Die Mär vom spanischen Wunder

Noch ist die Krise nicht überwunden: Bauarbeiter in Spanien. Foto: Andres Kudacki (Keystone)
Je länger man sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigt, desto mehr fällt einem auf, wie diffus die Meinungsbildung ist. Plötzlich beginnen alle, dasselbe zu behaupten, ohne dass sich etwas Fundamentales verändert hätte. Und wenn man die Daten genauer anschaut, löst sich alles in Luft auf.
Olivier Blanchard, der abtretende Forschungschef des IWF, hat dieses Phänomen über Jahre aus nächster Nähe miterlebt. In einem kürzlich publizierten Porträt wird er folgendermassen zitiert:
What he [Olivier Blanchard] found most surprising, … was how quickly a consensus can develop around some question on the basis of what decision-makers read in the press or hear over dinner. (…). «There’s a big risk of people agreeing on something without thinking about it or doing the hard analysis», he said. In the face of incomplete information and genuine uncertainty, he said, it was disquieting «how easily bad ideas become entrenched».
Ein aktuelles Beispiel ist die Mär vom spanischen Wachstumswunder. In den letzten Monaten hat man immer wieder lesen können, dass Spanien gezeigt habe, wie man mit Reformen und Sparmassnahmen die Krise überwinden könne. Wenn alle Länder diesen Weg gehen würden, würde die Währungsunion gut funktionieren, wird argumentiert.
Als Beleg für diese Behauptung wird das überdurchschnittliche Wachstum seit 2014 angegeben. Zuletzt hat Spanien sogar die USA und Grossbritannien überflügelt. (Alle folgenden Grafiken stammen aus derselben Quelle.)

Ein weiterer Beleg, der oft genannt wird: Die Wettbewerbsfähigkeit des Exportsektors hat sich stark verbessert, weil die Lohnkosten pro Output im Vergleich zu den Handelspartnern zurückgegangen sind. Dies gelang einerseits durch Lohnzurückhaltung, andererseits durch grosse Produktivitätsfortschritte. Die Grafik zeigt die Leistungsbilanz und den relativen handelsgewichteten realen Wechselkurs (REER), der auf eine Verbesserung der relativen Lohnkosten pro Output (Relative Unit Labour Costs) hinweist.

Es ist also durchaus eine Verbesserung festzustellen. Aber reicht das schon, um von einem spanischen Wachstumswunder und einer Lösung des Europroblems zu sprechen? Ganz und gar nicht. Dagegen sprechen folgende Argumente:
Erstens ist Spanien von einem äusserst tiefen Niveau aus gestartet. Ein grosser Teil des Wachstums ist deswegen auf die Erholung von der schweren Krise zurückzuführen. Nur Italien ist schlechter dran, während zum Beispiel Frankreich sich in einer deutlich besseren Position befindet.

Zweitens ist ein grosser Teil des Wachstums nicht auf die hohen Exportzahlen, sondern auf die Lockerung der Austeritätspolitik und den Binnenkonsum zurückzuführen. Zerlegt man nämlich das BIP-Wachstum in die einzelnen Nachfragekomponenten, sieht man, dass der Nettohandelsüberschuss in jüngster Zeit wieder negativ geworden ist. Das bedeutet, dass Spanien genau das Gegenteil dessen tut, was die Legende sagt: öffentliche Schulden abbauen. Eben ist die spanische Regierung von der EU-Kommission ermahnt worden, weiter zu sparen. Es drohe ein Defizit von 4,5 Prozent des BIP (statt wie vereinbart 4,2 Prozent des BIP). Von den Maastricht-Kriterien – drei Prozent Defizit – ist Spanien weit entfernt.

Drittens handelt es sich bei den Produktivitätsfortschritten um einen einmaligen Effekt. Als Folge der Krise sind die unproduktiven Betriebe verschwunden, und die produktiven Betriebe haben alle Leute entlassen, die nicht unbedingt gebraucht wurden. Diese erbarmungslose Flurbereinigung hat die gesamte Produktivität sprunghaft erhöht, aber eben nur für einmal. In Irland lässt sich dasselbe Phänomen (compositional effects) beobachten. In Zukunft wird sich die spanische Produktivität viel langsamer verbessern.
