Kritik am Konzertprogramm in Basel gibt es ja zuhauf: Zu wenig grosse Namen! Zu wenig Publikum! Zu wenig Clubs! Was aber in der ganzen Beschwerdeflut ab und zu untergeht ist die Tatsache, dass es in dieser Stadt auch an Platz für kleinere Bands mangelt. Und damit sind hier für einmal nicht die regionalen Künstler (das ist dann wieder eine andere Geschichte) oder Bands vom europäischen Festland und Grossbritannien gemeint, sondern viel mehr Acts von der anderen Seite des grossen Teichs, welche hier mehr Beachtung und Auftrittsmöglichkeiten verdient hätten.
Bands aus dem «Secretly Canadian»-Kuchen beispielsweise, die fast alle das Prädikat «sehr gut» verdienen, aber hierzulande zu unbekannt sind und daher nur selten mehrere hundert Konzertbesucher anziehen. Konzertveranstalter der Stadt haben dementsprechend Angst davor, sich die Finger zu verbrennen… aber glücklichweise haben wir ja den 1. Stock vor den Toren der Stadt und dort gehen diese Bands ein und aus. So waren gestern Abend die Nurses aus Portland in Münchenstein zu Gast und Schlaglicht war auch mit dabei.
Die erste Frage, welche sich nach rund fünf Konzertminuten stellt: Diese Band soll aus Portland sein? Wirklich? Denn auch wenn die Stadt im Nordwesten der Vereinigten Staaten als hippste Stadt des Landes gilt, so zeichnen sich die zahlreichen musikalischen Exporte der Stadt, Bands wie Modest Mouse, die Decemberists oder die Thermals, eigentlich eher selten durch Kosmopolitismus und viel mehr durch klassischen, durch und durch westlichen Indie Rock aus. Die Nurses hingegen liefern von Beginn ihres Konzertes weg haufenweise Gründe, wieso sie viel eher an die Ostküste, genauer Brooklyn, passen würden.
Da wäre zum einen dieser erfrischende «Mut zur Stimme», welchen Sänger Aaron Chapman während des ganzen Konzertes aufbringt. Seine Vocals erinnern an Bands wie Animal Collective, Yeasayer oder die ganzen anderen Acts, die seit dem weltweiten Erfolg von «Merriweather Post Pavilion», ins kollektive (Musik-)bewusstsein gerückt sind und würden ihn bei Gesangswettbewerben im Fernsehen wohl nicht in die nächste Runde bringen. Dennoch zeichnet sich Chapmans Stimme durch Eigenheit und Persönlichkeit aus und steht dank den ansonsten eher zurückhaltend, aber dennoch vielseitig arrangierten Songs eindeutig im Zentrum der Band.
Und dann wäre da natürlich auch die generelle Weltoffenheit in der Musik des Trios, welches seine Einflüsse zu keinem Zeitpunkt des Konzerts versteckt. Es wird geborgt aus allen Teilen der Welt: Mal lässt Chapman seine Gitarre wie Steeldrums klingen und unverkennbare karibische Einflüsse schimmern durch, ein andermal sind tropikalische Sounds unüberhörbar. Brooklyn eben.
Anfänglich noch fast ohne Konversation mit dem Publikum kommt die Band von Minute zu Minute immer besser in Fahrt. Der Applaus im 1. Stock wird nun nach jedem Song länger und ein bisschen lauter. Und als das Trio dann mit «Trying to Reach You» und «Dancing Grass» die beiden besten Songs ihres aktuellen Albums «Dracula» unmittelbar nacheinander anstimmt, ist die Aufwärmphase endgültig zu Ende.
Und wie es halt so üblich ist im 1. Stock, wird am Ende des Konzerts nach der ersten, geplanten Zugabe so lange weitergeklatscht, bis sich Chapman dazu entschliesst, doch nochmals einen Song zu spielen. «We have some songs we haven’t played in a long time. Maybe i’ll mess up now.», entschuldigt er sich noch bevor er die unplanmässige Ballade überhaupt anstimmt. Am Schlagzeug sitzt nun plötzlich Bassist John Bowers und Chapman fügt am Ende des Songs verwundert an: «I didn’t know John could play the drums». Offensichtlich überrascht die Vielseitigkeit der Band also nicht nur ihre Hörer, sondern auch die Band selbst.
Das hervorragende Konzertprogramm des 1. Stocks findet im Dezember seine Fortsetzung. Nächsten Donnerstag, am 1. Dezember, geht es weiter mit The Besnard Lakes aus Kanada und am 9. Dezember sind dann Forest Fire aus New York zu Gast.
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Dazu muss man anmerken, dass wenn es mehr medialen Support gäbe, man sich die Finger bedeutend weniger verbrennen würde. Die Leute wollen lesen, dass es gut ist, und dass sich das Kommen lohnt. Es ist bisweilen enttäuschend, wie wenig mediales Echo ein Programm erhält, dass sich auf der Höhe der Zeit bewegt und nicht nur der Selbsteinschätzung nach als qualitativ hochwertig bezeichnet werden kann. An den Vorarbeiten und Annehmlichkeiten für die Presseleute kann’s nicht liegen – da wird bei uns keinesfalls zu wenig Zeit investiert.