Die Zukunft der Arbeit heute denken
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeit, Gesellschaft und Wirtschaft sind epochal. Die Politik muss heute die Weichen so stellen, dass die Digitalisierung echten Fortschritt für alle bringt. Fünf Thesen.
1. Die Digitalisierung gehört auf die politische Agenda
Die Digitalisierung trifft uns mitten in unserer Identität, denn sie wird die Arbeitswelt tief greifend verändern. Namhafte Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent der heutigen Jobs verloren gehen könnten. Wollen wir diesen unumkehrbaren Prozess in eine sozial verträgliche Richtung lenken, drängt die Zeit. Zu fragen ist: Wollen wir eine Gesellschaft mit wenigen digitalen Gewinnerinnen und Gewinnern und einem Heer von Arbeitslosen? Oder wollen wir die Digitalisierung als Chance nutzen, weil sie zu mehr Freiheit und Gleichheit führen kann?
Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen sind nicht Science-Fiction, sondern längst mitten unter uns.

Effizient für den Kunden, vernichtend für die Arbeitsplätze: Die Self-Scanning-Kassen. Foto: Christian Beutler (Keystone)
2. Als Konsumentinnen und Konsumenten profitieren, als Arbeitskräfte verlieren
Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen sind nicht Science-Fiction, sondern längst mitten unter uns. Der Taxidienst Uber etwa steht für ein Geschäftsmodell, das prekarisierte Selbstständige vernetzt und ohne namhafte Fixkosten den bestehenden Taximarkt umschichtet. Self-Scanning-Kassen im Supermarkt verkörpern die Mechanisierung und Digitalisierung einer vormals von Menschen verrichteten Arbeit. Diese Beispiele zeigen: Die Veränderungen sind ambivalent. Sie sind für uns Konsumentinnen und Konsumenten praktisch, kostengünstig und effizient. Sie vernichten aber auch Arbeitsplätze – unter anderem deshalb, weil wir alle die Arbeit für die Unternehmen gratis verrichten.
3. Die Zaubermittel Bildung und Qualifizierung haben ausgedient
Eine zentrale Herausforderung der digitalen Revolution: Die Zaubermittel Bildung und Qualifizierung wirken nicht mehr. Denn erstmals sind auch die sogenannte Wissensarbeit, qualifizierte Arbeit und Dienstleistungen bedroht. Der Computer wird nicht nur juristische Recherchen besser und schneller als der Mensch erledigen können, er wird auch in Banken, im Spital und im Callcenter für Furore sorgen. Den Strukturwandel sozial gestalten heisst daher, Wege aufzuzeigen, wie eine Gesellschaft funktioniert, die nicht mehr Erwerbsarbeit für alle bieten kann.
4. Linke Rezepte sind gefragt
Zwei Lösungsansätze drängen sich auf: die Einführung eines Grundeinkommens und die Mitarbeitendenbeteiligung in den Betrieben. Das Grundeinkommen muss allerdings – abgesehen von der ungeklärten Finanzierungsfrage – so ausgestaltet sein, dass Arbeit und Erwerb tatsächlich voneinander abgekoppelt werden. Und, wichtiger noch, dass unbezahlte und bezahlte Arbeit als gleichwertig gelten. Sonst bleiben Arbeitslose Ausgeschlossene. Zukunftsträchtig ist auch die Beteiligung der Mitarbeitenden an den Produktionsmitteln, sprich: den Robotern, Computern und Algorithmen. Wenn sich jede Angestellte heute wie eine Unternehmerin verhalten soll, dann muss die Mitunternehmerin auch mitbesitzen und mitbestimmen können. Dafür braucht es einen Umbau des Steuersystems: Statt die Einkommen immer höher zu belasten, müssen vermehrt das Kapital und der Ressourcenverbrauch besteuert werden. Denn wenn in der Welt der Roboter Arbeit knapp wird, führt alles andere zu einer konfliktträchtigen Refeudalisierung der Gesellschaft. Grundeinkommen und Wirtschaftsdemokratie sind linke und durchaus utopische Konzepte. In Anbetracht der Digitalisierung ist es die Aufgabe der Sozialdemokratie, jene Reformen in die Wege zu leiten, die eine Verwirklichung der Utopie ermöglichen. So gesehen, muss auch das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Sozialdemokratie werden.
