Wenn Politiker sich gegenseitig ans Bein pinkeln

Im diesjährigen Wahlkampf wurde ab und zu von «Negative Campaigning» gesprochen und geschrieben. Die Inseratekampagne gegen Heinz Brand im Kanton Graubünden und die Kleberaktion gegen Margret Kiener Nellen sind dabei zwei Beispiele. Allerdings ist Negative Campaigning in der Schweiz nicht so selten und auch nicht so neu, wie man gerne meint. Eines der ersten Beispiele, an welches ich mich erinnern kann, stammt aus dem Regierungswahlkampf 1995 im Kanton Zürich. Die SVP Kanton Zürich schaltete damals Inserate gegen die SP-Kandidatin Vreni Müller-Hemmi. Vier Jahre später wurde Albrecht Rychen, damals amtierender Präsident der SVP Kanton Bern, Opfer einer Flüsterkampagne («Ryche striiche»). Obwohl die Partei damals im Kanton Bern einen Sitz gewann, wurde er abgewählt.

Wenn man die Bilanz anschaut, haben diese Kampagnen zumindest am Anfang gar nicht so schlecht funktioniert.

Margret Kiener Nellen, SP, aeussert sich an einer Pressekonferenz zu ihrer Steuersituation am Freitag, 7. November 2014, in Bern. Die SP-Frau aeussert sich zum Vorwurf in der "Weltwoche", sie habe bei einem Vermoegen von 12 Mio. im Jahr 2011 null Franken Einkommen versteuert. Im Jahr 2004 seien es dagegen null Franken Vermoegen und ein Einkommen von 200'200 Franken gewesen. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Margret Kiener Nellen, SP, rechtfertigt ihre Steuersituation, nachdem sie von den «Weltwoche» attackiert worden war. Foto: Peter Klaunzer (Keystone)

In letzter Zeit gibt es geradezu eine Häufung der Fälle: Bundesratskandidat Bruno Zuppiger, Regierungsrat Rainer Huber («keiner wählt Rainer»), die Masterarbeit von Doris Fiala, die Zweitwohnung von Susanne Leutenegger Oberholzer, die Affäre Geri Müller, die Miet- und die Steueraffäre von Margret Kiener Nellen und die Flugblattaktion gegen die damalige CVP-Regierungsratskandidatin Silvia Steiner. Sie alle fallen für mich unter das Kapitel Negative Campaigning.

Negative Campaigning hat ein schlechtes Image. Wenn man die Bilanz aber anschaut, haben diese Kampagnen zumindest am Anfang gar nicht so schlecht funktioniert: Müller Hemmi zog sich nach dem ersten Wahlgang enttäuscht zurück, Rychen und Brogli wurden abgewählt. Zuppiger musste sich als Bundesratskandidat aus dem Rennen nehmen. Kiener Nellen ist politisch angeschlagen und wurde letztes Mal nur schlecht wiedergewählt.

Im Nationalratswahlkampf haben wir es nun mit neuen Fällen zu tun. Im Kanton Graubünden haben bekennende SVPler ein Inserat gegen den amtierenden SVP-Nationalrat Heinz Brand geschaltet. Darin rufen sie dazu auf, Magdalena Martullo-Blocher und nicht Heinz Brand zu wählen. Es ist nicht neu, dass Negativkampagnen aus dem eigenen Lager lanciert werden. Allerdings ist der Angriff selten so direkt, wenn er aus der eigenen Familie kommt. Normalerweise wird dann eher über die Bande – also via Medien – gespielt.

Nun, Brand wäre nicht der erste SVPler, welcher über seine Verbandelung mit Krankenkassen stolpert. Diese spielte nämlich auch bei der oben erwähnten Flüsterkampagne gegen Albrecht Rychen eine Rolle. Ich bin allerdings skeptisch, wie viel die Kampagne gegen Brand bewirken wird. Die Meldung, dass Heinz Brand Präsident von Santésuisse ist, ist ja keine neue Information für die Wählerinnen und Wähler. Hingegen unterstreicht die Negativkampagne für mich eher, wie schräg die Kandidatur von Martullo-Blocher in der (Polit-)Landschaft steht. Aufgrund ihrer Weltanschauung sowie ihres familiären und beruflichen Backgrounds ist Martullo-Blocher in der Tat eine sehr aussergewöhnliche Kandidatin für die SVP Graubünden. Nun haben ihre Fans mit der direkten Attacke gegen Brand auch zu einem aussergewöhnlichen Hilfsmittel gegriffen. Unter dem Strich wird die Aktion Brand nicht viel schaden und Martullo-Blocher schon gar nicht viel nützen.

