Wingsuit-Premiere in der Matterhorn-Nordwand

Valery Rozov

Der erste Basejump mit einem Flügelanzug aus der Matterhorn-Nordwand: Valery Rozov am 1. August 2012. (Bild: Video-Screenshot)

Während unten in Zermatt am vergangenen Nationalfeiertag die ersten Feuerwerke in die Luft flogen, stürzte sich der Russe Valery Rozov aus der Matterhorn-Nordwand. Für die Talbewohner im ersten Augenblick nichts Ungewöhnliches. Der winzige Felsvorsprung auf 4150 Metern Höhe, von welchem der inzwischen tödlich verunfallte Ueli Gegenschatz im Jahr 2002 als erster Basejumper sprang, ist in der Szene weltberühmt. Doch bisher gabs von da einzig sogenannte Objektsprünge, das heisst, nach dem Absprung wird sofort der Fallschirm gezogen. Auch Rozov hatte diesen Objektsprung vom Matterhorn in den letzten Jahren mehrmals wiederholt. Nun setzte er am 1. August die Messlatte neu: Er sprang von diesem Exit mit dem Wingsuit und flog als erster Mensch hinab nach Zermatt.

Die Matterhorn-Nordwand fällt zwar unterhalb der Exitstelle schwindelerregende 1700 Meter abschüssig ab, aber nur die obersten 150 Meter sind wirklich vertikal. Ein Risiko für den Basejumper. Kommt er nach dem Absprung nicht schleunigst von der Felswand weg, schlägt er nach 150 Metern unten auf dem Fels auf. Die Rock-drop-Tests, für die er Steine von der Absprungstelle hinunterwarf, um zu messen, wie lange es dauert, bis sie aufprallen, ergaben: sechs Sekunden. So wenig Zeit hatte Rozov, um mit dem Fliegen zu beginnen.

Eine Matterhorn-Trilogie

«Klar war ich nervös, wie immer, wenn ich etwas Neues ausprobiere», sagt er später. Doch alles lief wie geplant. Sein Freifall dauerte 90 Sekunden, dann zog er den Fallschirm. Gelandet ist er in der Nähe der Gondelbahnstation in Zermatt. Ein Sprung, den er mit seinem alten Wingsuit nicht gewagt hätte. Das neue Hightech-Modell, das seit diesem Jahr seinen Adrenalindurst stillt, sei keine Spezialanfertigung für ihn, sondern «ganz normal im Handel zu kaufen». Damit gelingt ihm jetzt allerdings eine Sensation nach der anderen.

Mit seinem jüngsten Streich hat er quasi eine Matterhorn-Trilogie zusammen. Vor zwei Monaten jumpte er als erster Mensch vom Shivling, dem «Matterhorn des Himalaja», aus 6300 Meter Höhe! Vor einem Monat verwirklichte er sich einen lange gehegten Traum und sprang als erster Basejumper vom Mount Ushba, dem «Matterhorn des Kaukasus». Und jetzt als Erster mit dem Flügelanzug vom wahren Matterhorn, der Nordwand, dem Schweizer Wahrzeichen.

Valery Rozov

Der erste Basejump vom Mount Ushba, dem Matterhorn des Kaukasus: Valery Rozov am 6. Juni 2012. (Foto: Thomas Senf / Red Bull Content Pool)

Auch ich kann Fehler machen

Der Begriff Basejumping bezeichnet das Fallschirmspringen von festen Objekten wie Brücken, Gebäuden, Türmen oder Felsen. Abspringen mit Flügelanzügen gilt als Sonderform des Basejumpings. Und es fällt auf, wie rasant Material und Technik weiterentwickelt werden. Die Schweiz gilt als ein Mekka der internationalen Szene. Insbesondere im Lauterbrunnental kommen immer wieder Basejumper zu Tode. Unfälle, die zu kontroversen Diskussionen führen.

Valery Rozov, Base-Kletterer.

Valery Rozov, Base-Kletterer.