5. Die Gewerkschaften sind am Zug
Die Arbeitswelt der Zukunft wird immer mehr von selbstständigen Ich-Unternehmerinnen statt von herkömmlichen Angestellten geprägt sein. Dieser Wandel fordert die Gewerkschaften doppelt. Sie müssen zum einen sicherstellen, dass der Strukturwandel sozialverträglich abgefedert wird. Sie müssen aber auch ihre Rolle neu definieren: Kollektive Handlungen reichen allein nicht mehr aus. Vielmehr gilt es noch vermehrt, die Interessen dieser Selbstständigen bzw. ihrer Branchen zu bündeln, ihre adäquate Entschädigung durchzusetzen und ihnen als Plattform für weitere Bedürfnisse wie Weiterbildung und Vernetzung zu dienen. Wie herausfordernd das ist, zeigt sich bereits heute – auch für die gewerkschaftliche Bewegung ist daher Innovationsfähigkeit das Gebot der Stunde.
23 Kommentare zu «Die Zukunft der Arbeit heute denken»
Wenn Sie von Erwerbstätigkeit sprechen, dann benutzen Sie bitte auch dieses Wort und nicht den viel allgemeineren Begriff ‚Arbeit‘. Arbeit wird uns nie ausgehen, nur der Anteil an Erwerbstätigkeit wird asymptotisch gegen Null streben.
Nahezu unbegrenzt zunehmen wird die Arbeit des Menschen am Menschen (Pflege, Bildung, Medizin), nur erwerben wird man damit immer weniger können. Bleibt nur die Eliminierung des Erwerbes und damit des Besitzes durch Übergang zu einer reinen Verteilungsgesellschaft. Das geht aber in nur einem Staat nicht, also muss auch erst Staatlichkeit eliminiert werden.
Verteilung ohne Staat? Wie das gehen soll, würde mich schon interessieren. Für mich klingt das eher nach Kommunismus. Oder meinst du, die Reichen verteilen das Geld freiwillig? Irgendjemand muss die Verteilung ja regeln und organisieren, sonst herrscht Anarchie.
Ich habe nur eine logische Ableitung geliefert. Erwerbstätigkeit hat in der Nullgrenzkostengesellschaft keine Perspektive und eine reine Verteilgesellschaft, welche die Konsequenz wäre, kann man nicht lokal in einem Staat einführen, weil der dann zum Attraktor für die gesamte Rest Welt würde. Bleibt nur die gleichzeitige Abschaffung von Staat und Besitz mit seinen hässlichen Kindern Geld und Schulden.
Das sind in der Tat die beiden Grundparameter des Kommunismus, soweit richtig, nur sagt das noch nichts über die Realisierung.
2/ 2015 liegt es nahe, den Posthumanismus als die Alternative zu Staat und Geld zu sehen. Eine globale, selbst replikative, d.h. von Menschen unabhängige Software reguliert alle die Bereich, welche zuvor hoheitlich und/ oder monetär geregelt waren.
Es sind aber auch andere Modelle denkbar, die klassen- und staatenlose Gesellschaft ist auch im Gültigkeitsbereich der Scharia denkbar. Was eben nicht denkbar, weil nicht zukunftsfähig, sind Erhalt von Marktwirtschaft und bürgerlicher Demokratie. Kapitalismus bleibt Kapitalismus, auch wenn man den unter dem Begriff ‚Wettbewerbsdemokratie‘ tarnt.
So jung und bedienen sich so ausgiebig mit den längst ausgelatschten Worthülsen wie abgefedert,sozialverträglich,Weiterbildung etc,.Dabei widersprechen sich die SP- Leute wieder einmal radikal! Warum soll den Deutschland oder etwas später die Schweiz so auf diese Zuwanderung angewiesen sein, wenn uns nach Ihrer Darstellung in Zukunft doch der Roboter alle Arbeiten wegnimmt???
es ist richtig und wichtig, dass die arbeitsmodalitäten hierzulande von der politik aufgegriffen werden. durch veränderung der gesellschaftsformen und im zuge der fortschreitenden digitalisierung müssen konzepte für heimarbeit diskutiert werden. andererseits tun sich die parteien generell schwer den einheimischen arbeitnehmer zu unterstützen. fdp und sp machen das leider schon lange nicht mehr. die fdp will ausschliesslich billige arbeitskräfte aus dem eu-raum und die sp „pflegt“ diese dann teuer. es geht nur über nachhaltige investitionen der wirtschaft in die einheimischen arbeitskräfte.
Solange Arbeitskräftemangel herrscht (D ~500’000, CH ~50’000 pro Jahr), sollten wir uns nicht Gedanken über Jobverlust durch Digitalisierung machen. Die demographische Entwicklung kann dazu beitragen, die Digitalisierung abzufedern, allerdings müssten die digitalen ‚Arbeitskräfte‘ dann auch die Altersvorsorge mitfinanzieren. Noch schreien die Arbeitgeber nach Arbeitskräften und ein Ende ist nicht abzusehen. Mehr zu Sorge Anlass geben müsste wohl eher die Prekarisierung und die damit einhergehende Verarmung von arbeitenden Menschen. Das ist aber wohl eher eine Frage von Ethik und Verantwortung.
