Wo sind die Schweizer Helfer?
In den letzten Wochen prasselte einige Kritik auf die Schweizer Hilfswerke und die Glückskette nieder, dass sie auf der Balkanroute oder jetzt in Griechenland den Flüchtlingen nicht genügend zur Seite stehen würden. Diese Kritik wird unter anderem mit der fehlenden sichtbaren Präsenz untermauert. Im Falle unserer Stiftung ist dieses Argument einfach zu widerlegen, da die Glückskette kein Hilfswerk und vor Ort operationell nie tätig ist, sondern als Geldgeber ausschliesslich die Projekte ihrer Schweizer Partnerhilfswerke unterstützt. Gerade in Serbien arbeiten die meisten Schweizer Hilfsorganisationen mit lokalen Partnern zusammen, weshalb nicht das Logo der Schweizer, sondern die Präsenz ihrer lokalen Partner im Vordergrund steht. Dieser Aspekt bleibt aber nicht ohne Folgen für die Wahrnehmung der Schweizer humanitären Hilfe, wie die kritischen Artikel und Kommentare zeigen.
Ich bin vor kurzem von einer Reise aus dem Libanon zurückgekehrt, wo ein Teil der Hilfe für die syrischen Flüchtlinge und die unter Druck geratene libanesische Bevölkerung seit vier Jahren auch von der Glückskette mitfinanziert wird. Ich konnte mir vor Ort persönlich ein Bild davon machen, wie unsere Schweizer Partnerhilfswerke auch hier weitgehend die lokal verankerte humanitäre Hilfe unterstützen und praktizieren. Hilfswerke wie das Schweizerische Rote Kreuz können dabei auf ihr internationales Netzwerk zählen; das Heks (Hilfswerk der Evangelischen Kirchen) arbeitet mit dem lokalen Partner Najdeh zusammen; Terre des hommes – Kinderhilfe, Medair und Solidar Suisse rekrutieren direkt qualifizierte Mitarbeiter vor Ort. Dank diesem lokalen Ansatz lassen sich humanitäre Prinzipien und Regeln sowie operationelle Richtlinien in die komplizierten kulturellen, politischen und zivilgesellschaftlichen Gegebenheiten einfügen. Die Mitarbeiter der Hilfswerke in der Schweiz oder einzelne ihrer Vertreter vor Ort sind für Ausbildung, Wissenstransfer und Qualitätskontrolle verantwortlich.
Die Weltgemeinschaft arbeitet ebenfalls darauf hin: Im Hinblick auf den ersten humanitären Gipfel Ende Mai in Istanbul hat UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon vor kurzem darauf hingewiesen, dass es gewisse humanitäre Aktivitäten in Zukunft unbedingt zu stärken gilt. Unter anderem sollen die lokalen Kräfte stärker gebündelt, genutzt und in den Vordergrund gerückt werden («localising humanitarian aid»).
Die lokal verankerte Hilfe hat aber auch Nebeneffekte, welche es zu berücksichtigen gilt: Neben den Schweizer Hilfswerken baut auch das IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) immer mehr auf das Prinzip der lokal verankerten Hilfe. Der Anteil der Schweizer Delegierten ist auf wenige Prozente gesunken. Damit fällt das IKRK als Ausbildungszentrum von jungen Schweizer Delegierten weg und damit ein grosses Reservoir humanitärer Spezialisten, welches auch anderen Schweizer Hilfswerken oder dem Katastrophenhilfekorps zugute kam.
Aus operationeller Sicht und für die Opfer von Naturkatastrophen und kriegerischen Auseinandersetzungen sind diese Überlegungen zur «Swissness» in der humanitären Hilfe irrelevant, nicht aber für die viel gepriesene humanitäre Tradition der Schweiz. Wenn in der Schweizer Bevölkerung der direkte Bezug zu den Schweizer Helfern, die man persönlich oder aus den Medien kennt, fehlt, wenden sie sich allenfalls immer mehr ab. Obwohl die Schweizer Hilfswerke weiterhin ausgezeichnete Arbeit leisten, diese aber nicht in Bild und Ton mit «Schweizer Präsenz» ausweisen können. Die Lösung liegt auf der Hand, ohne an der «lokal verankerten humanitären Hilfe» zu rütteln: Die Schweiz muss neben den schon bestehenden guten Institutionen eine noch attraktivere Ausbildung für humanitäre Hilfe anbieten. Daneben müssen die Glückskette und ihre Partner vermehrt transparent kommunizieren, dass professionelle und nachhaltige humanitäre Hilfe auf lokale Kapazitäten baut.
