Das Gesundheitsdossier bleibt blockiert

Die Revision des Krankenversicherungsgesetzes mit dem Ziel der integrierten Versorgung, das sogenannte «Managed Care »-Modell, wurde von 76 Prozent der Stimmberechtigten abgelehnt. Das Ergebnis dieser Vorlage war an diesem Abstimmungssonntag das mit am meisten Spannung erwartete, denn es betrifft uns alle am stärksten. Ging es dabei doch um die Gesundheitskosten, die alle Bürgerinnen und Bürger – als Grundversicherte und potenzielle Patientinnen und Patienten – mit grösstem Interesse verfolgen, weil sie seit Jahren der steten Erhöhung ihrer Prämien machtlos gegenüber stehen.

Auch für die Parteien war diese Abstimmung von entscheidender Bedeutung. Da sich eine Ablehnung jedoch schon lange im Voraus abgezeichnete, waren die Parteien für Sonntag bereits mit neuen, sensationellen Vorschlägen gerüstet. Das Resultat war noch nicht bestätigt, als die neuen Ideen bereits Wellen schlugen.

Letzten Endes schauen die Versicherten vor allem auf ihren Geldbeutel und die Sicherstellung der Qualität der medizinischen Versorgung.

Einem Patienten wird Blut abgenommen. (Keystone)

Wieder haben die Wähler eine Gesundheitsvorlage abgelehnt: Einem Patienten wird Blut abgenommen. (Keystone)

Die SVP schlägt vor, die obligatorische Grundversicherung abzuschaffen. Die FDP fordert die Aufhebung des Vertragszwanges zwischen den Krankenkassen und Ärztinnen und Ärzten. Die CVP verlangt die Überprüfung der Tarifstruktur von Tarmed und einen Zulassungsstopp für neue Arztpraxen. Die SP möchte die chronisch Kranken aus dem liberalisierten Krankenkassensystem ausschliessen. Von anderen Beteiligten des Sektors werden weitere Vorschläge laut, wie beispielsweise derjenige der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), der verlangt, dass ambulante Spitalbehandlungen von den Kantonen finanziert werden.

Die Reduzierung der Gesundheitskosten ist somit eine Sache von mehr oder weniger Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Und mehr oder weniger Markt bedeutet Verstaatlichung oder Liberalismus. Letzten Endes ist die Erkenntnis jedoch dieselbe. Nämlich jene, die auch die Urnen zeigen: Die Bevölkerung hat kein Vertrauen in die Krankenkassen als Akteurinnen im Gesundheitswesen, jedenfalls im jetzigen Zustand nicht. Paradoxerweise sagen dies genau jene Parteien, die der Sache gegenüber am liberalsten eingestellt sind (SVP, FDP). Sie predigen die totale (SVP) oder fast vollständige (FDP) Öffnung des Marktes. Der Wettbewerb funktioniere nicht, argumentieren sie.

Eines ist auf jeden Fall offensichtlich: Derart uneinheitliche Vorschläge werden das Gesundheitsdossier im Parlament dauerhaft blockieren. Kompromisse, die aus den zahlreichen gegensätzlichen Ansichten entstehen können, werden kaum überzeugen. Die Anhänger von Managed Care werden erneut komplexe Projekte auf die Beine stellen, deren Entwurf sich in den eidgenössischen Räten ebenso komplex wie langwierig erweisen wird und deren Scheitern an der Urne bereits vorprogrammiert sein wird. Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger haben acht Jahre Parlamentsarbeit einfach so vom Tisch gewischt. Sie werden es wieder tun.

Und sie werden keine Spur von Reue zeigen. Das ist normal, denn letzten Endes schauen die Versicherten vor allem auf ihren Geldbeutel und die Sicherstellung der Qualität der medizinischen Versorgung, die sie als Patientinnen und Patienten erwarten dürfen. Eines ist somit klar: Solange eine Reformvorlage im Gesundheitswesen nicht zu 120 Prozent garantiert, dass ihr einziges Anliegen die Patientinnen und die Patienten sind, wird sie nie eine Mehrheit für sich gewinnen können.

Die von der Linken als Allheilmittel dargestellte Einheitskasse, die bereits Schatten über die Kampagne geworfen hat, muss ebenfalls auf diese Art überzeugen können. Sie muss garantieren, dass der irrsinnige Prämienanstieg endlich aufhört und dass die Qualität der medizinischen Versorgung auch in Zukunft erhalten bleibt. Bürgerinnen und Bürger pfeifen nämlich darauf, ob sie ihre monatliche Rechnung an die Krankenkasse oder an die kantonale Verwaltung senden müssen.