Was man auch immer beachten muss: die Kosten für die Anschaffung von Roboter, Software für Callcenter um Mitarbeiter zu ersetzen etc. Bsp. führen viele kleine Unternehmen bis zu 100 MA immer noch sehr manuell die Finanzbuchhaltung durch und nur bei den Grösseren ist vieles automatisiert. Grund: die Kosten für die Software und Beratung sind einfach zu hoch inkl. den Risiken, dass es im Schnitt günstiger kommt eine Sachbearbeiterin einzusetzen für die Belegerfassung. Nicht alle Unternehmen werden sich Roboter und solche Software leisten können.
Ich beschäftige mich gerade mit Recherche. Leider sitze ich bei meiner Suchmaschine im Hamsterrad fest. Mittlerweile erscheinen auch die Suchergebnisse aller meiner Zuschauer. Recherche. Ich suche also nach einem Artikel und ich kann mich vage an den Titel erinnern. Die Geschichte einer Diagnose. Es war die Geschichte eines Mädchens aus der Türkei.
Nun war ich im Spiegelarchiv. Hab mir die Headlines von 2003 angeguckt. Und habe dabei ganz viel gelernt. Zum Lesen habe ich zuwenig Zeit.
Es ist rührend wie die Linke noch immer nicht begriffen hat wie Staatliche Regulierung die Arbeitsplätze beeinflusst. Genau so wie der Heizer auf den Lokomotiven obsolet wurde (trotz Gewerkschaftsintervention) kann auch die Digitale Revolution nicht aufgehalten werden.
Die Schweiz kann die Entwicklung begrüssen und von neuen Jobs in neuen Branchen profitieren oder versuchen die Entwicklung mit möglichst viel Regulierung und Strafen aufzuhalten um zuzusehen wie die neuen Arbeitsplätze in wirtschaftsfreundliche Regionen umziehen.
Sie haben zweifellos recht. Viele Berufe wird es bald nicht mehr geben, so auch das gesamte Transportgewerbe. Im Prinzip würde es auf der Hand liegen, den Besitz der Geldmaschinen zu besteuern, um ein Grundeinkommen für alle Menschen zu ermöglichen. Nur: Wenn diese Geldmaschinen wie im von Ihnen genannten Fall Uber im Ausland liegen, wird das nicht funktionieren. Man bräuchte gleichzeitig einen Rückfall in alte, protektionistische Zeiten und müsste den Einsatz der menschenlosen Produktionsmittel an der Grenze besteuern. Vieles müsste neu bedacht werden, aber in der Tat: Niemand traut sich.
Mit der Konsumsteuer kann auch Uber zur Kasse gebeten werden. Die wird da bezahlt wo die Leistung erbracht wird. In Kombination mit einem Grundeinkommen ist diese auch absolut sozialverträglich.
Interessant, wir Uber als Beispiel für die Arbetsplatzvernichtung angeführt wird. Tatsächlich wird da kein Arbeitsplatz vernichtet, er wird nur von einem Lohnempfänger (Taxifahrer) zu einem Unternehmer (Uberfahrer) verschoben. Logisch, dass das der SP nicht passt, traditionell sind Unternehmer selbst für ihr Glück verantwortlich und damit die Erzfeinde der SP.
und wenn die Uber-Fahrer am Jahresende Kassensturt machen, erkennen sie, dass nach Deckung der Unkosten zu wenig übrig geblieben ist um davon leben zu können.
Ist natürlich gut möglich, dass unter dem Strich weniger bleibt, als der SP für ein angeblich „würdiges Leben“ so vorschwebt. Interessanterweise lebt der Unternehmer aber trotzdem, auch wenn das nach SP-Masstab theoretisch gar nicht möglich ist. Aber bei den Unternehmern ist halt der Vorteil, dass sie im Gegensatz zum SP Politiker verstehen, dass das Geld vom Arbeiten und nicht vom Staat kommt.
Ich freu mich am heutigen Blog! Ihr seid für mich eine Entdeckung! Das Geld was die Maschinen und Komputer sparen und erwirtschaften an Stelle von bezahlter menschlicher Arbeit, müsste doch in dieses bedingungslose Grundeinkommen fliessen…
Das wär doch logisch und dann hätte die Wirtschaft auch ihren grossen Teil an diese Menschenerhaltung bezahlt. Den Rest vom Staat durch Zusammenlegung von IV AHV Sozialstaat und Mehrwertsteuer. Was ich schön fänd, wenns nicht so unpersönlich einbezahlt würde.Kontaktstellen die sich interessieren wie es Dir geht! Macht weiter so!