Viertens darf man nie vergessen, dass im Moment aussergewöhnlich günstige Bedingungen vorherrschen: tiefer Ölpreis, günstige Zinsen, schwacher Euro. Wie robust der Aufschwung tatsächlich ist, wird man sehen, sobald die Schönwetterlage vorbei ist, und dieses Szenario kann jederzeit eintreffen. Der IWF ist in seinem neusten Bericht recht skeptisch, was das Wachstum der Weltwirtschaft anbelangt. Das wird auch Spanien spüren.
Von einem spanischen Wirtschaftswunder zu sprechen, ist also reichlich übertrieben. Man wird deshalb den Verdacht nicht los, dass es im Kern um etwas ganz anderes geht. Manche Analysten möchten offenbar immer noch daran glauben, dass die Eurozone durch eine Exportoffensive der südeuropäischen Länder wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Die Krise soll sich sozusagen von selbst in Luft auflösen.
Das ist leider vollkommen illusorisch. Innerhalb der Währungsunion können aus buchhalterischen Gründen nie alle Länder einen Exportüberschuss haben, und die Eurozone als Ganzes wird nie einen so grossen Exportüberschuss gegenüber dem Rest der Welt erzielen können, dass sie automatisch aus der Krise herauswächst. Es handelt sich bei der spanischen Krise nicht nur um eine gewöhnliche Rezession, die irgendeinmal vorübergeht, sondern um ein Symptom eines grundlegenden Problems, das mit der institutionellen Ausgestaltung der Währungsunion zu tun hat.
Angesichts der blockierten Situation wird das Mezzogiorno-Szenario immer wahrscheinlicher: langjährige Stagnation in Südeuropa und bald grössere Auswanderungswellen Richtung Norden – falls dort die Nachfrage nach Arbeitskräften weiter anhält. Auch das kann sich schnell ändern.
52 Kommentare zu «Die Mär vom spanischen Wunder»
Der Bericht ist sehr negativ gefärbt. Völlig Verschwiegen wird der Bauboom und die Immobilienblase die einen wesentlichen Teil des spanischen Aufschwungs bis 2007 darstellte.
Seit 2007 entwickelt sich der Immobilienmarkt sehr stark rückläufig, die Bauindustrie ist zusammengebrochen.
Die wesentliche Leistung der spanischen Wirtschaft ist die Konversion von einer völlig überdimensionierten Bau- und Immobilienwirtschaft hin zu Dienstleistung und Industrie.
Interessant ist der Umstand, dass wir es heute als selbstverständlich betrachten, dass Regierungen und Zentralbanken immer gleich Massnahmen zu ergreifen hätten um etwelche Entwicklungen in eine gewünschte Richtung zu führen und die meisten hier ereifern sich darin, die möglichst besten zentralplanerischen Massnahmen zu erörtern. Vielleicht entstanden die Probleme ja genau aus diesem Grunde, dass immer weitere gesellschaftliche wie wirtschaftliche Bereiche einer verstärkten Planung unterworfen wurden (was oft, da einzig oberflächlich betrachtet, als Fortschritt bezeichnet wird), denn vergangene Erfahrungen haben ja genau gezeigt, dass Zentralplanung eben nicht funktioniert, denn die Komplexität einer Wirtschaft und Gesellschaft ist viel zu hoch, um damit erfolgreich zu sein. Die Adhärenz zu grundlegenden Prinzipien in der Festlegung der Anreizstrukturen durch entsprechende Regeln scheint bedeutend wichtiger zu sein, als immer mehr Bereiche teilweise unter Anwendung von Zwang zentralistisch zu bewirtschaften und damit die Menschen immer stärker zu bevormunden und abhängig zu machen.
Das „US Wirtschaftswunder“ seit 2008 funktioniert praktisch auch nur noch Pump resp. Zunahme der Verschuldung – aktuell immer noch um rund 500 Mrd $ Pro Jahr und über die immer negativer werdende NIIP, die aktuell minus 6.7 Bio $ beträgt!
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Der Jobzuwachs war hauptsächlich durch Tieflohnjobs und öffentliche Jobs zustandegekommen.
Nur betragen die aktuellen Zinszahlungen der USA 457Mrd $ für das Federal Governement und nochmals 188 Mrd für die State und local Governements.