Das zweite Beispiel stammt aus dem Kanton Bern. Dort hat eine IG «Arbeitsplätze im Berggebiet» eine Kampagne gegen Margret Kiener Nellen gestartet. Ein Aufkleber, der auf den ersten Blick wie eine SP-Werbung aussieht, ruft die Steueroptimierungsaffäre in Erinnerung. Offenbar soll die Aktion eine fünfstellige Summe gekostet haben. Damit wäre es wohl eine der teuersten Negativkampagnen des Landes. Die Kampagne liefert betreffend der Steueroptimierungsaffäre für den Wähler auch keine neuen Informationen, ruft aber eine Dissonanz in Erinnerung, welche für manche SP-Wähler wohl schon irgendwie störend ist. Meine Prognose trotzdem: Kiener Nellen hat nichts Illegales getan. Falls die Partei den Sitz halten kann, wird sie deshalb (einmal mehr) politisch überleben.

20 Kommentare zu «Wenn Politiker sich gegenseitig ans Bein pinkeln»

  • bernhard moser sagt:

    Logo wird Kiener Nellen wiedergewählt. Ich kenne keine Kandidatin auf SP-Liste ab Platz 4, also wird Sie wiedergewählt. Das Selbe gilt für Christa Markwalder, denn die Alternative ist die Ständeratskandidatin und ihre Sekretärin.

  • Franz Süss sagt:

    Wenn man nicht mehr fähig ist, FÜR etwas zu kämpfen, dann kämpft man halt GEGEN etwas. Ich finde allerdings den Unterschied riesig und solches Vorgehen grundsätzlich abscheulich, weil es jeden Respekt gegenüber den „Arbeitskollegen“ (auch wenn sie von einer anderen Partei sind) verliert. Schade, dass der „Hass“ so gut funktioniert -> bei mir nicht, ich finde das äusserst stossend.

    • Martin Gebauer sagt:

      Also so wie die SP Schweiz, die nur noch gegen die SVP kämpft und ausser Jositsch und Rechsteiner keine brauchbaren Politiker mehr hat (auch wenn beide unterschiedlicher nicht sein könnten). Und deren Präsident eine Dreckschleuder 1A ist und es mir verunmöglicht diese Partei zu wählen.

  • peter sagt:

    Es gibt leider immer wieder PolitikerInnen, welche dem Ansehen der ehrlichen und fleissigen schaden, z.B. die Schnepfe von der Schipfe mit der billigen Stadtwohnung

    • P. Stalder sagt:

      Mangelnder Anstand scheint eines der Hauptmerkmale solcher anonymer Bessermenschen wie ‚peter‘ zu sein…. Und wer mir auch nur 5 ehrliche und fleissige Politiker zeigen kann in der Schweiz erhält einen gefälschten Parteiausweis…. Dass solch dümmliche beleidigende Kommentare wirklich veröffentlicht werden, wirft weder auf den kleingeistigen Kommentarschreiber noch die Redaktion ein gutes Licht…

  • Waldi Noellmer sagt:

    Ein Minister eines deutschen Bundeslandes sagte einmal zu mir: „Als Politiker musst du regelmäßig ein Thema setzen, egal ob es negativ oder positiv ist, Hauptsache du bleibst im Gespräch, das ist das Wichtigste. Du profitierts nur, wenn du im Gespräch bist. Wenn es etwas Negatives ist, brauchts du dir keine Sorgen zu machen. Die Leute vergessen das sehr schnell wieder.“ Vermutlich profitiert ein Politiker sogar mehr, wenn er ein negatives Thema setzt, denn nur dann wird auch in den Medien umfangreich berichtet.

    • Marcel Schmid sagt:

      @noellmer.. wäre ihre Aussage zu 100% richtig wäre, wären einige populistische Politiker links wie rechts längst nationale Politstars! Und dass dies zum Glück (noch) nicht so ist und diese eher als Politclowns wahrgenommen werden beruhigt mich irgendwie! Obwohl ich leider vermute, dass die Tendenz effektiv eine Andere ist und länger wie mehr in die von ihnen beschriebene Richtung geht! Kann nix, weiss nix, mache nix.. ausser konsequent andere politische Akteure und Institutionen zu diskreditieren und zu diffamieren! Bringt zwar Stimmen, ob’s die CH weiterbringt ist aber mehr als fraglich!

  • Rüdiger sagt:

    Man braucht sich nur umzusehen, wer lokal/kantonal die Leute vertritt und kann dann gut nachvollziehen, wieviel schlimmer es ist auf nationaler Ebene. Die CVP hat sogar ehemalige Hanfdealer am Start dieses Mal. Da passen all die Kiener-Nellen, Leutenegger-Oberholzer und Markwalders, gut dazu…

    • P. Stalder sagt:

      Da sind doch dem Rüdiger der betrügende Zuppiger, der hetzerische Claudio Schmid, der schmarotzende Mörgeli, die Aufrufe zu Gewalt und Hass gegen Andersdenkende der tumben rechtsnationalen Facebook-SVPler viel lieber…. Und im Vergleich mit den rechten und konservativen Abzocker ist ein Hanfverkäufer wohl die bessere Wahl, als sich selbst bereichernde Milliardäre, die wohl Subventionen wie auch billige Arbeiter aus dem EU-Raum beziehen, aber immer gegen die EU schimpfen, um die Stammwählerschaft zu befriedigen… Weltbilder sind schon lustig manchmal…

      • Can Nakkas sagt:

        „die Aufrufe zu Gewalt und Hass gegen Andersdenkende“… aha, sie meinen den Aufruf eines linken „Künstlers“, Roger Köppel zu töten? Ja, das war wirklich unter aller Sau!