Jede Revolution wird nach einiger Zeit zur Selbstverständlichkeit. Als die Webstühle eingeführt wurden, wurden die Weber arbeitslos, als die Autos eingeführt wurden, wurden die Kutscher arbeitslos, als die Bestückungsmaschinen in der Elektronik eingeführt wurden, wurden die Bestücker/innen arbeitslos. Und trotzdem, heute käme niemand auf die Idee, das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen. Dank der Automatisierung können wir bessere und mehr Güter produzieren und konsumieren. Der Mensch, der die Arbeit früher ausgeführt hat, überwacht heute die Maschine, die seine Arbeit verrichtet.
Es wird zwar oft behauptet das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) sei eine linke Idee, aber stimmen tut es dennoch nicht. Das BGE ermöglicht mehr Unternehmertum und eine produktivere Wirtschaft — und entsorgt gleichzeitig alle, die nicht zu Unternehmertum in der Lage sind. Es ist eine Art Schweigegeld für die Minderprivilegierten, während es den Privilegierten mehr Entfaltungsspielraum gibt.
Volkswirtschaftlich ist klar, dass das BGE rentieren würde. Das Geschwätz von der Finanzierbarkeit kann nur von kleinkarierten Betriebswirtschaftern kommen, die von Volkswirtschaft keine Ahnung haben.
Da die Produktionsmittel nicht mehr nur in der Hand des Kapitals liegen, wie im 19. Jahrhundert, drängt sich eine zusätzliche Besteuerung sämtlicher Rechner und Maschinen auf, egal, von wem sie wo, wie und warum eingesetzt werden: Tablets, Smartphones, Desktops, Industrieroboter, Scanner, Suchmaschinen, etc., kein Automat wäre von der Zusatzsteuer ausgenommen! Das wäre zumindest einmal ein sinnvoller Anfang!
Mich erstaunt, dass ausgerechnet die Internationalen Genossen ernsthaft glauben, es müsse schon bald niemand mehr arbeiten. Reicht der Blick vom SP-Schreibtisch wirklich nicht mehr bis nach China, wo Millionen Menschen unsere Billigprodukte herstellen? Unsere Produkte werden nicht von Robotern hergestellt, wie sich die beiden Autoren das ausmalen, sondern von fleissigen Menschen mit realistischen Lohnvorstellungen. Uns geht hier nur die Arbeit aus, weil wir glauben, für immer weniger Leistung immer mehr bekommen zu müssen.
Glauben Sie ernsthaft die 50’000 Smartphone-Gehäuse pro Stunde werden von Hand gefeilt und nicht auf vollautomatischen Bearbeitungszentren produziert?
Und angenommen die Schweizer würden für Chinesische Löhne arbeiten, wie sollen sie damit die Krankenkassenprämien und Mieten bezahlen oder sollen sie einfach zelten und sich selbst mit Alpenkräuter heilen?
Viel Bedenkenswertes im Hauptbeitrag. Ein Grossteil der „Digitalisierung“ ist primär von Wachstumsphantasien und Renditehoffnungen getrieben. Vielleicht Innovation, aber nicht zwingend Fortschritt. Und man kann weder digital essen noch digital schlafen noch digitale Luft atmen! Und mir ist es egal, ob ich 30 oder 400 TV- und Radiosender „angeboten“ erhalte; ich brauche höchstens 5-10 von jedem. Eigenltich ist es eine Aufgabe nicht nur der SP, hier neue Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle zu entwicklen. Gerade die ökonomische Mainstream-Irrlehre vom ewigen Wachstum muss mal beerdigt werden.
@Schneeberger – Die Digitalisierung erlebe ich an meinem Arbeitsplatz einem Reprografiebetrieb. Das Produkt mal schwarzweiss ist nun farbig. Das produzierte Volumen beträgt ein Mehrfaches seit meinem Stellenantritt und die Belegschaft ist noch halb so gross. Die Produktivitätssteigerung ermöglicht wettbewerbsfähig tiefe Preise bei kürzer Lieferzeit und höher Qualität. Eine vergleichbare Feststellung lässt sich zu den verwendeten neuen Anlagen machen -viel höhere Leistung für komlexere und genauere Erzeugnisse bei gleichen oder kleineren Anlagekosten. Die Digitalisierung ermöglicht Produktitivitätssteigerung bei weniger Angestellten. Diese Entwicklung erfordert ausgleichende Anpassungen. Weiterbildung ist sehr wichtig, wird aber die Folgen der Automation nicht ungeschehen machen können.