Von den frei verfügbaren Budgetmitteln betragen die Zinszahlungen für das Fed. Governement schon über 33% des discretionary (freien) Spending (rund 40% des Gesamtspending) Tendenz zunehmend und falls Yellen noch die Zinsen erhöht, würde es noch mehr werden.
Eigentlich müsste man die Zinsfaufwände gegenüber den Staatseinnahmen rechnen, die betragen nämlich nur 3.25 Bio – die Ausgaben rund 3.7 Bio – da würden schon über 35% für Zinszahlungn anfallen
Bei den State- und Local Zahlen sieht es noch etwas besser aus, da die Verschuldung erst auf etwa 110% der Einnahmen beläuft, beim fed. Governement aber auf schon 560% (fed Gov. mandatory und discretionery Budget Einnahmenseite)
Zum Vergleich – in Argentinien hätten sich die Schuldzinszahlungen 2002 auf sagenhafte 47.9% der Staatseinkünfte belaufen, kein Wunder entschloss sich die Regierung damals zu zwei Schuldenschnitten 2005 und 2010 – so war einfach kein Staat mehr zu machen.
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Die USA und andere Länder (wie irgendwann auch Spanien, Italien etc) sind mit ihren „Wirtschaftswundern“ auf Pump auch auf dem Weg – zumal schon fast alle Faktoren ausgereizt sind (tiefe Zinsen, tiefe Rohstoffpreise, Austeritätsschübe, Ankurberlungsprogramme, Zentralbankenaufblähungen über Toxixs etc)
Korrigenda: „da würden schon über 35% für Zinszahlungen anfallen“ dies bezieht sich auf den diskretionary Anteil, auf die Gesamteinnahmen wären es über 14%, aber da die USA beim mandatory Spending kaum Spielraum (da über mehrere Jahre fest vergeben) hat, ist eben der discretionary Anteil das einzige Glied in der Kette, wo man relativ schnell einsparen könnte.
Ironischerweise gehört auch das Military Spending zum discretionary Spending (rund 580 Mrd $ inkl. Veteranenkosten und Homeland sinds sogar 770 Mrd $) – aber so wie die Weltsituation aussieht, werden die Militärausgaben in den USA vermutlich kaum mehr je gekürzt werden – ist ja auch ein fettes Business für die ganze Waffenlobby im weissen Haus!
@Marcel Senn: Also was ist Ihre Lösung; keine Investitionen mehr? Wie soll denn Ihrer Meinung nach eine Wirtschaft wachsen oder zusätzliche Arbeitsplätze schaffen ohne zus. Investitionen bzw. Schulden? Denn eine Investition egal ob von Staat oder von Privat, ist für das Unternehmen in das investiert wurde immer noch eine Schuld! Wenn Private in ein Unternehmen investieren, muss das Unternehmen dafür Zinsen oder Rendite abliefern. Also das Problem, dass Sie hier beschreiben ist keines.
Nardone: Die US Investitionen sind eh % relativ mikrig mit 15.9% des BIP in Investitionen in Fixed Capital (Schweiz 21.5% und im anderen extrem China mit 46%) „gesund“ wären vermutlich so zw. 18-25%!
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Ich bin ja nicht gegen Investitionen -im Gegenteil, aber sie müssen sich natürlich auch rechnen, sonst fällt das Kartenhaus irgendwann zusammen, was vermutlich bald mal in China passieren wird — die haben ja praktisch nur noch investiert – unter anderem in Geisterstädte und sonstige eher fragwürdige Projekte.
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So so Sie meinen also die ganze Ueberschuldung, resp. die verhältnismässig hohen Schuldzinskosten und zunehmende Verschuldung sei keines??? Gut die Amis haben mit dem Dollar immer noch die Weltleitwährung und haben den Vorteil, dass sie Schulden in US$ aufnehmen können, aber die Chinesen werden zunehmend ein Problem bekommen, noch mehr US Schulden für die Handelsbilanzüberschüsse mit den USA in Zahlung zu nehmen, haben ja im August schon mal krätig US Papiere verscherbelt im Unfang von einigen hundert Mrd $!
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Wenn Private in ein Unternehmen investieren, sollte das Unternehmen eine Rendite abwerfen, es kann aber auch sein, dass das Unternhemen irgendwann einfach mal pleite geht – gut bei Staaten wird es dann noch etwas komplexer, da man dort auf den Steuerzahler zurückgreifen kann.
