Anleitung zum Auffallen

Politiker brauchen Journalisten, aber sie mögen sie nicht. Im internen Vokabular der SVP zum Beispiel heissen die Journalisten Spediteure. Der Begriff ist gut gewählt: Journalisten befördern die Ideologiepakete, die Empörungen, Absichten, Initiativen und andere Varianten der Stellungnahme an die Kunden. Just in time landet alles beim Wähler, um ausgepackt, übernommen oder weitergegeben zu werden. Idealerweise.

Und was ist mit den Journalisten? Sie rufen die Politiker an, sie fragen nach, sie schmeicheln ein bisschen, sie kritisieren gelegentlich, sie übersetzen, kürzen, passen an, geben wieder. Idealerweise. Dabei mögen auch die Journalisten die Politiker nicht von sich aus. Meistens finden sie sich mit ihnen ab, manchmal kommt etwas Bewunderung auf, oft Ärger oder Unverständnis, noch viel häufiger Langeweile.

Oskar Freysinger zum Beispiel hat den Rossschwanz und die gleitende Fähigkeit, sich subtil der jeweiligen Situation anzupassen.

SVP-Politiker Oskar Freysinger vor der Generalversammlung der SVP Wallis, 11. januar 2013. (Foto: Keystone/Olivier Maire)

Den Spediteur stets im Blick: SVP-Politiker Oskar Freysinger vor der Generalversammlung der SVP Wallis, 11. Januar 2013. (Foto: Keystone/Olivier Maire)

Um die Journalisten zum Spedieren zu motivieren, kann es für Politiker hilfreich sein, eine, wie sagt man dem in der Wirtschaft, «unique selling proposition» zu haben: einen Charakterzug, ein Merkmal, ein Attribut, das man sich merken kann. Oskar Freysinger zum Beispiel hat den Rossschwanz und die gleitende Fähigkeit, sich subtil der jeweiligen Situation anzupassen. Früher betrieb er Provokationen. Seit er als Walliser Staatsrat kandidierte, entdeckte er den Staatsmann in sich, erging sich in Versprechungen, deren Nichteinhaltung niemand mehr interessieren würde. Mit Erfolg. «Oskar über alles», titelte der «Nouvelliste», das CVP-Blatt, nach Freysingers Triumph im ersten Wahlgang – und zwar auf Deutsch wie so oft, wenn welsche Zeitungen etwas Strammes mitteilen wollte.

Staatsmännischer Rossschwanz, damit lässt sich arbeiten. Freysinger bietet ein Doppelpack an identifikatorischen Möglichkeiten, so kann er auch in der Regierung nach Bedarf den Besonnenen oder den Unkonventionellen markieren. Da hat es ein Marco Camin schon deutlich schwerer, ein freisinniger Hinterbänkler aus Zürich, der im Laufe seines Wahlkampfes für die Stadtregierung konsequent mit dem Ungefähren hantierte, dem Sowohl-als-auch, dem gerundeten Mittelmass. Das kam nicht gut an. Camin musste seinen linken Herausforderer Richard Wolff auf wenige Stimmen herankommen lassen und ihm einen zweiten Wahlgang zugestehen. Dabei hatte er eine teure Kampagne geführt mit vielen gmögigen Caminplakaten in ganz Zürich. Sein grösster Wahlvorteil könnte darin bestehen, dass man ihn schon in einem Jahr speditiv abwählen kann.

In den letzten Tagen hat sich gezeigt, dass es auch ohne Opportunismus, Coiffure und rhetorische Banalitäten geht. Wer hätte gedacht, wie wenig es braucht, um sich mediale Aufmerksamkeit zu sichern? Jacqueline Badran, die Zürcher SP-Nationalrätin, hat es vorgemacht. Mit etwas Feuer und sehr viel Rauch.

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20 Kommentare zu «Anleitung zum Auffallen»

  • Walter Schneider sagt:

    Ja, sie sind tatsächlich Spediteure. Transportmittel von Meinungen. Meistens.

    Was macht denn ein Journalist? Er geht (bspw.) ins Bundeshaus, holt sich Informationen ab, steht später vor der Kamera und erzählt, was ein anderer Erzähler ihm erzählt hat, oft ist schwer zwischen Meinung und Fakt zu unterscheiden, gerade bei SRF

    Zur Unterstreichung seiner Seriosität trägt er meistens Krawatte.

    Das halte ich von Journalisten. Von den meisten.

  • Roland K. Moser sagt:

    Meine «unique selling proposition» ist mein ewiger 4-Tage-Bart. Bin ich damit politik-tauglich?

    • Nicht so sicher, aber vielleicht macht es Sie attraktiv.

    • Glaube ich kaum. Ist eh gross im Kommen bei Männern, der 4 Tage Bart. (Bei Frauen wäre er sicher auch im Kommen, wenn sie könnten…)

      Politik-tauglichkeit…? Ich kenne vieler ihrer (Stamm)posts… Klar, gründen Sie eine Partei, legen Sie los – vergessen Sie Pipi Langstrumpf nicht – ich würde Sie beide garantiert vielleicht unter Umständen… wählen. Hauptsache frischer Wind in Absurdistan!

