Behindert, na und?
In der gesellschaftspolitischen Diskussion werden nur allzu gerne und allzu schnell die eigentlichen Standards verschoben. Der Hang zur reinen Normorientierung wird immer stärker. Es ist nur noch gut, was in einem eng definierten Rahmen stattfindet und uns scheinbar vor jeglichen Problemen und besonderen Herausforderungen fernhält. Die Akzeptanz dessen, was aus der Natur oder einem natürlichen Prozess heraus entsteht, wird immer geringer. Wir fürchten uns vor der Ohnmacht, etwas nicht zu bestimmen, nicht planen zu können. Fast ehrfürchtig lassen wir uns von immer mehr Informationen überfluten und meinen, dadurch besser informiert zu sein. Die Realität zeigt, dass wir in vielen Fällen auf jeden Fall nicht besser orientiert sind, weil wir mit den Daten und Fakten sehr oft nicht wirklich umgehen können.
Ich setze mich entschieden dafür ein, gerade auch einem Kind mit einer Behinderung eine Chance zum Leben zu geben

Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind: Eine körperlich behinderte Frau in ihrem Zimmer in einem Wohnheim. (Foto: Keystone)
Die pränatalen Tests wie auch die Präimplantationsdiagnostik werden heute als Möglichkeiten angesehen, werdenden Eltern frühzeitige Angaben zur wahrscheinlichen Gesundheit ihrer Babys zu machen. Die Vermeidung oder Linderung von genbedingten Erbkrankheiten ist in der Sache sicher sehr positiv. Sehr kritisch wird es aber in dem Bereich, wo es manipulativ wird, das heisst, wenn Fehlentwicklungen injiziert werden. So möchte ich in aller Deutlichkeit festhalten, dass es weder ein Recht auf ein gesundes, nicht behindertes Kind gibt noch die Vorstellung bestehen darf, es könnten makellose Katalogkinder im Designverfahren bestellt werden. Der Wunsch nach einem Kind in der ganzen Unversehrtheit, ist selbstverständlich nachvollziehbar und legitim. Unbestritten soll aber auch sein, dass die Natur in vereinzelten Fällen eben andere Situationen beschert.
Die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch bleibt immer bei der Mutter, bei den Eltern. Dies soll an dieser Stelle von mir auch nicht infrage gestellt werden, das wäre anmassend. Ich setze mich aber entschieden dafür ein, gerade auch einem Kind mit einer Behinderung eine Chance zum Leben zu geben und diese nicht im Voraus abzusprechen. Unsere Gesellschaft ist gefordert, sich zu Mitmenschen mit einem Handicap zu bekennen und einer Aussortierung entschieden entgegenzutreten. Die betroffenen Familien brauchen eine offene und fachlich fundierte Beratung und verdienen Unterstützung. Dabei geht es nicht nur um Finanzen, wie viele meinen würden. Es ist eine Frage der Grundhaltung, wie offen wir Menschen mit einer Behinderung gegenüber im täglichen Zusammenleben sind.
Entscheidend ist für mich jedoch ebenso ein weiterer Punkt: Die Lebenswertigkeit kann und darf nicht ein Thema sein, das über reine Kosten definiert wird. Denn tun wir das, verlieren wir mit einem solchen Verständnis auch einen bedeutenden Teil unserer eigenen Würde.
Dieser Text ist ein Vorabdruck aus der Sondernummer «100 Jahre CVP» des Magazins «Die Politik». Die Festschrift erscheint zum Jubiläumsanlass am 27. Oktober.

17 Kommentare zu «Behindert, na und?»
Jedes mal wenn ich jemand mit einer Behinderung sehe, bewundere ich diese Personen mit welchem Willen sich diese durch das Leben kämpfen, denn ich bin überzeugt, dass sie oft viel mehr von ihrer Umgebung mitbekommen als so gemeinhin angenommen wird.Das Schöne aber auch das Schlechte! Aber ich bewundere auch die Personen welche die Behinderten betreuen, das braucht unter Umständen sehr viel Kraft und da frage ich mich oft ob diesen Leuten genug geholfen wird in dieser Schweiz wo alle an das Geld wollen,ob zu Recht oder nicht.
Wir gehen doch im Leben immer vom Bestfall aus.Wenn wir gesetzlich das Adoptionsrecht regeln, dann sehen wir vor, dass eine Einzelperson kein Adoptivrecht hat, dass die Eltern ein bestimmtes Alter nicht überschreiten dürfen.Natürlich wissen wir, dass auch ganz junge oder ganz alte Eltern toll sein können. Wir wissen, dass eine Einzelperson/schwules Paar bessere Eltern sein können als ein Ehepaar.Trotzdem gehen wir vom Idealfall aus. Warum sollte das in anderen Bereichen anders sein? Ich finde, ein „Recht“ auf ein gesundes Kind gibt es durchaus, die Möglichkeiten, dies zu verwirklichen legitim
Diese Worte sprechen mir aus dem Herzen! Einem Leben und einem Kind, wie immer es von der Natur bestimmt ist, die Chance auf eine Existienz zu geben, hat für mich viel mit Respekt und Achtung zu tun. Wer von uns hat den wirklich eine Ahnung, wie es einem behinderten Menschen in seinem Leben geht? Warum nehmen wir uns das Recht zu bestimmen, was lebenswert ist und was nicht?