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Warten wir doch noch ein paar Jahre ab, und dann sehen wir, ob es angeblich kein Problem sei, wie Sie da etwas verniedlichend daherbehaupten!
Das Problem liegt ja darin, dass wohl ein zunehmender Anteil der Verschuldung nicht Investitionen sonder Konsum finanzieren, weil aufgrund der ankerlosen Geldpolitik eine überdimensionierte mit Fehlinvestitionen bestückte Produktionskapazität entstand und heute eigentlich die Abschreibung dieser Fehlinvestitionen vorgenommen werden müsste, ein Umstand, welcher mit allen Mitteln verhindert wird.
@Linus Huber:
– „dass wohl ein zunehmender Anteil der Verschuldung nicht Investitionen sondern Konsum finanzieren“
Das könnte für USA zutreffen, aber nicht unbedingt für andere Länder wie China, Japan, Deutschland. Denn dort sind die Verhältnisse möglicherweise gerade umgekehrt; es gibt dort mehr Investitionen denn Konsum auf Pump. Schliesslich bedingt das Eine das Andere hier, denn die Produktion von Konsumgüter erfordert doch Investitionen, letztere sind doch kein Selbstzweck, am Ende der Produktionskette spuckt diese doch immer ein Konsumgut heraus.
– „eine überdimensionierte mit Fehlinvestitionen bestückte Produktionskapazität entstand“
Man könnte das aber auch aus einer anderen und erweiterten Perspektive betrachten, dass nämlich die Produktionskapazitäten nicht überdimensioniert sind, sondern unter-ausgelastet!
Aber Sie könnten Recht haben, insofern heute auf der Welt die Nachfrage nach mehr Konsumgüter ein Limit erreicht hätte. Angesichts dessen aber, dass u.a. die sog. 3. Weltländer mehr denn je gerne in den Klub der 1. Weltländer aufsteigen möchten, würde ggü. diesen die Entgegnung, dass eine Redimensionierung der Produktionskapazitäten, was Sie irgendwie auf zentralplanerischer Weise fordern, aufgrund der von Ihnen behaupteten Feststellung einer Marktsättigung von nöten sei, wohl sauer aufstossen. Ganz zu schweigen was die heutigen Arbeitslosen und überhaupt des verfügbaren zuzätzlichen Nachfragepotenzials in den 1. Weltländer wohl Ihnen darauf antworten würden.
– „die Abschreibung dieser Fehlinvestitionen“
Solange sich diese angeblichen Fehlinvestionen noch nicht faktisch realisiert haben, ist Ihre Forderung jetzt dessen Abschreibungen vorzunehmen doch als Überreaktion und vielleicht sogar als irrational zu bezeichnen, ausser natürlich Sie könnten entsprechende meinungsfreie objektive Tatbestände hierzu liefern.
– „aufgrund der ankerlosen Geldpolitik“
Ach, Ihre Lieblings-Ideologie: Monetarismus. Ist nicht kürzlich in diesem Blog ein Artikel erschienen der diesen ‚Monetarismus‘ widerlegt? Genauso wird diese Theorie heute von den Zentralbänker weltweit nicht mehr Ernst genommen, weil aufgrund genügend praktischer Erfahrung sich diese Theorie nie bestätigt hat.
Und was wäre denn ein ‚Anker‘ in der Geldpolitik? Tja die Wirtschaft könnte nicht mehr weiterwachsen, weil der ‚Anker‘ sie aufhält! Eine ankervolle Geldpolitik; also eine disziplinierte Selbstbeschränkung. Ist das nicht eher etwas worauf buddhistische Mönche stehen?
„Das könnte für USA zutreffen“ (Kredit für Konsum) „meinungsfreie objektive Tatbestände“ (Fehlinvestitionen)
Nein, es handelt sich um einen weltweiten Trend. Was glauben Sie wodurch die zunehmenden Staatsschulden und die immer höheren Bilanzen der Zentralbanken entstehen.
