Frankreichs unerklärliche Konsumlust

NMTM

Die Franzosen sind in Kauflaune – ein Teil von ihnen wenigstens. Foto: Charles Platiau (Reuters)

Die Wachstumszahlen der Eurozone sind für das erste Quartal 2016 überraschend gut ausgefallen. Gegenüber dem Vorquartal stieg das Bruttoinlandprodukt um 0,6 Prozent, gegenüber dem ersten Quartal 2015 um 1,6 Prozent.

Ein Land sticht dabei besonders heraus: Frankreich. Das BIP stieg um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Das ist besonders überraschend, ist doch das Land seit längerem als reform- und wachstumsunfähig abgeschrieben worden. Präsident Hollande gilt als Herrscher ohne Land. Man wartet nur noch darauf, bis er endlich geht, um frischen Kräften Platz zu machen.

Dennoch: So erfreulich es ist, dass Frankreich wieder wächst, es besteht wenig Anlass zu Euphorie. Die guten Zahlen sind vor allem vom Privatkonsum gestützt, der um 1,2 Prozent zunahm. Die Exporte hingegen nahmen um 0,2 Prozent ab. Das ist kein Einbruch, aber es zeigt, dass das Ungleichgewicht zwischen Deutschland und Frankreich immer grösser wird. Während östlich des Rheins die Exporte seit Jahren kräftig zulegen, stagniert die französische Exportwirtschaft.

Frankreich befindet sich also in einer ähnlichen Lage wie die Schweiz: Die Schwäche des Exportsektors wird kompensiert durch den Binnenkonsum.

Es gibt immerhin einen Lichtblick: die Investitionen, die um 0,9 Prozent zugelegt haben. Die Nichtfinanzunternehmen haben ihre Investitionen sogar um 1,6 Prozent ausgeweitet. Offenbar scheint sich die Stimmung deutlich verbessert zu haben.

Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse im Einzelnen.

Das BIP Frankreichs und seine Komponenten
Veränderungen gegenüber Vorquartal (in Prozent)
Quelle: Insee.
2015 T2 2015 T3 2015 T4 2016 T1
BIP 0,0 0,4 0,3 0,5
Importe 0,9 1,8 2,1 0,5
Konsum Haushalte 0,0 0,4 –0,1 1,2
Konsum Staat 0,3 0,4 0,5 0,4
Investitionen total 0,0 0,1 0,7 0,9
davon Nichtfinanzunternehmen 0,5 0,4 1,0 1,6
davon Haushalte –0,9 –0,5 –0,9 –0,2
davon Staat –0,6 0,1 1,8 0,1
Exporte 2,0 –0,3 1,0 –0,2
Inlandnachfrage ohne Vorratsveränderungen 0,1 0,4 0,2 0,9
Vorratsveränderungen –0,4 0,7 0,5 –0,2
Aussenhandel 0,3 –0,6 –0,4 –0,2

Die nächste Grafik zeigt den Wachstumsbeitrag der BIP-Komponenten (Quelle). Sie bestätigt die entscheidende Bedeutung des Konsums. Auch die Spaltung der Konjunktur ist deutlich: Konsum und Investitionen nehmen, während der Beitrag des Aussenhandels negativ ist.

Le PIB et ses composantes

Wie lässt sich der Sprung des Konsums erklären? Die obige Grafik legt den Schluss nahe, dass es sich um einen Kompensationseffekt handelt: Im vierten Quartal 2015 wurde besonders wenig konsumiert, im ersten Quartal 2016 dafür besonders viel. Was hinter diesen Schwankungen steckt, hat man damit freilich nicht erklärt. Die französische Konsumlust bleibt ein Rätsel.

21 Kommentare zu «Frankreichs unerklärliche Konsumlust»

  • Marcel Senn sagt:

    Gemäss CS Wealth Report ist das französische Medianvermögen der Erwachsenen mit rund 140’000 $ auch höher als das CH Medianvermögen (rund 100’000 $) oder der Deutschen mit unter 70’000 $!
    .
    Nur beim Durchschnittsvermögen ist die CH Nr. 1 weltweit — aber beim Medianvermögen sind wir auch nur noch im oberen Durchschnitt.
    .
    Darum kann der Medianfranzose trotz allen wirtschaftlichen Widrigkeiten in F vermutlich doch noch etwas lockerer konsumieren als anderswo.

  • Leo Klaus sagt:

    Naja, so genau kennt man ja die Gruende hinter den Konjunkturfluktuationen auch nicht. Aber solange die EU-Staaten weiter mit gemeinsamen Waehrung, aber ohne gemeinsamen Wirtschaftspolitik weiterfahren, wo ein Staat gegen dem anderen spielt, werden alle Staaten vom Deutschland erstickt.