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22 Kommentare zu «Das Gesundheitsdossier bleibt blockiert»

  • Martin Cesna sagt:

    Wettbewerb unter den Krankenkassen? Eine gute Schweizer Art ist der Stammtisch, wo man alles bespricht und dann die Pfründe untereinander verteilt. Das war 1291 wohl schon so und wird es auch so bleiben. Nur wenn von aussen halt jemand (wie Napoleon o.ä.) kommt, dann erhebt man sich für eine Entscheidung.
    So glaube ich diesem Wettbewerb auch nicht, solange für die Beteiligten nicht wirklich ein reelles Marktrisiko des Konkurses inbegriffen ist. Alles andere, so wie es jetzt ist, ist eigentlich verkappte Pfründenschefflerei. Da wäre eine funktionale Einheitskasse billiger.

  • Abschaffung der obligatorischen Grundversicherung (SVP) aus meiner Sicht schlechte Lösung. Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Kassen und Ärzten noch schlechter. Kantonale Bezahlung ambulanter Behandlungen (eine Fiktion) hoffentlich. Dann müssten sich die Kantone überlegen ob sie nicht „Triageärzte“ anstellen möchten. (Kriegszustand) (lange Wartezeiten). Patienten würden weniger. Ärzte auch.

  • Sgt Klinger sagt:

    Danke Herr Alonso für eine ruhige und klare Einschätzung. Ein neutraler und gut analysierender Kommentar zur Abstimmung, dies im Gegensatz zu Ihren Berufskollen Wertheimer (Verkehrsabgabegesetz ZH) und Eppenberger (Ladenöffnungszeiten ZH).

  • Daniel Keller sagt:

    Ach, Herr Alonso … gehen Sie auf http://www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/01156/index.html?lang=de, dort die Taschenstatistik, Oblg. KV: Kennzahlen, und lesen Sie:

    Leistungen
    2000: 13’190 Mio., 2010: 20’884 Mio., = +58% in 10 Jahren
    Verwaltungsaufwand
    2000: 863 Mio., 2010: 1’146 Mio., = +32% in 10 Jahren

    Also, wenn Sie den „irrsinnigen Prämienanstieg“ bekämpfen wollen, setzen Sie bitte am richtigen Ort an, und hören Sie auf, den Leuten vorzuschwafeln, mit der Einheitskasse liesse sich das Problem lösen …

  • Martin Frey sagt:

    Auch wenn der Autor offenbar nicht anders kann, als am Schluss seines ansonsten guten Resumées noch kurz der Einheitskasse das Wort zu reden. Es bleibt unbestritten dass die Bevölkerung keine solch einschneidenden Paradigmenwechsel wünscht, da sie die freie Arztwahl und somit die mediz. Versorgungsqualität allem anderen voranstellt. Hohe Qualität bedingt aber auch in Zukunft ein weiteres Ansteigen der Kosten, anders andere ist Augenwischerei. Die Rezepte der SVP wie der SP sind völlig untauglich. Und eine Einheitskasse würde kein einziges der Probleme lösen, dafür alle Macht auf sich vereinen.

  • Peter Müllers sagt:

    Viel zu viele Leute verdienen sich im Gesundheitswesen eine goldene Nase.
    Auch eine Einheitskasse bringt keine Abhilfe. Die Verwaltungskosten betragen im Durchschnitt ca. 5,5% der Prämie. Bei einer Einheitskasse wirds auch Verwaltungskosten geben (siehe SUVA). Wie soll diese ganze Sache augestaltet werden? Was wird mit denen, die bei einer Versicherung arbeiten?

  • Bernhard Eigenmann sagt:

    Die Versicherten werden doch laufend betrogen. Seit der Rabatt für die Maximal-Franchise reduziert wurde (da wurde ich doppelt bestraft; zahle meine Rechnungen selber und muss noch mehr Prämien zahlen), bin ich skeptisch, dass die Politiker wissen, was sie tun. Es müssen endlich Kosten gespart werden, wo sie anfallen (Spitaler reduzieren, Bildgebung nach strenger Indikation etc.) – die alleinige Leistungskastration beim Versicherten zögert die Problemlösung nur raus.