Valery Rozov, 48-jährig, Vater von drei Söhnen, zählt zu den Ausnahme-Basejumpern. Angefangen hat er mit Fallschirmspringen, Skydiving und Skysurfing (mit einem speziellen Surfbrett durch die Luft gleiten, bevor man schliesslich den Fallschirm öffnet). Er gewann zahlreiche Wettkämpfe, darunter je zwei Welt- und Europameisterschaften. In dieser Zeit lernte er auch Basejumpen – eine Faszination, die er nicht als Sport bezeichnet, sondern als «extreme Aktivität». Seine andere Leidenschaft ist das Bergsteigen. Darum verbindet er am liebsten diese beiden Disziplinen, klettert in der ganzen Welt auf anspruchsvolle und magischschöne Berge, von denen noch niemand mit dem Wingsuit gesprungen ist.

Base-Klettern ist eine Kombination, die nur wenige beherrschen. Dass er sein Leben Hochrisiko-Abenteuern widmet, ist dem Moskauer bewusst. «Auch ich kann Fehler machen und dabei verunglücken, nicht nur die anderen», sagt er. Trotzdem wolle er seine Grenzen ausloten. «Aber ich darf das Glück nicht zu oft herausfordern.» Vor einem Absprung analysiere er die Felswand, das Wetter, seine Fähigkeiten. «Das sind meine Hauptkriterien. Und ich habe meine Regeln: Passt eines davon nicht, ist das noch okay. Aber wenn zwei nicht passen, springe ich nicht.»

Hätten Sie jemals den Mut zum Basejumpen?

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24 Kommentare zu «Wingsuit-Premiere in der Matterhorn-Nordwand»

  • Renggli Madeleine sagt:

    Jep Corliss macht bessere Aufnahmen und geilere Musik obendrauf.

  • ln sagt:

    Es ist gut, dass jeder Risiken selber bestimmen kann für das eigene Leben.

  • Hans Müller sagt:

    Wenn man gewisse Kommentare hier liest, so könnte man meinen, dass der Stubenhocker, welcher nach jahrelangem Siechtum an Alzheimer oder Parkinson stirbt, der Öffentlichkeit keine Kosten verursacht. JEDER macht mal einen Abgang und JEDER Abgang kostet. Also versenkt das Kostenargument endlich in der Mottenkiste.

  • peter hirzel sagt:

    Die fuedlibuereger rufen immer gleich nach neuen verboten! Lasst die doch fliegen sie tun niemandem weh! Und von wegen rehakosten: im verkehr wwerden viel mehr unschuldibge zu krueppeln gefahren durch adrenalinsuechtige raser! Also lieber adrenalinsuechtige Flieger…

  • Moniflyy sagt:

    Selbstverschuldete Verkehrsunfallopfer, Drogenabhängige, arbeitsscheue Menschen, karrieregeile Burnout Betroffene – um nur einige zu nennen – kosten sicherlich gesamthaft mehr Geld als ein verunfallter Extremsportler. Alle genannten sind Teil unserer Gesellschaft und unsere Gesellschaft mag sie tragen. Ich kann Menschen verstehen, die das intensive (er-)leben suchen und rate jedem, es auch einmal zu probieren – jeder in seinem dafür gewählten Ausmass und Rahmen.

  • dan meier sagt:

    Unerwähnt aber erwähnenswert: jeder Basejumper zehrt von seinem Glück. Irgendwann kommt der Punkt, wo das Glück nicht reicht und das Talent nichts nützt und nur noch das Ende wartet. Es gibt relativ wenige, die basejumpen und viele davon überleben ihr Hobby je länger, je weniger. Ein Verbot erachte ich als unnötig, würd eh nichts bringen.

  • hallo mitenand

    super valery, grossartige leistung, gratuliere.
    jeder soll, und darf mit seinem leben machen was er will.

    ich wünsche allen gute touren.

    gruss von
    raphael wellig / http://www.raphaelwellig.ch

  • Joachim Adamek sagt:

    @Phil. Rittermann: Servus! Ich teile Ihre Ansicht, dass die Zustände, wo man auch hinschaut, insgesamt alles andere als rosig sind. Dennoch bin ich der Meinung, dass die ärgste Bedrohung nicht vom Fortschritt ausgeht, sondern eher davon, dass er zu langsam kommt. Auch wenn mich vieles mit Sorge erfüllt, so bin ich der Meinung, dass man sich nie von Ängsten, vom Mangel und anderen Nöten beherrschen lassen sollte. Das nur nebenbei.
    Ich lerne ― wenn Sie mir gleichfalls dieses Geständnis gestatten ― lieber aus den Fehlern anderer als aus eigenen Fehlern. Aus diesem Grunde lese ich die Berichte und Meldungen über bestimmte Unfälle sehr aufmerksam, auch die Nachrichten aus dem Lauterbrunnental. Ich kann deshalb in Anbetracht der vielen Todesstürze nachempfinden, weshalb manche Leute das Basejumpen verbieten möchten, glaube jedoch nicht, dass man Gefahren, welcher Art auch immer, mit Hilfe von Verboten aus der Welt schafft.
    Ueli Gegenschatz war ein sehr besonnener Basejumper, sein Hobby wurde ihm trotzdem zu Verhängnis, und vielleicht sollte sein tragische Ende jenen zu denken geben, die mit dem Basejumpen liebäugeln. Viele, die die Videos von Herrn Rozov gesehen haben, vergessen, dass Herr Rozov sich seine Flugtechnik über Jahre sehr mühevoll (und zuweilen schmerzhaft) erworben hat und dass für ihn der Adrenalinkick nie im Vordergrund stand.
    In England gibt es einen Ort, um zum Ende zu kommen, in dem vor einiger Zeit unter Jugendlichen eine “Selbstmordepidemie” grassierte. Sie endete sehr abrupt, und als die Medien aufhörten, über die Selbstmorde zu berichten. Ich finde, der Outdoorblog berichtet alles in allem sehr kritisch und zurückhaltend über das Basejumpen. Ich finde es gut, dass es als Gegengewicht zu den glorifizierenden Videos in Netz hier ein Forum für kritische Stimmen schafft.

    • Philipp Rittermann sagt:

      hallo herr adamek. ich gebe ihnen auf der ganzen linie recht. und schlussendlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob-, wie-, oder wobei man sich quälen lässt. trotzdem bin ich der meinung, dass bei einem grossteil dieser „extrem“-sportler halt eben doch der kick im vordergrund steht; und – wie’s der begriff beinhaltet ist ein kick nur von kurzer dauer. es war mir schon immer ein rätsel, was manche leute auf sich nehmen für ein paar sekunden „höchster befriedigung“. aber gut, ich verurteile das nicht. mir persönlich sind etwas nachhaltigere erlebnisse lieber. have a good day! ah – by the way – zu ihrem letzten absatz: es ist in der tat in der verantwortung der medien, die ereignisse so darzustellen, dass möglichst alle aspekte der jeweiligen thematik beleuchtet werden. dieshingehend spricht doch einiges für die autoren der outdoor-blogs, fürwahr.

  • Hubert Roth sagt:

    Habe ich richtig gelesen? Vorher werden Steine die Wand hinuntergeworfen?? Was lernt jedes dreijährige Kind? Dafür sollte man ihn einsperren!

    • wolfgang redak sagt:

      ich glaube nicht, dass am matterhorn soviele dreijährige kinder unterwegs sind..
      und in (alpinen) wänden ist es völlig normal, dass steine runterkommen. ob’s einer mehr oder weniger ist, macht keinen unterschied. schon gar nicht, wenn sie als steuerzahler seinen (unbegründeten) gefängnisaufenthalt bezahlen dürften..

  • Joachim Adamek sagt:

    Glückwunsch, Herr Rozov! Das haben Sie wieder einmal gutgemacht. ― Und allen irritierten Lesern: Wenn Herr Rozov wohlbehalten in Zermatt gelandet ist, dann nicht, weil Wahnsinnige vom Glück beschützt werden, sondern weil der Russe einen guten Begriff von dem hatte, was er wann unter welchen Bedingungen leisten kann. Für diese grandiose Einschätzung hat er meinen Respekt. Für Otto-Normalo mag es richtig sein, möglichst unspektakulär und vorsichtig durchs Leben zu gehen, weil Otto-Normalo weder über besondere Talente und noch Fähigkeiten verfügt. Grosses bringt man auf diese Weise nie zustande. Dächten alle so, würden wir heute noch in Löchern und Bäumen hausen und mit Speeren im Fluss nach Fischen jagen. Ob das der Traum vom schönen Leben ist?

    • Philipp Rittermann sagt:

      grüezi herr adamek. also meiner rein persönlichen meinung nach, ist mir, verglichen mit den heutigen zuständen ein hausen in löchern und bäumen je länger je lieber. adrenalinschübe um jeden preis – ob das der traum vom schönen leben ist?