Die Idee, dass die Wirtschaft nicht wächst ausser wenn die Kreditmenge dauernd stärker wächst als die Wirtschaft, ist einzig eine Rechtfertigung für die Existenzberechtigung für diese Künstler der Manipulation. Wachstum, was nichts weiter ist als der Wunsch seine persönliche Situation zu verbessern, findet immer einen Weg, denn die Menschen sind nicht auf den Kopf gefallen ausser man konditioniert sie dazu, dass nichts geht ausser wenn der Staat dies zentralistisch organisiert.
http://www.oursweetinspirations.com/comic-strips-to-inspire/dad-im-considering-a-career-in-organised-crime
@Marcel Senn:
– „So so Sie meinen also die ganze Ueberschuldung, resp. die verhältnismässig hohen Schuldzinskosten und zunehmende Verschuldung sei keines???“
Ich gege zu, es ist ein Problem, aber ein ‚relatives‘ und nicht absolutes Problem. Was USA braucht sind höhere Löhne, damit sie die Wirtschaft befeuert und dann werden auch die hohen Schulden bedienbarer.
– „was vermutlich bald mal in China passieren wird — die haben ja praktisch nur noch investiert – unter anderem in Geisterstädte“
Ja, aber es kann auch anders kommen, dass nämlich die heutigen Geisterstädte allmählich bewohnt werden dadurch, dass die Chinesen höhere Löhne erhalten und weitere Bereiche der chin. Unterschicht zur Mittelschicht konvergiert. Die Lohnentwicklung im Verhältnis zur Produktivität ist hier entscheidend, um dann auch vermehrt Teile der chin. Export-Wirtschaft in Binnenwirtschaft zuzuwandeln.
– „ob es angeblich kein Problem sei, wie Sie da etwas verniedlichend daherbehaupten!“
Was ich sagen will ist, dass es ein Problem sein KANN, es aber nicht sein MUSS. Es hängt damit ab wie man damit umgeht.
Nardone: Das US Medianeinkommen war in den USA im Jahre 2000 bei 28’684 $ heute ist es bei 28’965 $ – das ist knapp ein Prozent mehr, im gleichen Zeitraum ist die Workforce von 154.2 Mio auf 148.9 Mio Arbeitnehmer zurückgegagen, obwohl die Bevölkerungszahl gestiegen ist.
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Da können Sie noch lange höheres Wachstum der Löhne fordern – in der Praxis geschieht eher das Gegenteil.
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Die gesamte chin. Schuldenblase (alle Akteure) beträgt heute über 300% des chin. BIP’s – meinen Sie wirklich die massiv überschuldeten Unternehmen (ca. 125% des BIPS verschuldet) werden höhere Löhne zahlen? Das würde die Wettbewerbsfähigkeit mindern und Lohnsteigerungen würden so manches Unternehmen bald mal in den Bankrott treiben. Auch die Exportzahlen sind ja aktuell nur noch am abnehmen.
Die Chinesen haben den Kapitalismus nicht ganz verstanden — alles auf Pump zu bauen kam mittel- bis langfristig noch nie gut raus, und leerstehende Wohnungen sind auch keine Wertanlage, auch wenn gewisse Chinesen das noch glauben.
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Globale Verschuldung in den Grössenordnungen gab es noch nie – und wenn man die Schulden mal aufdröselt und Zinsen und Amortisation nach Einkommen der verschiedenen Schuldnerkatergorien betrachtet, dann sieht man bald mal, dass gewisse Schulden kaum je wieder zurückbezahlt werden können und falls die Zinsen steigen, wird es noch so manche Pleite geben – warten Sie es nur ab! Politik und Zentralbanken wissen ja auch nicht mehr wirklich was tun – die machen einfach mal auf Try and Error.
@Marcel Senn:
– „Da können Sie noch lange höheres Wachstum der Löhne fordern – in der Praxis geschieht eher das Gegenteil.“
Wieso ist diese Forderung irrealistisch? Wollen denn die 99% der Amis nicht höhere Löhne???
Und wie stehts denn mit Real-Lohn-Entwicklung?
– „die massiv überschuldeten Unternehmen (ca. 125% des BIPS verschuldet) werden höhere Löhne zahlen? Das würde die Wettbewerbsfähigkeit mindern“
1. Schulden von Unternehmen, also Fremdkapital ist nichts Ungewöhnliches, denn der Gläubiger könnte nämlich der Eigentümer desselben Unternehmens sein! Also diese 125% des BIPs sagen alleine überhaupt nichts aus.
