine aus der Agglo und gibt den auf der Redaktion ziemlich zahlreichen Gourmets aus Winterthur einen Tipp, wo sie in ihrer eigenen Stadt essen gehen sollten. Diese Geschichte beginnt in der Kantine jenes Unternehmens, das auch den Tagi herausgibt. Und sie aus der Agglo sitzt mitten in einem Nest von Winterthurerinnen und Winterthurern und fragt schüchtern, wo sie denn so in ihrer schönen Stadt auswärts essen gehen.

Es geht ein Fachsimpeln los: Dort ist das Fleisch gut, da die Pizzas, bis sie aus der Agglo einwirft: «Und das Sonneck?» Schlagartig still. Dann: «Das Sonneck? Wo soll denn das sein?» – «An der Römerstrasse in Oberwinterthur.» Oberwinterthur, so macht man ihr dann klar, sei nicht richtig Winterthur. Und diese Römerstrasse sei richtig hässlich, so agglomässig.

Stimmt alles nicht, was die Einheimischen gesagt haben: «Oberi» ist das eigentliche Winterthur, Urwinterthur, denn sein Kirchhügel bildete einst den Kern der römischen Siedlung Vitudurum, die der Stadt den Namen gab. Und Oberwinterthur ist richtig hübsch – wenigstens dort, wo das Sonneck steht: ein intakter Dorfkern mit Kopfsteinpflaster, Fachwerkhäuser, ein schöner Dorfbrunnen aus dem Jahr 1833. Und kaum Verkehr. Seit 1922 gehört Oberi offiziell zu Winterthur – als dessen Kreis 2.

Auf das Sonneck gestossen ist sie aus der Agglo wegen ihres Ehemannes, der geschäftlich im Technorama zu tun hatte und ins Sonneck zum Geschäftsessen ausgeführt wurde. Es gab damals das Überraschungsmenü, bei dem der Gast einfach angibt, was er nicht gerne isst. Bei ihm waren das Salatgurken und Polenta. (Wie kann man Polenta nicht mögen!) Und abends sagte er zur Gattin: «Das wäre etwas für das ‹A point›.» Und da wären wir also.

Der Gastraum ist angenehm beleuchtet und heimelig ausgestattet. Vorne Holz für die Stammgäste, die sich hier nach dem Vereinsanlass zum Schlummertrunk treffen, hinten weisse Tischtücher für das Tafeln. Die Menükarte ist klein, das Angebot saisonal, und als Gruss aus der Küche kommt eine kleine Portion Penne mit guter Tomatensauce. Das Thunfischcarpaccio (18.50 Fr.) ist nicht zu kalt, aber sehr frisch, das Auberginen-Tatar (18 Fr.) gut gewürzt mit etwas viel Sauce. In der Weinkarte stossen wir auf den mehrfach am Grand Prix du Vin Suisse prämierten «Pinot Nr. 1» 2011 vom Strickhof (Produzent Michele Bono). Der Tropfen hat seine Preise – und seinen Preis (78 Fr.) – verdient.

Gut sind auch die Fleischspeisen. Wir haben allerdings auf die Spezialität, ein 350-Gramm-Schweinskotelett, verzichtet. Die Kalbfleischstreifen mit Pilzen und Knöpfli (42.50 Fr.) sind ausnehmend zart, die Rindsfiletstreifen an Cognacsauce mit Gemüsereis (46 Fr.) schmackhaft, die Bedienung aufmerksam. Kurzum: Das Sonneck ist ein Geheimtipp, selbst für Einheimische… der jetzt allerdings nicht mehr ganz so geheim ist.

Sonneck
Römerstr. 159
8404 Winterthur
Website

Die Stadtblog-Kolumnisten sind vom 16. Juli bis am 26. August in den (leicht verlängerten) Sommerferien. Während dieser Zeit erscheint hier ein Best-of von bereits publizierten Blog-Beiträgen.

10 Kommentare zu «Eine Blamage für die Einheimischen»

  • Susanne sagt:

    Ein Winterthurer Agglo-Restaurant mit Züri-City-Preisen? Wie kann man da nur von einem „Geheimtipp“ reden?

  • Muller M. sagt:

    Mit dem Zug fährt man von Zürich durch die Agglo Zürich nach Winterthur,
    das einfach nur Winterthur ist.

  • Marc Zimmer sagt:

    Nein Frau Arnet, das Sonneck ist nun wahrlich kein Geheimtip, sondern sehr etabliert, jedenfalls für WinterthurerInnen. Gut möglich, dass man dieses Wissen aber nicht mit Ihnen teilen wollte, was für mich, beim Lesen des Artikels sehr gut nachvollziehbar ist. Und daher bleibt Ihnen mindestens eine wahre Perle in 8404 weiterhin verborgen. Oberi dankt…

  • Dieter Bosshard sagt:

    Guter Beitrag. Schön zu wissen, dass es in der Nähe meines Wohnort ein solches einfaches, gepflegtes Restaurant mit einer Gartenwirtschaft gibt. Die Adresse habe ich mir gemerkt.

  • Lichtblau sagt:

    Jetzt hat sogar Winterthur eine Agglo? Und ich dachte immer, Winterthur gehöre zu der von Zürich? Aber Ihr „Oberi“ werd ich mir merken. Obwohl das meine Bezeichnung für „Oberiberg“ ist, wohin ja auch nicht wenige Zürcher am Wochenende flüchten.

  • Hans-Jürg sagt:

    Aber Winterthur IST doch Agglo. Aber so was von.

  • Andi sagt:

    Danke für den Tipp, bin auch so ein lokaler Verschmäer. Wenn man grad ums Eck ist empfiehlt sich auch ein Besuch im wunderschön renovierten und unkomplizierten Bahnhöfli.

  • Marcus Ballmer sagt:

    „Wie kann man Polenta nicht mögen!“ – Gegenfrage: wie kann man Polenta mögen?

    • Beppi Hermi sagt:

      Probieren gehr über studieren;-)

    • Maike sagt:

      Bitte keine Grundsatzdiskussion, ob man was mögen muss oder nicht. Einige finden Polenta toll, andere garnicht. Das muss man nicht bewerten. Und kann es auch nicht.

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