Jeden Tag begleite und unterstütze ich als Schulische Heilpädagogin ein Down-Syndrom-Mädchen S. in einer 2. Regelklasse. Tagtäglich erleben die andern Kinder und ich, wie wertvoll und bereichernd das Leben von S. ist.
Diese neuen Technologien werden unser Moral- und Ethikverständnis verändern. Das Leben, seine unterschiedlichen Definitionen und dessen Rechte haben sich auch verändert, besonders wenn in der Biologie etwas neues entdeckt wurde. Mit dogmatischen Lehren kann man sich dieser Entwicklung zwar entziehen, aber dies sollte auf keinen Fall die Forschung behindern oder Menschen davon abhalten sich behandeln lassen zu dürfen. Vergessen sollte man auch nicht, dass gerade behinderte Menschen dank diversen Technologie ihr Leben lebenswerter gestalten können. Ich denke Freiheit im Denken ist der Schlüssel.
Wie viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene erleiden eine Behinderung durch Unfall oder Krankheit. Man ist nie davor gefeit, ohne Behinderung durchs Leben zu kommen. Offenheit der Unversehrten gegenüber den Behinderten ist gefordert und sollte früh erlernt werden.
Die die Fristenlösung anerkannt ist, lässt sich schwer gegen einen Pränatal-Test argumentieren: wenn ein Kind alleine aus Lifestyle-Gründen abgetrieben werden kann, kann man die Eltern nicht moralisch nötigen, ein behindertes Kind anzunehmen. Der Entscheid, ob ein Pränatal-Test durchgeführt und die Konsequenzen daraus gezozen werden soll, muss – wie beim Kind zur falschen Zeit – den Eltern überlassen werden.
Zitat: ,,Die Lebenswertigkeit kann und darf nicht ein Thema sein, das über reine Kosten definiert wird.“
Ernsthaft? – In einer Gesellschaft wo bereits alles über die Kosten definiert wird!
Und Geld alleine das absolute sagen hat, und Täglich ein Haupt Thema der Medien ist.
Da vom Geld alleine ja mittlerweile irrwitzigerweise angeblich das ganze überleben der Menschheit nur noch von diesem Geld abhängig ist, ist das reines Wunschdenken.
Da bereits gesunde Menschen vom Arbeitsmarkt aus Kosten gründen aussortiert werden.
Die Frage nach der zu verlierenden Würde erübrigt sich da schon fast.
Guten Tag liebe gesunde Menschen,
ist es bald soweit?
Muss ich mich bald entschuldigen, dass ich als Kleinwüchsiger (122cm) von meiner Mutter zur Welt gebracht wurde?
Werden in Zukunft bald Strafsteuern Eltern auferlegt, die ein behindertes Kind zur Welt bringen?
Markus Bürgler
1/3)Behindert, na und? – Wenn man so denkt, muss man aber viel mehr für die Behinderten machen!
Will uns hier ein CVP-Vertreter die CVP als Behinderten-Freundlich darstellen?
Und irgendwie erweckt der Beitrag sogar noch den Eindruck, dass man Geburten von Behinderten fördern will.
Ist das nicht ein Frappanter Widerspruch zur tatsächlichen Politik dieser Partei. Wird doch alle paar Jahre eine neue IV-Revision nach der anderen, gerade von der CVP und denn anderen Mehrheitsparteien wie FDP und SVP bewilligt und abgesegnet.
Mit dem Haupt-Ziel die ,,Kosten“ der IV zu senken, wird Druck auf die Behinderten IV-Bezüger ausgeübt, um eine Arbeitsintegration zu erzwingen.
2/3)Durch immer schärfere und neue Bestimmungen der IV-Revisionen wird versucht die Behinderten vom Leistungsbezug fernzuhalten oder auszuschließen, ohne im Arbeitsmarkt die Voraussetzungen für diese Ziele zu schaffen.
Dabei hat sich gerade der Arbeitsmarkt im Gegensatz zu Früher schon lange Entsolidarisiert von den Behinderten.
Durch Leistungsanforderungen auf Grund von Rationalisierung, Rentabilität, Gewinnmaximierung und Preisdrückerei, ist kein Spielraum mehr vorhanden Rücksicht zu nehmen auf Arbeitnehmer die nicht 200% Leistungsfähig sind. So das bereits nicht Behinderte Probleme haben die verlangten extrem hohen Leistungsanforderungen zu erfüllen. Dadurch Produziert der Arbeitsmarkt und die Leistungsgesellschaft sogar selber neue Burn-Out Behinderte, die dem Gesundheitswesen und der IV noch mehr und sehr hohe Kosten verursachen.
3/3)Es besteht bezüglich dieser Situation wirklich Politischer Handlungsbedarf Humanere Bedingungen für alle wieder herzustellen.