        • huitzilopochtli sagt:

          Wenn ich Ihren Kommentar lese, muss ich annehmen, dass Sie erst seit ein paar Tagen denkfähig sind und Kunstrezeption nicht zu Ihren Stärken gehört. Erstens hetzt die Rechte seit drei Jahrzehnten und zweitens hiess der andere Teil des Plakats des Künstlers, ‚Roger Köppel tötet‘. Nur ist das vermutlich eh zu intellektuell und dazu nehmen die Berufsempörtenlieber gar keine Stellung…. Naja, gegen was kämpfen auch Götter schon wieder vergebens?

          • M.Bättiger sagt:

            Ja, mir ist das auch „zu hoch“. Offenbar deckt es sich noch mit Ihrem Anstandsgefühl, wenn man zum Mord an Köppel aufruft und noch einen „drolligen“ Nachsatz anfügt. Wie Sie dann die gewaltsamen Angriffe auf SVP-Wahlveranstaltungen rechtfertigen, nimmt mich auch noch wunder. Aber das schaffen Sie als „Anständiger“ sicherlich. Genauso, wie das zusammenschlagen von Hr. Fehr (SVP). Das Durchschneiden der Bremskabel an U.Maurers Auto. Die Entführung und „Versprayung“ von Zottel. Das Zumauern der SVP-Parteizentrale etc. Ja. die böse SVP. Aber sicherlich kommt jetzt noch eine Beleidigung von Ihnen.

      • Rüdiger sagt:

        Oh la la Herr Stalder. Ich bin weder für die Einen noch die Anderen. Wie sie da auf Ihre Vorwürfe mir gegenüber kommen ist mir schleierhaft. Für mich sind Politiker generell Opportunisten und allesamt mit Vorsicht zu geniessen. Danke für die Kenntnisnahme

        • P. Stalder sagt:

          @Rüdiger: Ihre eigenartige Auswahl der Politikerbeispiele lässt tief blicken. Erstaunlich, dass Sie das nicht erkennen…. Bildungsferne ist ein hartes Schicksal, ich verstehe Ihr Leiden… Wenn Ihre Aussage stimmen sollte, dass Sie alle Politiker kritisch beäugten, hätten Sie substantiell anders geschrieben, haben Sie aber nicht…. Und Lügen ist für Rechte wie für Islamisten zur Erreichung eines übergeordneten Ziels ja erlaubt, Blocher hat seinen Segen ja gegeben….

          • Markus Rohner sagt:

            Fazit: Schimpfereien über Andersdenkende führt zu weiteren Schimpfereien von anderen – Lösungen? Fehlanzeige. Wer so wählt oder wegen Schimpfereien gewählt wird. Schweiz – o weh.

          • Rüdiger sagt:

            Bildungsferne ist ein hartes Schicksal, ich verstehe Ihr Leiden…

            Zu was macht es sie dann Herr Stalder…wenn sie mein Leiden verstehen?

            Ein Troll sind sie

  • Bruno Schwerzmann sagt:

    Nein, Frau Kiener Nellen hat nichts Illegales getan. Diese Frage ist aber nur ein Nebenschauplatz – das Ziel war doch von Anfang an, an einem geeigneten Beispiel zu zeigen, was für echte „Cüplisozialisten“ die SP in Bern vertreten. Ob sie nun wiedergewählt wird oder nicht, spielt gar keine Rolle, sie wirft ihren Schatten auch auf alle anderen, denen man den Einsatz für die normalen Arbeiter und Angestellten schon lange nicht mehr abnimmt.

  • Niklaus Vogler sagt:

    Margret Kiener Nellen und Andrea Hämmerle wollten aktiv die Wahl von Simonetta Sommaruga als Bundesrätin verhindern. Ob Frau Sommaruga macht ihre Sache recht oder schlecht macht kann man geteilter Meinung sein. Auf jeden bin ich von der Bundespräsidentin mehr überzeugt als von Frau Kiener Nellen.

  • magerius sagt:

    Wer die Wahrheit spricht -ist niemals Politiker !

  • Bruno Bänninger sagt:

    Nur Verzweifelte denen Argumente fehlen machen Negativkampanien GEGEN jemand oder etwas.
    Souveräne überzeugen mit Argumenten und machen erfolgreiche Kampanien FÜR jemand oder etwas.

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