  • Hans Meier sagt:

    Holen wir doch einmal Organisations-Fachleute aus der Exportindustrie! Die können ihre Geschäfte, Komponenten mit vielen Partnern global steuern und mit den Informationsflüssen höchste Qualitätsansprüche erfüllen. Die meisten Politiker sind Reaktionäre, die sehr plausible, volkstümliche direkte Gegenmassnahmen für Probleme fordern. Bringt endlich Transparenz, effiziente Pflege der Dossiers, auch wenn das vielen Patienten und Aerzten nicht passt. Transparenz für alle Beteiligten!

    • M.D. sagt:

      Aber da haben wir ja schon das erste Problem. Kommentatoren, (Hobby)-+politiker und Technokraten die das Problem nicht von innen kennen, sondern von aussen glauben Gesundheit wäre eine Schräublifabrik…
      Aber selber dann, wenn sie dann krank sind oder es glauben zu sein, selbstverständlich alles haben wollen,..und zwar pronto !

  • Giuli di Mona sagt:

    Arrgh…, dieses Symbolbild spottet aller Richtlinien guter Pflege.
    Und…Hr. Meier die Patientendossiers sind besser gepflegt als Sie denken!
    Das Hauptproblem in meinen Augen besteht da, dass immer mehr gespart wird im Gesundheitswesen. Je mehr gespart wird umso weniger Personal hat es. Je weniger Personal umso mehr Fehler( um beim Beispiel von Herrn Meier zu bleiben) z.B. im Aktenstudium (Patientendossiers). So kommt es zu Fehldiagnosen. Je mehr Zeitdruck umso mehr Fehler…. wenig Schlaf, dafür noch mehr Fehler….die Zitrone kann nicht mehr weiter ausgepresst werden.

  • Roland K. Moser sagt:

    Wurde die Entwicklung der Kosten schon mal analysiert? Irgendwer schöpft ab – Die Frage ist wer? Wie ich mal gelesen habe, macht die Zulieferindustrie Preise jenseits von Gut und Böse, mit der Begründung, dass die Krankenkasse es ja bezahle.
    Wieso übernehmen die Krankenkassen Gesundheitskosten, welche Ursache beim Tabak und Alkohol haben?

    • Giuli di Mona sagt:

      Hr. Moser, weil es zum Solidaritätsprinzip gehört!
      Auch Jogger haben Spätfolgen(Arthrose z.B.), Grümpeltournier- Teilnehmer sollten die Kosten für ihre Bänderrisse, Meniskenverletzungen etc.auch selber berappen, überhaupt Leben ist mit Gesundheitsrisiken verbunden….
      Die Liste der Ursachen kann unendlich fortgesetzt werden…aber nach dem Verursacherprinzip darf hier nicht zur Kasse gebeten werden. Das macht kein Sinn. Sonst müssten wir morgens am Bettrand sitzen bleiben,was aber auch Schäden in der Gesundheit mit Kostenfolgen verursachen könnte, weil….

  • Roland Steiner sagt:

    Der grosse Kostentreiber in der Schweiz ist doch der Föderalismus. Ich bin eigentlich ein grosser Befürworter des Föderalismus. Leider ist aber das Gesundheitswesen so vielfälltig geworden, dass für so wenige Leute wie in der Schweiz wohnen, eine gesammtheitliche Struktur erstens die Kosten senken würde und zweitens sogar die Qualität zunehmen würde. Am Beispiel der Herztransplantationszentren ist doch deutlich erkennbar, wo das Problem liegt.

    • Roland Steiner sagt:

      Somit hier wieder einmal mein Vorschlag:

      -Die Gesundheitsversorgung​ wird über 50 unterschiedlich spezialisierte Spitäler gesammtheitlich sichergestellt. Dort werden alle planbaren grösseren Eingriffe und die Weiterversorgung von grösseren Notfällen durchgeführt.

      • Roland Steiner sagt:

        -Für​ Notfälle sollen Notfallstationen gesammtschweizerisch so verteilt sein, dass eine von diesen von jedem Ort in der Schweiz innert vernünftiger Zeit erreicht werden kann. Dazu könnten z.B. ehemalige Spitäler zu Ärztezentren umgebaut werden. Dort währen mehrere Hausärzte mit einer gemeinsamen Infrastruktur tätig die auch gleichzeitig die Notfallversorgung gewährleisten würden.

        -Die frei werdenden Einrichtungen und auch das Personal könnten weiterverwendet werden. Da unsere Bevölkerung immer älter wird, wird der Bedarf an entsprechenden Einrichtungen und Fachpersonal immer grösser.