Viele Behinderte würden noch so gerne arbeiten, statt Däumchen drehend rum zu sitzen. Nur fehlen dazu die entsprechende Anzahl an Arbeitsplätzen. Alle Arbeitsplätze wo man Behinderte Beschäftigen könnte, wurden seinerzeit nach China ausgelagert, weil es da viel billiger ist.
Arbeitsplätze die Heute hier fehlen. Es ist eben nicht so wie gewisse Politiker immer erzählt haben, Aus und Weiterbildung sichert den Zugang zu einem Arbeitsplatz. Es braucht auch Arbeit für weniger begabte und Leistungsfähige Menschen. Nicht alle können Studieren und finden einen Arbeitsplatz als Professor, Arzt, Architekt etc, oder im noch besseren Fall eine ,,nicht“ Leistungsbezogene (Ausnahmen bestätigen die Regel) Lebens-Stelle beim Staat oder in der Politik.
1/3) Die verbliebenen Arbeitsplätze die nicht nach China ausgelagert wurden, hat man für Behinderte und Einheimische Arbeiter vernichtet, indem man den Schweizer Arbeitsmarkt mit einer Masse von billigen Ausländischen Arbeitnehmern ,,überschwemmt“ hat. So das im Handwerk, Bau, Industrie, Tourismus und Dienstleistungen im Allgemeinen, die Arbeitsstellen mehrheitlich durch billige Arbeitnehmer aus dem Ausland besetzt sind, und die Einheimischen so verdrängt wurden. Verlierer sind durch die folgen so einer Maßlosen Einwanderungs-Politik nicht nur die Behinderten, sondern auch die Einheimischen Arbeiter und der Staat selbst. Weil er die so selbst verursachten höheren Sozialkosten bezahlen muss. Aber gleichzeitig bei Tiefstlöhnen weniger Einnahmen durch Steuern und Sozialabgaben durch die Arbeiter in die Staatskasse bekommt.
2/3) Der Staat schießt sich in’s eigene Knie, indem die Mehrheitsparteien eine Politik (Lobbyismus) für die Wirtschaftbosse und die Reichen betreiben die wenig oder keine Steuern bezahlen wollen, um immer Reicher zu werden. Das ist keine vernünftige Politik für das Volk und den Staat. Die hohen Sozialkosten die der Staat so durch das Volk (Arbeiter) nicht mehr ausreichend finanzieren kann, spiegeln sich in den immer größer werdenden Schulden der Sozialen Versicherungen wieder. Die Reichen und großen Wirtschaftsbosse behaupten und brüsten sich damit das sie den größten Teil der Steuern und Sozialabgaben bezahlen, nur reichen ihre Abgaben alleine leider nicht aus. In Wahrheit bereichern sie sich zu lasten des Volks und Staat. Dabei vergessen sie das sie durch die billigen Arbeitnehmer die sie anstellen wollen, daran schuld sind das die Arbeitnehmer weniger oder gar keine Steuern und Sozialabgaben mehr bezahlen können, siehe Working Poor.
3/3) Sie streichen die Gewinne in die eigenen Taschen und überlassen die Sozialkosten dem Volk und Staat. Lässt sich so ein Unternehmertum rechtfertigen, das dem Staat mehr Schaden statt nutzen bringt. Was nützt es dem Staat/Volk wenn ein Export Unternehmer durch tiefe Löhne überleben kann, wenn dabei der Staat selber durch mangelhafte Abgaben sich nicht mehr finanzieren kann? Dabei werden sie von den Politikern der Mehrheitsparteien unterstützt durch Lobbyismus. Der Staat kann seine Sozialen Kosten und anderen Ausgaben nur finanzieren, wenn auch die Arbeiter soviel verdienen können dass sie genug Abgaben bezahlen können. Wie Verantwortungsvoll/los der Staat das Volksvermögen ausgibt, ist dann wieder ein anderes Seiten füllendes Thema für sich. Politiker und Parteien die solche zusammenhänge nicht erkennen können, sind ihres Amtes nicht würdig, und sollten einer Geistig weniger Anspruchsvollen Arbeit nachgehen.
Wissenschaft oder Ethik? Den Beiden ist der Holzweg sehr vertraut.
Pränatale Diagnostik ist schön und gut. Wir haben bei beiden unseren Kindern darauf verzichtet. Bewusst. Und dies aus zwei einfachen Gründen: Einerseits haben alle Tests eine hohe „False Positive“ Rate, erheblich höher als die effektive Erkrankung. Bei „älteren Müttern“ hat das zusätzlich die Folge, dass man grundsätzlich mit behinderten Kindern rechnet, obwohl das statistisch völlig unbegründet ist. In 95% der Fälle werden gesunde Kinder abgetrieben! Ausserdem passieren die allermeisten Behinderungen bei und nach der Geburt, womit die Tests davor völlig egal sind…
An Josef
Wie recht Sie haben. Unsere Tochter ist mit der Nabelschnur um den Hals auf die Welt gekommen und mit grösster Wahrscheinlichkeit durch Sauerstoffmangel behindert.