Provinz bleibt Provinz

Machen den Stadtclubs keine Konkurrenz: Luca Hänni im Alpenrock.
Für den Stadtzürcher endet der Kanton beim Milchbuck. Hermatswil? Schleinikon? Von einer Ortschaft namens Aesch hat man zwar schon einmal gehört, aber dass es im Kanton Zürich gleich drei Dörfer mit diesem Namen gibt… da staunt der Wiediker und auch der Züribergler wundert sich. Der Städter nimmt den Kantönler nur bei Abstimmungen wahr und dann meistens als «Verhinderer», «Landei» und «Hinterwäldler».
Dabei schielt er jeweils neidisch gen Basel Stadt: «Hach… haben die ein Glück, dass sie sich die Urne nicht mit der Landbevölkerung teilen müssen». Redet man über Clubkultur, dann kennt der Stadtzürcher die Vorgänge in Berlin besser als jene in Winterthur: Le canton de zurich n’existe pas.
Es ist noch gar nicht allzu lange her, dass die kantonalen Nachtlebenmacher ihre städtischen Kollegen das Fürchten lehrten. Bis vor wenigen Jahren war man zwischen Tiefenbrunnen und Bahnhof Altstetten der Meinung, dass die städtischen Clubs durch die rasant anschwellende Konkurrenz auf dem Land in die Bredouille kämen: Nicht nur in der Zürcher Landschaft haben damals die Clubs im Monatstakt eröffnet, sondern auch im Kanton Aargau, dessen junge Bevölkerung einen guten Teil des Publikums in Zürcher Clubs ausmacht. Viele Stadtzürcher Clubbetreiber haben damals dunkle Wolken aufziehen sehen: «Wenn die einen eigenen Club vor der Haustür haben… warum sollten sie dann noch den Weg nach Zürich unter die Räder nehmen?».
Die Sorgenfalten hätten sie sich sparen können, denn so schnell wie das Nachtleben auf dem Land aufgetaucht ist, so plötzlich ist es auch wieder verschwunden. Von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen, konnten sich Clubs mit urbaner Programmierung ausserhalb der grössten und der kantonalen Hauptstädte wie Zürich, Bern oder Basel nirgendwo durchsetzen: Auf dem Land wohnende Ausgeher mit Vorliebe für zeitgenössischen House und Techno haben sich zwar über jede Club-Eröffnung in ihrer Nähe gefreut und dem betreffenden Lokal in den Anfangswochen auch die Ehre erwiesen, sind dann aber nach kurzer Zeit an den Wochenenden wieder nach Basel in den Nordstern oder nach Zürich ins Hive gefahren.
Wer heute an einem Samstagabend über die Stadtgrenzen hinausfährt, um zu gucken, was in Dübi, Effi oder Richti läuft, sollte seine Abneigung gegenüber Shisha Lounges, Pubs und auf Clubmusik machende Hitparadenmucke tunlichst zuhause lassen. Die einzigen Nachtlebenbetriebe, die sich auf dem Land zu etablieren vermochten, sind jene, die gar nicht erst versucht haben auf Stadt zu machen, deren Betreiber sich von Anfang an bewusst waren, dass sie sich an ein Publikum wenden müssen, das nicht in die Stadt fährt, weil es dem dortigen Nightlife nichts abgewinnen kann und dem man ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Programm bieten muss. Im Alpenrock in Dietikon läuft Musik von DJ Antoine, im Pirates in Hinwil setzt man auf Classic Rock, Schlager und 80‘s und im Evita in Wetzikon auf einen musikalischen Kessel Buntes und neuerdings auch auf Shishas.
Die städtischen Clubbetreiber können sich zurücklehnen: Ihre Welt endet wieder am Milchbuck.
Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
22 Kommentare zu «Provinz bleibt Provinz»
Dietikon gehört doch praktisch zur Stadt Züri? Ab Spreitenbach ist eher Agglo.
Le canton de Zurich strahlt auch im Französischen mit grossem Z.
ich war kürzlich ein wochenende lang in Fribourg. da war auch gross ausgang angesagt: im ‚Ancienne Gare‘ fand eine „richtig ländliche party“ statt. vokuhilas und friesen mit mashes wie anno domini; und der sound total querbeet. und siehe da: es war ganz nett! das mühsame ‚möchtegern-cool-sein‘ und allfällige szenenzugehörigkeiten fallen auf dem land halt schneller mal weg. die leute haben spass und gehen ab. ist eigentlich auch sinn und zweck solcher veranstaltungen. etwas weniger ‚posing‘ würde in der (klein)stadt züri oft auch gut tun.
