Jetzt beginnt das zähe Ringen

Die Hälfte der Legislaturperiode 2011-2015 ist vorbei, und die Bilanz des Bundesparlaments fällt durchzogen aus. Mit dem Atomausstieg wurde der folgenreichste Entscheid der vergangenen Jahre noch kurz vor Ende der letzten Legislatur gefällt – unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima. Konsequenterweise erhöhte das neue Parlament die Subventionen für Alternativenergien, drückte sich aber um ein fixes Abschaltdatum für die AKW.

Grosse Würfe sind seit dem Atomentscheid ebenso ausgeblieben wie veritable Scherbenhaufen, sieht man von der gescheiterten IV-Revision ab. Diese Politik der kleinen Schritte muss nicht schlecht sein. Das Parlament hat in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, wie es überladene Vorlagen zerpflückt und ungeachtet der Dringlichkeit scheitern lässt.

In der zweiten Legislaturhälfte fallen nun zwei Faktoren zusammen, die sich nicht eben ideal ergänzen: Künftig wird mit Blick auf die Wahlen 2015 politisiert und die Sachpolitik gegenüber der Parteipolitik zunehmend in den Hintergrund treten. Gleichzeitig will der Bundesrat die Altersvorsorge reformieren, das Verhältnis zur EU neu regeln, den automatischen Informationsaustausch einführen und die Armee umbauen. Demografische Fakten, internationaler Druck und eine geänderte Sicherheitslage machen dies nötig.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Parlament unberechenbarer geworden ist.

Auch das Parlament steigt in den Ring: Martin Koch und Arnold Forrer am Schwingfest 2013 in Chézard-St-Martin. (Keystone/ Christian Brun)

Auch der Bundesrat steigt in den Ring: Martin Koch und Arnold Forrer am Schwingfest 2013 in Chézard-St-Martin. (Keystone/ Christian Brun)

Idealerweise würden Parlament und Volk gestaffelt über solch fundamentale Reformen befinden. Bei dieser Kumulation zur Vorwahlzeit droht hingegen das grosse Scheitern: Konservative aller Couleur werden ein leichtes Spiel haben, den Verlust schweizerischer Errungenschaften anzuprangern und den Reformeifer zu bremsen. Wenn zudem ein Bundesrat derart forsch wie Aussenminister Didier Burkhalter vorgeht und noch vor Verhandlungsbeginn Bereitschaft signalisiert, die Deutungshoheit bei Streitfällen an EU-Richter abzutreten, tendieren die Erfolgschancen solcher Reformen gegen null.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Parlament unberechenbarer geworden ist: Die neue Mitte von CVP-BDP-GLP bleibt ein heterogenes Gebilde, das sich je nach Konstellation nach rechts oder links schlägt. Die FDP ist nicht mehr die staatstragende Partei von einst, und im nach Links gerückten Ständerat drohen Zufallsmehrheiten. Zudem wird das Gezerre um die Verteilung der Bundesratssitze bald wieder losgehen.

Dieser Konstellation steht ein geeint wie selten auftretender Bundesrat gegenüber, der sich zum Beispiel bei der Armeefinanzierung weigert, einen Parlamentsentscheid umzusetzen. Damit zeichnet sich in den nächsten beiden Jahren ein zähes Ringen um entscheidende Weichenstellungen ab – mit offenem Ausgang.

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10 Kommentare zu «Jetzt beginnt das zähe Ringen»

  • Walter Bossert sagt:

    Man darf ja bekanntlich die Hoffnung nie verlieren. Deshalb hoffe ich doch sehr, dass die dümmliche Parteipolitik etwas mehr im Hintergrund bleibt, als dies Herr Foppa schreibt! Wenn gute Ideen umgesetzt werden ist es mir nämlich sch…egal aus welcher Richtung sie gekommen sind, Hauptsache es gibt Fortschritte in die richtige Richtung.Wir werden uns in Zukunft einiges Einfallen lassen müssen um dieses Land uns und unseren Nachkommen zu erhalten wie es heute noch ist. Verschwenden und abwirtschaften kann jeder, besser machen ( zB Energiegewinnung ) ist aber viel schwieriger!