  • Reto Gall sagt:

    Sie sagens Herr Büttner….da hat sich Badran mit Ihrer Aktion ziemlich die Finger verbrannt…Freysinger ist mir bedeutend sympathischer

  • Edith Habermann sagt:

    Spediteure? Ja, der Begriff ist wirklich gut gewählt. Es gibt politische Güseltransporte, Gefahrenguttransporte und Werttransporte. Ein guter Spediteur sollte sich aber auch Gedanken dazu machen, was er transportiert und wie er es transpotiert. Sonst läuft er in Gefahr, zum willenlosen Schmuggler zu werden. Leider stelle ich beim Tages Anzeiger fest, dass wertloses Umzugsgut der Sozialdemokraten oft sehr sorgsam behandelt wird, während die Kartons der SVP meist schon vor dem Verladen beschädigt werden. Der Fall Badran ist ein Paradebeispiel dafür. Da blieb der Tagi nicht dran…

  • kenneth angst sagt:

    Die SVP will regierungsfeindliich mitregieren: Die konservative Revolution verpflichtet zur Oppsition auch in den Exekutiven. Diese Mission rechtfertigt vieles, auch Rosschwänze

  • Ledergerber Adrian sagt:

    Herr Büttner giesst Wasser auf meine Mühle – „Brother in arms“

  • Martin sagt:

    Warum sprechen Sie es nicht aus Herr Büttner: Nicht nur Politiker brauchen (genehme) Journalisten, sondern Journalisten auch Politiker die öffentlich etwas hergeben. Die Leistung ist dabei nicht besonders wichtig, nur „sexy“ müssen sie daherkommen.

  • Walter Kunz sagt:

    Auffallen was heute an der Tagesordnung zu sein scheint, das aber nur mit leeren Versprechen, ist auch nicht das Gelbe vom Ei

  • Benno Müller sagt:

    Zwei Gedanken

    a) mit Social Media sind die Politiker etwas weniger auf die Medien als Mittler angewiesen

    b) Der Artikel legt den Schwerpunkt auf die Frage, ob ein Politiker überhaupt mit seinen Aussagen ankommt. Relevant ist aber auch noch die Frage, welchen Gesamteindruck er dabei hinterlässt (wenn ich das sage, denke ich an den Fall Badran)

  • Sandra Imfeld sagt:

    Ach was: die Journalisten sind genau so auf die Politiker angewiesen. Und die Journalisten haben auch ein Interesse, Emotionen ins die Politik hineinzubringen, was sie denn auch meisterhaft beherrschen. Denn wenn man sich einzig und alleine auf das Thematische fokussiert, dann ist Politik halt nicht so spannend. Die Medien sind der grösste Profiteur der Emotionalisierung und Personalisierung in der Politik.

    • Anja Grob sagt:

      Die Medien sind nicht nur Profiteure, sie stacheln das ganze noch viel mehr an. Ich für meinen Teil würde ein wenig mehr Langeweile in unserer Politik begrüssen, wenn es heisst, dass die Emotionen und der Populismus zurückgehen würden. Die Sensationshascherei geht mir ziemlich auf den Keks. Sachpolitik über Populismus für mich, bitte!

  • arno wahl sagt:

    natuerlich sind Journalisten auch auf das Wohlwollen der Politiker angewiesen und natuerlich beeinflusst dies auch die Berichterstattung. Das ist ueberall so und keiner wird es aendern koennen !

  • r.meier sagt:

    als ich die überschrift gelesen haben,wusste ich sofort,es geht wiedermal gegen die svp, herr büttner,für ich sind sie ein unglaubwürdiger journalist

  • Claudio Hammer sagt:

    Unsere kantigen Politiker – wie Freysinger, Badran und Minder dürfen sich halt etwas mehr erlauben, als der ordinäre Hinterbänkler im Parlament – auf der anderen Seite setzen sie sich ja auch überdurchschnittlich ein – sind Ueberzeugungstäter, wie Badran gestern am 10 vor 10 meinte. Wie Peter von Matt gestern richtig bemerkte, brauchen wir in schwierigen Zeiten keine Beschwichtiger, sondern solche die die richtigen Fragen stellen und die entscheidenden Motionen eingeben.

  • Aasso b. sagt:

    Die neuen Medien werden knallhart zeigen, welches salbungsvolle Geschreibe überhaupt Beachtung findet und welches
    nicht.
    Der Berufsstand der Journalisten wird sich sehr warm anziehen müssen.

  • Marius Meier sagt:

    Kochen alle nur mit Wasser. Gut herrscht in der Schweiz zuletzt immer der Konsens und keine Partei. Wir haben das kluge demokratische System, dass Extreme immer neutralisiert. Als die SVP stark war, habe ich immer gegengehalten. Heutzutage, jetzt wo die SVP-Politiker alt werden, muss ich nicht mehr so streiten. Freysinger und Rickli, sie werden schwimmen, da sie mit wenig Substanz die Blocher Ära übernehmen müssen. Gut ist nur, haben wir die SVP-Dominanz ohne nationales Auseinanderbrechen überlebt. Jetzt gehts in die Zukunft für d’Schwyz.

  • muller werni sagt:

    Gehört das Wallis überhaupt noch zur Schweiz?

  • Peter H. Kuhn sagt:

    Endlich und zum Glück gibt es einen gescheiter Politiker, der sagt was Sache und Tatsache ist und auch offen ausspricht, was sehr viele Bürger bewegt. Freysinger hebt sich absolut wohltuend vom negativen, unangenehmen Linkstrend in dieser einseitigen Polit- und Medienlandschaft ab. Wichtig ist dabei, dass man einseitigen Journalisten weder liebdienert, noch anpasst oder gar unterordnet, sondern klares, entschlossenes Gegensteuer gibt! Genauso wie dies Oskar Freysinger tut. Bravo!

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