        • Giuli di Mona sagt:

          huhu das gibt es schon… Kosten werden nicht gesenkt dadurch!! Im Gegenteil, unter anderem darum wird es teurer, weil die Bevölkerung wegen jeder Bagatelle immer sofort auf den Notfall geht statt zum Hausarzt. Und wissen sie weshalb? Weil sie innert 15Min. eine Erstbehandlung erhalten. Beim Hausarzt hätten sie vielleicht erst in 3 Tagen einen Termin für den lästigen Pickel. Das CH-Volk kommt gerne samstags nach dem Ausgang, Kino, Freundesbesuch noch schnell im Notfall vorbei, weil sie gerade Zeit hattenwegen einem Mückenstich…, od. z.B.einem Sturz vor einer Woche..24h Gesellschaft ist teuer

  • H. Trickler sagt:

    Wenn man die Gesundheitskosten reduzieren will, muss man zuerst wissen wodurch sie entstehen. Dies ist kompliziert und wird von den Medien leider nicht vollbracht.

    a) Unsinnige Kosten am Lebensende, z.B. durch teure Operationen, welche die Lebensspanne um ein paar Jahre mit fragwürdigster Lebensqualität verlängern.

    b) Unzählige unnötige Arztbesuche von mehr oder weniger hypochondrischen Menschen, welche ihre Zeit gerne so verbringen.

    c) Nach wie vor überteuteurten Medikamentenpreisen in der Schweiz, weil das Parlament Parallelimporte aus Gründen des Lobbyismus weiterhin verbietet.

    • klingler sagt:

      Hier steht genau was sache ist!!!!! Hoffentlich lesen viele ihren Artikel und begreifen…aber ist wahrscheinlich Wunschdenken

  • Rosmarie Thoma sagt:

    Wie soll die Einheitskasse den Kostenanstieg bremsen können, wenn die Krankenkassen zur Zeit nur 5 % der Prämien für die Verwaltung ausgeben, aber 95 % für medizinische Leistungen? Die kantonale Verwaltung wird den Leuten nicht mehr egal sein, wenn sie erstmals mit „bin nicht zuständig“ verbunden werden. Die Einheitskasse hätte das Monopol und müsste sich nicht mehr anstrengen, das hat sich noch nie positiv auf den Kundendienst ausgewirkt. Darum, Finger weg von der Einheitskasse!

  • @ Frau Rosmarie Thoma. dieser Ihrer Meinung bin ich nicht. Es gibt sie durchaus die Kantonalen Verwaltungen bei denen man innert kürzester Frist an die gewünschte Stelle weitergeleitet wird. ZB AHV Bern. Städte u Gemeinden Luzern und Zürich. Und viele mehr. Eine Einheitskasse für mich (nicht SP) immer noch die beste Lösung. Keine TV Werbung. Keine Büros (Abwerbung junger Menschen). Keine Fitnessabos. Keine Sponsorengelder. Bessere Ärzte und Patientenübersicht. Keine Jungmannschaft (ohne jegliches Kassenverständnis hauptsache billig) schon am Telefon. Straffere Führung. Mehr Ausbildungsplätze.

    • Rosmarie Thoma sagt:

      @Frau Richard. Eben, weitergeleitet wird :-). Schalter 12 ist nicht zuständig, gehen sie zum Schalter 28. Warten Sie mal, bis Sie zum IV-Fall werden und sich mit der IV rumschlagen müssen. Wenn die Verwaltungskosten nur 5 % ausmachen, dann bringt eine Halbierung der Verwaltungskosten eine Prämienreduktion von 2,5 %. Das ist die Prämienerhöhung von einem Jahr infolge gestiegener Gesundeitskosten. Zur Jungmannschaft am Telefon: Sie widersprechen sich. Ältere qualifizierte Arbeitnehmer haben einen höheren Lohn, daraus resultieren höhere Verwaltungskosten! Fitnessabos gibt es nur im Zusatz.

  • Nina Tanner sagt:

    Zum „Irrsinnigen Prämienanstieg“: Solange die Produktivität in Industrie und Teilen des Dienstleistungssektors weiter steigt, werden die personennahen Dienstleistungen in den Spitälern und Pflegeheimen relativ gesehen immer teurer. Dies erklärt die „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen zu einem grossen Teil. Dieses Phänomen tritt in reichen und wettbewerbsfähigen Ländern seit ca. den 1970ern auftritt, und dagegen ist die Politik machtlos. Entscheiden müssen wir, ob wir ein Heer von prekär beschäftigten Ausländerinnen in die Schweiz holen, oder ob uns eine vernünftigere Lösung einfällt.

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