  • R. Merten sagt:

    Es muss jetzt endlich eine bürgerliche Politik gemacht werden, damit der Geldverschleuderung im Sozial- und Asylwesen aufhört. Auch die Effizienz im Staatswesen muss verbessert werden. Auch in der Aussenpolitik muss viel energischer auf die Eigenständigkeit und Selbstbestimmung der CH hingewiesen werden. Die Kuschelpolitik muss ein Ende haben. Die Sozis müssen auf der anderen Seite auch endlich gewillt sein, die Interessen der CH bei der EU einzubringen. Die linke Hilfswerkindustrie mit all ihren Facetten muss an die kurze Leine genommen werden. Die DEZA muss endlich Rechenschaft ablegen!

    • Was heisst denn „bürgerlich“? Vor allem die SVP, die rechten Flügel von FdP und CVP beanspruchen bürgerlich zu sein. Auf die SVP trifft das noch am wenigsten zu. Da ist doch der Grossteil der SP und der Grünen viel bürgerlicher. Die WählerInnen beider Parteien gehören dem so genannten Bildungsbürgertum an. Sie sind in der Regel weit besser ausgebildet als die Anhänger der SVP, die sowohl hinsichtlich Bildung als auch Gehalt längst im Hintertreffen sind. Die Linksbürgerlichen sind bereit, mehr Steuern zu zahlen. Schliesslich garantiert der Sozialstaat Stabilität, Arbeitsfrieden und Wohlstand.

  • will williamson sagt:

    „Wenn zudem ein Bundesrat derart forsch wie Aussenminister Didier Burkhalter vorgeht und noch vor Verhandlungsbeginn Bereitschaft signalisiert, die Deutungshoheit bei Streitfällen an EU-Richter abzutreten, tendieren die Erfolgschancen solcher Reformen gegen null.“

    Wenn er jassen könnte, wüsste er, dass man die Trümpfe nicht im Voraus ausspielt.

    • Gerold Stratz sagt:

      Werter Herr Williamson, die BR Burkhalter u. Berset sind evtl. sehr gute Jasser!
      Sie sind bereit auf „Augenhöhe“ mit der EU zu verhandeln.
      D.h. sie sind Realisten, die wissen, dass man mit sehr wenigen „Trumpfkarten“,
      die auch im Ausland stechen, nicht sehr gut dastehen.
      Der Applaus aus den eigenen Reihen, der Wagenburgromantiker hilft
      weder in den USA noch in der EU weiter.
      Das ist Spekulation, Volksverdummung u. Realitätsverweigerung.
      Die Schweiz kann sich in der gerne gelebten, globalisierten Welt,
      nicht hinter Argumenten von anno 1292 verstecken. Das hiflt nur bei Ewiggestrigen weiter!

    • Walter Bossert sagt:

      Eine der wichtigsten Grundregeln der Diplomatie ist; zeig dich NIE unterwürfig. Seit Jahren wird von unseren Politikern diletant gegen diese Regel verstossen. Das die Schweiz immer weiter in die Klemme kommt, ist also nur eine logische Folge und hat schon dort begonnen wo sich einzelne wichtig genug fühlten ohne Das Stimmvolk zu befragen schon mal ein EU- Mitglieds- Gesuch ein zu reichen. Das war ein krasser Fehler!

  • will williamson sagt:

    „Erschwerend kommt hinzu, dass das Parlament unberechenbarer geworden ist: Die neue Mitte von CVP-BDP-GLP bleibt ein heterogenes Gebilde, das sich je nach Konstellation nach rechts oder links schlägt.“

    Wenn die Konstellation im richtigen Moment in die richtige Richtung schlägt bzw. der jeweiligen Sache dient, kann sich das „je nachem“ positiver auswirken als wenn einfach einem Parteidogma gefolgt wird.

  • Alles wäre ja nicht so schlimm, wenn sich die Herrschaften nun darauf konzentrieren würden aus Deutschland wieder einen Sozialstaat zu machen. Ich hoffe, dass diese Entwicklung eintritt.

    • will williamson sagt:

      Die Schweizer Politiker werden den Sozialstaat in Deutschland nicht wieder herstellen. Die Deutschen Politiker voraussichtlich auch nicht. Die meinen nämlich, sie lebten schon jetzt in einem Sozial- und Rechtsstaat.

  • Hanspeter Zürcher sagt:

    Von mir aus gesehen, gibt es keine Mitte – Parteien; sondern man ist politisch links oder rechts. Somit muss ich aufgrund der Abstimmungsresultate in den beiden Parlamenten das Fazit ziehen, was sich heute Mitte – Partei nennt, ist eigentlich eine Gruppe, die links steht. Wir haben folglich eine linke Mehrheit und dies bringt Stillstand und zwar in jeglicher Hinsicht!

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