Bei den Schulden der Unternehmen gibt es Gläubiger, das sind vornehmlichst die privaten Sparer! Geld sparen bedingt Schulden und umgekehrt.
2. Was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft; das trifft nur auf die Export-Unternehmen zu, die Unternehmen der Binnenwirtschaft aber kompensiert diesen Export-Verlust mit Zunahme von Nachfrage aufgrund höherer Löhne.
Die chin. Wirtschaft muss sowieso früher oder später die angehäuften hohen Export-Überschüsse reduzieren, denn es sind alles Forderungen ggü. dem Ausland. Wenn nicht, werden sie diese Forderungen abschreiben müssen, weil das Ausland nicht ständig Import-Defizite, also Auslandsschulden ggü. China anhäufen kann ohne pleite zu gehen. Ein ähnliches Problem hat die Schweiz heute.
– „Die Chinesen haben den Kapitalismus nicht ganz verstanden — alles auf Pump zu bauen“
Und die meisten Kapitalisten verstehen Kapitalismus nicht, mit Ausnahme von z.B. Henry Ford, der diesbezüglich sagte:“Autos kaufen keine Autos!“
Alles was aufgebaut werden sollte oder muss, muss doch ‚finanziert‘ werden, oder? Finanzierung ist eine Buchung bei den Banken: Forderung an Verpflichtung. Überall im Kapitalismus wird auf Pump, sprich mittels Finanzierung gebaut, ausser der gestrandete Robinson auf seiner Insel baute nicht auf Pump.
– „leerstehende Wohnungen sind auch keine Wertanlage“
Sobald die Chinesen weiterhin mehr Lohn kriegen und die Mittelschicht weiter zunimmt, werden diese Wohnungen früher oder später bewohnt werden. Das Potenzial ist ja da, das ist der springende Punkt.
– „Globale Verschuldung“
Und wer ist der Gläubiger ggü. dem Globus ‚Erde‘? Mars, Venus oder Pluto? Der globalen Verschuldung steht ein gleich grosses globales Guthaben ggü.!
– „gewisse Schulden kaum je wieder zurückbezahlt werden können“
Welche?
– „Politik und Zentralbanken wissen ja auch nicht mehr wirklich was tun – die machen einfach mal auf Try and Error“
Das hat allerdings etwas Wahres, aber nur ‚etwas‘ wohlbemerkt. Andererseits frage ich mich, ob Sie tatsächlich besser wären …
GROSSARTIGER Artikel. Wirft interessante Fragen auf die es sich lohnt weiterzuverfolgen und zu vertiefen.
Harte Analyse rulez.
– „Innerhalb der Währungsunion können aus buchhalterischen Gründen nie alle Länder einen Exportüberschuss haben …“
Dieser Satz gehört unterstrichen, fett und von mir aus auch kursiv.
@G. Nardone
Warum sollten denn innerhalb einer Währungsunion alle Länder einen Exportüberschuss haben?
Ist eine Währungsunion nicht gerade dazu da, gemeinsam gegen ausserhalb der Währungsunion einen Exportüberschuss zu haben, bzw. einen solchen gar nicht zu benötigen, wenn man mit der Union eine Reservewährung erhält?
@Anh Toàn:
– „Warum sollten denn innerhalb einer Währungsunion alle Länder einen Exportüberschuss haben?“
Lesen Sie den Schluss des Artikels nochmals. Ziel der EU heute scheint offenbar der Versuch zu sein, sich eben über Exportüberschüsse der ganzen Euro-Zone zu retten, das ist aber wie auch gem. obigen Artikels illusorisch. USA, China & Japan vor allen sind nicht dazu bereit, für die Rettung der Euro-Zone ziemlich hohe Import-Defizite bzw. Auslandsschulden zu machen. Und USA hat sowieso die Nase voll den Import-Defizit-last-resort zu spielen.
Die Euro-Zone muss und KANN sich auch selbst retten, sie hat sich dieses Problem schliesslich auch selbst eingebrockt. Die Leistungsbilanzen müssen innerhalb Euro-Zone ausgeglichen werden, weil sie sind auch innerhalb dessen völlig aus dem Ruder gekommen aufgrund unterschiedlicher Inflation zwischen Euro-Länder.