    • Chris Müller sagt:

      Es muss ein unbeschreibliches Gefühl sein…nur, wer bezahlt im Falle eine Unfalls? Wenn jemand zu tode kommt kostet das am Wenigsten (makaber aber wahr). Wer kommt dafür auf, wenn bis zu 20 Operationen nötig sind…Reha etc etc. Diese Frage mag vielleicht nicht in die abenteuerliche Welt der Basejumper passen, legitim ist sie jedoch allemal.

      • der herr sagt:

        wenn im freifall probleme entstehen, sind oft sind keine operationen (mehr) nötig. das bezahlen erübrigt sich.

        falls beim landen etwas schiefgeht, ist mit brüchen (handgelenke, unterarme und beine) zu rechnen. das passiert aber auch nicht öfter, als beim velofahren. und das ist glücklicherweise auch nicht verboten…

  • Warum wird das nicht sofort verboten?Der internationale Sauglattismus hat in der Schweiz keinen Platz. Der kann ja im Kaukasus oder Ural jumpen.Aber der schweiz. Lottertourismus ist vermutlich gerne bereit alles zu tun um noch mehr fremdes Volk ins Land zu bringen, einfach der Publizität willen Und natürlich des Geldess wegen.. Bedauerlich

    • Hans sagt:

      > Warum wird das nicht sofort verboten?

      Weil’s kein Problem ist.

      • Jon Maier sagt:

        Das würd ich jetzt auch nicht grad sagen. Fragen Sie mal die Leute von Lauterbrunnen. Immer wieder kommt da jemand beim Basejumping um.
        Verbot ist aber wohl trotzdem der falsche Weg.

        • Hans sagt:

          Die Leute von Lauterbrunnen habe ich nicht gefragt, nur Äusserungen von deren Gemeinde-Präsi mitbekommen. Es scheint kein Problem zu sein.

          Wenn die meinetwegen 10 Toten pro Jahr ein Problem wären (alle selbstverschuldet), dann müssten wir mit dem motorisierten Strassenverkehr schleunigst aufhören. Dort sterben viel mehr Leute (und nochmals viel mehr werden verkrüppelt) und viele davon sind unschuldig am Unfall.

          Ich bleibe dabei: für die Schweiz ist Base-Jumping kein Problem, das eine weitere Regulierung benötigt.

    • lars sagt:

      genau, wir sind schliesslich ein Volk von kleinkarierten Langweilern mit total beschränktem Horizont. Und so soll es auch bleiben! Alles Neue kann nur Unsinn sein und alles was einem persönlich missfällt muss um jeden Preis der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Danke Herr Lips für ihr kompetentes Auftreten in dieser Angelegenheit.

    • Walter Baer sagt:

      … und an der Schweizer Grenze gleich ein Schild aufstellen „Achtung, Sie betreten die verbotene Zone!“

    • Reto Baumann sagt:

      Was für eine langweilige Lebenseinstellung! Aus der Wortwahl und dem generell aggressiven Schreibstil schliesse ich auf ein älteres Semester von gutbürgerlicher Herkunft. Geniessen Sie lieber Ihre Zeit und gifteln Sie am Stammtisch weiter.

  • Tenzing Norgay sagt:

    Sehr geil!
    Der Adrenalirausch muss unglaublich sein. Interessant zu sehen, was material- und flugtechnisch noch alles möglich sein wird.
    Nur ist neben Ueli Gegenschatz (R.I.P.) auch Jeb Corliss fast zu Tode gestürzt und muss jetzt eine langwierige Reha machen. Es spricht trotzdem nichts dagegen, aber ich bin der Ansicht, dass diese Herren ein Sonderabonnement der Rega benötigen. Der Versicherungsmathematiker weiss, dass das Risiko eben nicht dasselbe ist wie bei einem Wander- oder Verkehrsunfall.
    Fly on!

    • Dani sagt:

      Die Rega sollte sich in diesen Fällen konsequent weigern, Hilfe zu leisten! Genau so Typen (Zitat: geil, Adrenalinrausch, RIP, fly on) verdienen es nicht, dass die Retter u.U. ihr Leben riskieren, um solche «Spassvögel» und «Obercoole» zu retten.

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