    Der einzige Weg aus der Sackgasse waere, wenn Deutschland die Eurozone verlassen wuerde. Da gaebe es aber einen Riesenschock. Es waere auch sehr unpopulaer, vor allem in Deutschland selbst, wenn die neue D-Mark wieder kraeftig an Wert zulegen, und dadurch die quersubventionierte Exportindustrie bremsen wuerde.

    • Rolf Zach sagt:

      Es ist ganz klar, wenn Deutschland den Euro abschafft, kann es wirkliche Entwicklungshilfe im großen Stiel leisten, nämlich nicht für Griechenland, Italien, Frankreich oder Spanien, wie Leute erzählen, die den wirklichen Reichtum der europäischen Volkswirtschaft nicht verstehen, sondern ganz einfach aus dem Bauch diejenigen Wahrheiten der Volkswirtschaftslehre nehmen, der ihnen paßt (der Schreibende ist auch nicht davon gefeit)! Es sind Japan, Südkorea und China, mit Einschränkung kommt Indien dazu, die bei der Abschaffung des € am meisten gewinnen. Die deutsche Exportindustrie wird nicht quersubventioniert! Meinen Sie Amerikaner fahren nur wegen Subventionen mit Fendt Traktoren+Unimog herum

  • Rolf Zach sagt:

    Na gut, das Lied von den schmarotzen Franzosen, den fleißigen Deutschen, den hinterhältigen Engländern und den pingeligen und raffinierten Schweizern kennt man ja, aber zur volkswirtschaftlichen Beurteilung dienen sie sehr wenig, 10 % nicht mehr.
    Die Zivilisation und das System des Landes bedeutend mehr, 30 %, der Rest von 30 % ist die Konjunktur und die Industriestruktur. Es ist einfach bedeutungslos, die Arbeitszeit der Beschäftigen eines Landes als wichtig zu betrachten, zählen tun nur die Lohnstückkosten und die Produktivität einer Volkswirtschaft. Frankreich ist eher ländlich, aber je mehr Stadt desto mehr kann die Infrastruktur die Produktivität fördern, es verteilt sich besser.

    • Rolf Zach sagt:

      Korrektur: Zivilisation mehr als 60 %.

      • Rolf Zach sagt:

        Nochmals Korrektur: Zivilisation 60 %

        • Rolf Zach sagt:

          Frankreich hat ein Anteil von Eigenheimbesitzer von 55 %, die Schweiz 36 %. Der Mittelstand ist in Frankreich wohlhabender als in Deutschland. Vergessen wir nicht 10 % aller Franzosen haben ein Maison secondaire, in Paris ist der Anteil höher, nur Moskau kann hier mithalten. Es ist viel Vermögen in Frankreich und deshalb können auch viele junge Leute es eher ruhig nehmen. Wenn auch die Löhne nicht sehr hoch sind, ist einfach eine schöne Substanz da und ich habe das selbst in Paris erlebt, als ich dort arbeitete. Viele Wochenende irgendwo in der Provinz bei einem französischen Kollegen.
          Die Bildung ist besser und breiter in Frankreich als in England, vor allem im Ingenieurwesen.

          • Rolf Zach sagt:

            Die größte Stärke Frankreichs ist neben dem Tourismus, der Export von Luxuswaren, bis 1939 sorgte dies für einen Überschuß der Handelsbilanz. Diese Branche ist noch da, aber nicht mehr so dominant. Teilweise konnte sie durch die Agrarexporte ersetzt werden. Vom Wein abgesehen, ist Frankreich erst seit 1950 ein wichtiger Agrarexporteur.
            Was Frankreich fehlt, ist eine größere Stärke im Export von Investitionsgütern. In der Auto-Industrie haben sie sich zu sehr auf den Absatz von Kleinwagen konzentriert.Die Deutschen haben den Markt für Luxusautos beschlagnahmt und diese Stärke sind sie nicht gewillt abzugeben.Dies hat auch enorm den deutschen Zulieferer geholfen, die sich weltweit breit…

          • Rolf Zach sagt:

            Die Reserven des französischen Mittelstandes für den Konsum sind reichhaltiger, deshalb die Ausschläge.

          • Josef Marti sagt:

            Die leben seit Jahrzehnten von der Substanz. Bei dieser Staats- und Fiskalquote und angesichts des europäischen steuerlichen race to the bottom bleibt ihnen nichts anderes übrig als das was vom kolonialen Erbe noch übrig ist zu Tode zu verwalten.

