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Nach Ruin von IV-Gutachter-FirmaStaatsanwalt will gegen grüne Nationalrätin vorgehen

«Mein Berufsethos gebot mir, so zu handeln, wie ich gehandelt habe», sagt Katharina Prelicz-Huber zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft.

Am 16. Mai muss die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber vor der Immunitätskommission des Nationalrats antraben, wie Kommissionspräsident Pierre-André Page bestätigt. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern hat ein Gesuch zur Aufhebung ihrer Immunität gestellt. Die Kommission muss entscheiden, ob die Berner Ermittler ein Strafverfahren gegen die Politikerin eröffnen dürfen.

Damit ist klar, dass die Strafjustiz die gegen Prelicz-Huber vorliegenden Vorwürfe zumindest nicht für völlig abwegig hält. Sie soll mitgeholfen haben, die umstrittene IV-Gutachter-Firma Pmeda «durch Rufmord in den Ruin» zu treiben. So jedenfalls hat es die «Weltwoche» einmal formuliert.

Angezeigt ist die grüne Politikerin wegen übler Nachrede und Verletzung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. In derselben Sache will die Strafbehörde auch gegen den Präsidenten und den operativen Leiter der eidgenössischen Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung vorgehen. Die beiden sollen am Niedergang der Firma mitschuldig sein.

Gutachter gibt auf

Die Gutachterfirma Pmeda ist gemäss Handelsregister mittlerweile offiziell in Liquidation. Der Hauptgrund: Die Firma darf seit Oktober letzten Jahres nicht mehr für die Invalidenversicherung arbeiten. Das hatte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Empfehlung der medizinischen Qualitätssicherungskommission entschieden. Die Kommission hatte in ärztlichen Gutachten der Pmeda «formale und inhaltliche Mängel» festgestellt. 

Katharina Prelicz-Huber kämpft für das Recht von Menschen, welchen ihrer Meinung nach Unrecht geschah.

Pmeda hatte in den vergangenen zehn Jahren rund 2500 Gutachten für die IV und andere Versicherungen erstellt. Gründer und Chef der Firma ist der deutsche Neurologe Henning Mast. Mehrere Gutachter arbeiteten im Auftrag seiner Firma. Insgesamt kassierte die Firma von der IV 26 Millionen Franken.

Ein Sieg mit Nachspiel

Für Prelicz-Huber ist der Niedergang von Pmeda ein Sieg auf der ganzen Linie. Sie hatte die Praxis der Gutachter mehrfach scharf kritisiert. Mast und seine Firma wurden auch in Medien angeprangert, unter anderem im «Kassensturz».

Der Vorwurf war immer der gleiche: Die Gutachten von Pmeda seien oft einseitig zugunsten der Versicherung ausgefallen. Tatsächlich invalide Menschen würden zu Unrecht als arbeitsfähig eingestuft. Unter den Gutachtern soll laut dem «Kassensturz» ein überdurchschnittlich hoher Anteil deutscher Ärzte gewesen sein. Der «Kassensturz» nannte einst eine Zürcher Gruppenpraxis mit 15 deutschen Ärzten, die für Pmeda gearbeitet haben sollen.

Prelicz-Huber nimmt das drohende Strafverfahren nicht auf die leichte Schulter. «Eine solche Situation ist nie lustig», sagt sie. Sie spüre auch keine Genugtuung, dass Pmeda habe aufgeben müssen. Sie habe aber keinen Fehler gemacht. «Mein Berufsethos gebot mir, so zu handeln, wie ich gehandelt habe», sagt die Sozialarbeiterin, die bis 2015 an der Hochschule Luzern als Professorin tätig war.

Mehrere Personen, die von Pmeda-Gutachtern beurteilt worden seien, hätten sich an sie gewendet, sagt Prelicz-Huber. Sie habe deren Fälle angeschaut. «Es war offensichtlich, dass viele Gutachten Mängel hatten.» Deshalb habe sie dies öffentlich kritisiert und sich politisch dafür eingesetzt, dass «die Pmeda nicht mehr für die IV arbeiten darf». Problematisch finde sie indessen, dass «ehemalige Gutachter von Pmeda offenbar heute bereits wieder für die Invalidenversicherung arbeiten».

Wegen welcher Äusserungen oder Handlungen genau die Berner Justiz gegen die Politikerin vorgehen will, ist nicht klar. Die Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht äussern. Falls Prelicz-Hubers Immunität tatsächlich aufgehoben wird, drohen ihr im schlimmsten Fall hohe Schadensersatzforderungen. 

Der Chef rechnet ab

Pmeda-Chef Mast gibt sich auf der Website seiner Firma kämpferisch. Er sieht seine Dienstleistungen als eine Art Schutz gegen die Aushöhlung der Invalidenversicherung durch ungerechtfertigte Renten. «Durch einen Missbrauch des Versicherungssystems steigen die Prämien massiv», schreibt er. Durch den «fragwürdigen Entscheid des Bundesamts für Sozialversicherungen», seiner Firma keine Aufträge mehr zu erteilen, werde dies gefördert.

Der Neurologe sieht sich als Opfer einer «schon lange andauernden Kampagne der professionell agierenden Geschädigtenanwälte mit starker Lobby und PR-Abteilung».

Bundesangestellte im Visier

Unklar ist, ob gegen die Mitglieder der medizinischen Qualitätssicherungskommission, die ebenfalls am Niedergang der Pmeda beteiligt gewesen sein sollen, bereits ermittelt wird. Für die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Mitarbeiter dieses Gremiums braucht es eine Ermächtigung des Justizdepartements.

Auf eine entsprechende Anfrage antwortet das Departement verklausuliert: «Wir können Ihnen bestätigen, dass die Staatsanwaltschaft Zürich im Zusammenhang mit Pmeda mit mehreren strafrechtlichen Ermittlungen beschäftigt ist.» Das Departement habe «im Laufe der letzten Jahre diesbezüglich auch mehrere Ermächtigungen erteilt».