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Berge von Büchern in der Bibliothek

karen gerig am Mittwoch den 4. Mai 2011

Heiss wars im Juli 2010. Wer konnte, setzte sich in den Schatten am Rheinufer oder freute sich gar über die kühlende Klimaanlage im Büro. Ein paar Monate später postete Marcel Scheible auf seinem facebook-Account ein kurzes, in besagtem Juli entstandenes Video mit den Worten: «Mensch, haben wir geschwitzt!». Wir glaubten es sofort, denn während vier heissen Juli-Tagen hatte der Basler Künstler mit der tatkräftigen Unterstützung dreier Freunde sein Projekt «Garden Glossaire Gold und Silber» umgesetzt und dafür 2152 Bücher im Lesesaal der Bibliothek für Gestaltung ausgeräumt, umgeschichtet, fotografiert und wieder eingeräumt. Mensch, haben sie geschwitzt.

Der Lesesaal der Bibliothek der Schule für Gestaltung im üblichen Zustand (links) und in Marcel Scheibles Inszenierung «Gold und Juwelen» (rechts).Ab Donnerstag Abend kann man das Resultat der Aktion begutachten. Über ein Dutzend grossformatige Prints hängen an den Wänden des Ausstellungsraumes der Schule für Gestaltung auf der Lyss und im Lesesaal der Bibliothek darüber. Darauf zu sehen: Bücher, Bücher, und nochmals Bücher. Sie und ihre Angestellten seien beim Anblick der Fotos überrascht gewesen, wie farbig die täglich gesehenen Lexika und Nachschlagewerke seien, sagt Andrea Schweiger, die Leiterin der Bibliothek. «Wir glaubten, Marcel Scheible habe die Einbände entfernt. Dem ist aber nicht so.» Tatsächlich hat der Künstler die Bücher so genommen, wie er sie vorfand. Auch die Fotos wurden nicht retuschiert.

Die Idee für «Garden Glossaire Gold und Silber» entstand vor bald einem Jahr vor Ort. Marcel Scheible arbeitete zu jener Zeit an einem anderen Projekt namens «Boucher, Bacon & Co». Indem er Büchern neue Umschläge verpasst, diese passend aufeinanderlegt und zu Stilleben komponiert, die er abfotografiert, nutzte er bereits das Buch als Arbeitsmodul. Die fertigen Fotografien, so dachte er sich, könnte man im Lesesaal der Bibliothek für Gestaltung gut präsentieren. Er erkundigte sich nach Ausstellungsmöglichkeiten und wurde dabei von dem grossen Buchbestand im Lesesaal zu Neuem inspiriert. Jedes Buch, so fand er, hat seine eigene charakteristische Gestalt: ein bestimmtes Format, eine Farbe, eine spezifische Typografie. Man kann sie aufschlagen, sie erkunden und ertasten. Man kann sie aber auch auf ganz andere Weise nutzen.

Die Bücher als Türme: «Burgenkunde».

Die Neuinszenierung des Buchbestandes war mit beträchtlichem physischem Aufwand verbunden. Den performativen Charakter der Aktion kann der Betrachter in einem Video mitverfolgen. Die Fotos sind als das finale Werk zu lesen – sie erhalten aber auch dokumentarischen Charakter. Die Anordnung der Buchbände geschah erst im Laufe der Aktion. «Zu Beginn war nur klar, dass ich die gesamte Bodenfläche mit Büchern belegen will», sagt Scheible. Für eine Schicht allein waren es zuviele Bücher, so schichtete man sie erst einem Berg gleich aufeinander, flachte diesen dann ab zur Ebene. Die Strukturen des Raums verschoben sich dabei, die Büchergestellte wurden zu leeren Rastern an der Wand, die Bücher zur farbigen Rasterfläche am Boden. Als nächstes wachsen sie turmgleich in die Höhe, schliesslich fügen sie sich in den Bücherregalen zu einer malerischen Komposition.

Manchmal blitzen zwischen den vielen Buchseiten die Titel der Bücher auf. In einem Bild sind es viele, im anderen nur einzelne. Was man lesen kann, konnte für das jeweilige Bild titelgebend werden. Da gibt es nun die «Burgenkunde», oder die «Werkerziehung» und die «Geflügelten Worte». Auf dieselbe Weise entstand auch der Titel der Ausstellung: «Garden Glossaire Gold und Silber». Auch hier geschah die Anordnung der Wörter nicht zufällig, sondern alphabetisch. Wie es sich für ein Lexikon gehört.

Marcel Scheibles «Garden Glossaire Gold und Silber» kann man vom 6. bis 28. Mai ansehen gehen. Vernissage ist am 5. Mai ab 18 Uhr. Im Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung und im Lesesaal der Bibliothek für Gestaltung Basel, Spalenvorstadt 2. Di bis Fr 12–19, Sa 12–17 Uhr. Die zugehörige Publikation ist vor Ort erhältlich.

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Ein Kommentar zu “Berge von Büchern in der Bibliothek”

  1. Björn sagt:

    Wow! Ein richtig cooles Kunstprojekt! Gratulation!