Ich weiss nicht ob man da in besser oder schlechter unterteilen sollte. Es ist einfach anders; die Stadtclubs haben in der Regel ein musikalisch anspruchsvolleres Programm, auf dem Land sind dafür die von Dir angetönten „Coolness-Kasten“ unwichtig. Jeder nach seiner Facon und jedem Tierchen sein Plaisierchen. Eine Unterteilung in gut und schlecht ist viel zu einfach.
Hmmm…so Einschätzungen wie „anspruchsvolleres Programm“ zeugen aber schon von einer gewissen Besserwisserei… oder?
Absolut nicht, nein.
Doch.
Hmmmm, und da sind wir schon mitten in den Grabenkämpfen.
„allfällige szenenzugehörigkeiten fallen auf dem land halt schneller mal weg“ Solange Sie sich irgendwie der „Land-Szene“ zugehörig zeigen! Aber wehe, man geht mit der Mode (nicht um cool zu sein, sondern einfach weil es einem gefällt, genauso wie einigen Leute halt Méches gefallen) und erscheint nicht in der konformen Uniform… Dann ist das mit dem Nicht-nötig-cool-zu-sein ziemlich schnell hinfällig.
Ergo, Standesdünkel gibt es hüben wie drüben; die wenigen Keller-Clubs, die sich wirklich nicht darum scheren, finden sich meiner Erfahrung nach dann eben doch eher in urbanen Gegenden…
Der letzte Keller-Club ohne Standesdünkel war das Gothic in Wollishofen.
Der Rest war oft und Heutzutage; IST Standesdünkel 🙂
Aber irgendwie hat sich das für mich eh erledigt. Es hat (wie Restaurants) eh zuviele Clubs. Weder gibt es soviel gute Musik um jedem Haus die „Einzigartigkeit “ zu geben, noch gibt es genügend Nachteulen um das Angebot wirklich absorbieren zu können.
Hoch spekulativ – bin ja niid vom Metier 🙂
Witzig…. ich stand damals im Gothic an der Tür… von wegen keine Standesdünkel… 🙂 Ich mag mich nicht mehr recht an die Weisungen erinnern, aber wir haben damals schon nicht jeden und jede reingelassen.
Das Gothic? Das war eher eine der härteren Türen in der Stadt.
Muss gleich meine Saucermen CD einlegen …
…und das ist auch gut so! der kanton züri besteht aus 2 hälften. stadt und (nähere) agglo wo die profilneurose regiert-, und der ländliche teil, wo man das hat, was man effektiv braucht.
Wie romantisch. 🙂 Aber die Landbilder von Albert Anker haben bereits eine untergehende Welt gezeigt als sie gemalt wurden. Und wie effektiv braucht man Shishas?
guten morgen ali! 🙂 also ich bezeichne mich eher als nostalgiker denn romantiker. albert anker liegt mir aber doch ziemlich fern. ausserdem hat der christoph da schon alles aufgekauft….!
shishas sind bei der jungen landbevölkerung ein vorübergehender trend -, sobald sie „irgendwie….“ 🙂 erwachsen werden, steigen sie auf „krumme“ um – jawoll!
Reden wir hier immer noch über Illnau-Effretikon oder schon über St. Antönien?
ma ja. also meines erachtens hört die stadt züri jenseits von schwamendingen auf. ich würde den grenzzaun aber bei winterthur aufstellen – so gehen wir sicher, dass wirklich ALLES mit städtischer tendenz draussen bleibt.
Jawohl, fliessend Wasser, en Chnebelschiisi und am Sonntag en Rössli rot im Sterne…
sehen sie, frau ts. genau DAS widerspiegelt die arroganz von euch „möchte-gern-elite-zürchern“. und genau DAS macht euch ja auch im rest der ch soo wahnsinnig…. sympathisch…. – fragen? – keine!
Nana… ich glaube sie hat nur Deine Villiger Krumme um ein paar Beispiele erweitert. 🙂
WOW, wenn ein Ländler einen Spruch fahren lässt, nennt es sich Humor, wenn ein Städter dasselbe tut, ist es Arroganz—
Läck, ich weiss schon, weshalb ich freiwillig in die Stadt geflüchtet bin 😉
Und nei, Hr. Flach, en Villiger und en Rössli sind SICHER nicht dasselbe…so viel Land-Blut habe ich noch in mir… krchkrch
Also Fräulein tststs hat sich mit ihrem „en“ dann wohl gerade als Aargauerin entlarvt…
Janu, lieber Mirco. Manch einer der zwanghaft den Urbanen gibt, stammt ursprünglich aus Wallisellen, Bülach, Hinwil oder gar von „ennet dem Baregg“… Ihr Erkenntnisgewinn haut jetzt niemanden so wirklich vom Hocker….