7 commentaires sur «Wo sind die Schweizer Helfer?»
Ohne Zweifel – eine lokal verankerte Hilfe ist wichtig, denn nur so können vor Ort Kapazitäten und Kompetenzen geschaffen werden, welche die Hilfe nachhaltiger machen. Die enormen Herausforderungen können nicht annähernd von den Hilfswerken gemeistert werden – erst recht nicht durch Hilfe aus der kleinen Schweiz.
Andererseits: auch wenn CH Hilfswerke nur wenig beitragen zur tatsächlichen Lösung der Herausforderungen. Zu zeigen, dass es in der Welt ein kleines Land gibt, dass trotzdem hilft und durch ein politisches System gepprägt ist, das sich für Humanität engagiert und vorbildlich für die Lösung von ethnischen und religiös motivierten Konflikten steht, ist vielleicht wichtiger als Milliardenbeträge rüberzuschieben. Daher ist eine deutlichere „Swissness“ notwendig.
https://www.caritas.ch/de/was-wir-tun/engagement-weltweit/katastrophenhilfe/hilfe-fuer-fluechtlinge-in-griechenland/
http://www.heks.ch/weltweit/humanitaere-hilfe/hilfe-fuer-fluechtlinge/
https://www.redcross.ch/de/katastrophenbewaeltigung/nothilfe/das-srk-hilft-menschen-auf-der-flucht
Oben sind Link zu 3 grossen Schweizer Hilfswerken, die sehr wohl gute Arbeit für Flüchtlinge vor Ort, auf der Fluchtroute und in der Schweiz leisten. Dass sie sich auf Hilfe statt Kommunikation konzentrieren, ist effizient und sympathisch.
Wenn Leute im Dreck und im Regen sitzen, erwarte ich, dass möglichst rasch Hilfe sichtbar wird. Ich gehörte zu den Unterstützern der Glückskette und war entsetzt über die Unsichtbarkeit der grossen Hilfswerke. Klar braucht es Hilfe in den Lagern an Ort, aber es braucht einfach auch sofortige Katastrophenhilfe. Jetzt habe ich jedenfalls das Gefühl, ich hätte einem Bürokratiemonster gespendet und bei den armen Leuten an der Grenze nichts bewirkt.
Willkommen in der Realität. Grosse Hilfswerke sind leider nunmal meist Bürokratiemonster. Versuchen Sies mal mit kleinen Projekten, oftmals kennt jemand aus dem Freundeskreis etwas oder war selbst einmal irgendwo tätig.
Und: Dreck und Regen hat noch niemanden umgebracht.
die Schweiz macht mehr als genug!
WER hat diese Kritik geäussert? Quellenangaben würden hin und wieder dazubeitragen dem Artikel das nötige oder eben unnötige Gewicht zu verleihen. Und wenn ihr das Spektrum bezüglich Hilfsorganisation Rotes Kreuz in einen noch realistischeren Kontext ausweiten wollt, dann recherchiert doch mal über das Rote Kreuz und den Panama Papers. Mal ehrlich, ihre Meinung ist mir als Leser eigentlich ziemlich egal. Basieren sie ihre Arbeit aus Fakten und ziehen sie daraus ein Kritik.
Es gibt genügend Berichte, dass die « Helfer » die Leute vor allem dazu angestachelt haben, weiter im Dreck zu verharren und den Grenzsturm zu versuchen, um spektakuläre Bilder zu produzieren und damit Druck auf die Öffentlichkeit zu machen. Das verdient keine Unterstützung.