          • Rolf Zach sagt:

            Herr Marti, von Kolonien haben eigentlich nur 4 europäische Nationen im großen Stiel mächtig verdient. Spanien (Schatz der Schätze), Portugal (Brasilien), Niederlande (Gewürze, Indonesien), Belgien (Kongo/Gummi,Uran) Frankreich hatte nur eine Kolonie, die zügig Profit erbrachte, nämlich Indochina. Algerien war mehr Siedlungsgebiet als ein reichhaltige Geldquelle. Das übrige war im Durchschnitt gerade eine schwarze Null, Marokko etwas profitabler als Algerien. Die deutschen und italienischen Kolonien war reine Prestige-Sachen und ein Mühlstein um den Hals. Dagegen soff das kaiserliche St. Petersburg jede Menge Champagner und zerstob Wolken von Pariser Parfüm. Das war der Reichtum Frankreichs.

        • Rolf Zach sagt:

          Ich vergaß Großbritannien. Da war natürlich das Kronjuwel des Britischen Weltreichs, Indien. Eine Eroberung, die Indien großzügigerweise selbst bezahlte, was die Inder selbst nicht gerne zugeben. Auch der Opium-Export nach China, hat nicht nur England bereichert, sondern auch Indien. China hat später selber Opium angebaut und bereits früher haben die Inder von den Chinesen den Tee übernommen, der bessere Teil war bei Indien. Dazu kam Südafrika, das zweite Kronjuwel, ohne die Randlords kein Burenkrieg und was weniger bekannt ist, kein St. Moritz. Das übrige Afrika war nicht sehr profitabel. In Kanada, Australien und Neuseeland mußte zuerst mit den indischen Profiten investiert werden.

  • Josef Marti sagt:

    Das Preisniveau in F ist deutlich über dem Durchschnitt des Euroraumes während D darunter liegt und während das Nominallohnniveau etwa ähnlich ist; deshalb wirklich verwunderlich dass der Konsum stärker ansteigt als der Import. Da anscheinend auch Investitionen ansteigen muss das linke F als wahrer Musterknabe des von den Deutschen ursprünglich erfundenen Wachstums- und Stabilitätsgesetzes gelobt werden, welches D dank vom Süden geschwächten Euro und damit anhaltenden Exportüberschüssen mit Füssen tritt. Die neoliberalen Brüssel Technokraten müssen da wohl nochmals über die Bücher.

  • Marcel Senn sagt:

    Frankreich ist fast noch das einzige Land in Europa, das mit einer standartisierten Geburtenrate von 1.99 K/F immer noch fast genügend Kinder auf die Welt stellt und das Ideal von 2.1 K/F fast erreicht, auch wenn in letzter Zeit Pressemeldungen verkündeten die französische Babyboomerwelle sei vorbei.

    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/sinkende-geburtenrate-frankreichs-babyboom-ist-vorbei-13893790.html

    Im Vergleich zu den zunehmend vergreisenden Gesellschaften wie Deutschland oder auch der CH (hier sind insbesondere die gebärfaulen Eidgenossinnen mit 1.43 K/F zu erwähnen – die Ausländerinnen in der CH mit 1.87 schlagen sich noch besser)!
    .
    Kinder führen zu Konsum!

    • Maiko Laugun sagt:

      Liegt vielleicht daran, dass sich die Franzosen wegen den kurzen Arbeitszeiten daran halten, ihre Streiks während den Arbeitszeiten zu erledigen, damit diese nicht noch die Freizeit tangieren, welche für das gewerkschaftlch angeordnete Kinder produzieren als zukünftige Konsumenten – oder zulasten des Sozialstaates (?) – vorgesehen ist.

      • Josef Marti sagt:

        Ich glaube das liegt va. daran dass die von Natur aus faulen und unseriösen Franzosen die meiste Zeit ihres Lebens sowieso zusammen im Bett verbringen, da gibt’s für die nomadisierenden Heuschrecken einfach nichts zu holen, da ist Hopfen und Malz verloren.

        • khug sagt:

          Ich halte diesen Beitrag die vollkommen überflüssig, auch wenn er wohl ironisch gemeint ist.

        • Josef Marti sagt:

          Yanis Varoufakis schreibt:
          Before the euro was introduced, de Gaulle, Mitterand, Delors and their kin would talk of Europe’s common good when they were, under the surface, demanding that the rest of Europe should make sacrifices in support of the costly illusion that the franc was as „hard“ a currency as the deutsche mark. And whenever France’s better-laid plans crashed on the shoals of reality, it was common practice to blame it all on uncivilized foreigners who could not appreciate the finer aspects of France’s plan.
          Die Franzosen waren schon immer hinterlistige Schmarotzer.

  • Frank sagt:

    Die geringere Zahl im vierten Quartal kann man sicher als Folge der Anschläge in Paris deuten.

  • Nathalie sagt:

    Vielleicht recherchieren Sie mal was im vierten Quartal in Frankreichs Hauptstadt – dem Konsumtempel – los war! Ich war einige male vor Ort und halbleere Strassen sieht man in Paris selten. Wochen nach den Ereignissen hat man dann sicher etwas mehr profitiert und eventuell verdrängt was gesehen war.

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