Und eben diese unterschiedliche INFLATIONs-Entwicklung der Euro-Länder ist der entscheidende Knackpunkt bzw. Ursache der Euro-Krise, das viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Und die Zins-Entwicklung, die in den Jahren von 2000 – 2008 in den Euro-Ländern ja gleich war, verschlimmerte das Ganze noch in Verbindung eben mit den untersch. Inflationen: Südeuropa hatte höhere Inflation als erlaubt (Zielinflation von EZB war 1.9%), aber dazu zu tiefe Zinsen, Deutschland hatte zu tiefe Inflation als erlaubt aber entsprechend tiefe Zinsen, tja, und das kann nicht gut gehen.
– „Ist eine Währungsunion nicht gerade dazu da, gemeinsam gegen ausserhalb der Währungsunion einen Exportüberschuss zu haben“
Nicht wirklich, aber man kann es natürlich dafür missbrauchen, was aber zu einer Währungskriegs-Erklärung ggü. der Rest der Welt führen würde, wobei dann am Ende jeder dabei nur verlieren kann.
– „bzw. einen solchen gar nicht zu benötigen, wenn man mit der Union eine Reservewährung erhält?“
Export-Überschüsse können für Länder mit oder ohne Währungsunion schon fruchtbar bzw. nötig sein, aber kann solch eine Position nie auf ewig halten ohne dabei Verluste zu machen, gutes Beispiel übrigens ist die heutige Situation der Schweiz dafür.
Was den Begriff „Reservewährung“ betrifft, ich habe keine Ahnung was das bedeuten soll.
Die gleiche Argumentation habe ich doch schon bei der deutschen Währungsunion gelesen, etwa gleich chancenlos wurde dien Gebieten der ehemaligen DDR mit der harten DM beurteilt und heute ist es da, wie überall: In manchen Gegenden geht es gut, in andern schlecht. Bayern war vor nicht so langer Zeit ein armes Bundesland. Es sind nicht primär Länder die sich anders entwickeln, sondern Gegenden. Der katalonischen Wirtschaft geht’s so gut wie der hessischen.
Eine Reservewährung ist für mich eine Währung, in welcher das Ausland Cash Reserven für notwendige Importe hält, zur Verminderung von Preisschocks dafür, wenn die eigene Währung fällt. (Russland blutet jetzt diese Reserven). Eine Währung, in welcher das Ausland spart. Was bedeutet, dass ihre Guthaben nicht konsumieren. Also stehen lassen, keine Lieferung verlangen: Die Chinesen haben 4 Billionen Währungsreserven, in erster Linie USD (die Reservewährung an sich) dann EUR und noch ein paar Andere: Dafür haben Sie gearbeitet, während die Amis ihre Arbeitsprodukte konsumiert haben und den Preis dafür haben anschreiben lassen. Je mehr die Chinesen sparen wollen, desto mehr können die Amis anschreiben lassen, statt selber ein Arbeitsprodukt den Chinesen zu liefern. Das ist gut für die Amis. Die brauchen eben keine Handelsbilanzüberschüsse, die opfern sich Defizite zu machen, damit die Welt viele Dollars als Reserven haben und damit reich sein kann.
Ich bin An Toàn für diesen Kommentar dankbar. Er hat es gut erklärt. Die Briten haben diesen Vorteil nicht mehr, meinen aber sie haben ihn noch und träumen, sie können aus der EU austreten und Finanzzentrum bleiben. Sie werden da ein böses Erwachen erleiden, Paris würde gerne die Position von London als EU Finanzzentrum übernehmen. Ihre Reservewährung für die Araber sind die Immobilien von London, die sie auf schwindelerregende Preishöhe treiben und mit wenigen Familienpersonen riesige Raumflächen bewohnen. Damit diese Ausländer auch noch kommen, müssen sie ihnen wegen ihres fürchterlichen Leistungsbilanz-Defizit Steuerfreiheit einräumen. All dies führt nicht gerade zum allgemeinen Wohlstand der Engländer. Wir Schweizer haben ja auch dieses System mittel Pauschalbesteuerung. Aber wir haben eine positive Leistungsbilanz und für uns bringt ein solches System absolut gar nichts. Aber ist dies uns Schweizern erklärbar. Frei nach Asterix: Die spinnen, die Römer. Die Amerikaner haben es mit ihrem Dollar bequemer, sie geben gedruckte Schuldscheine, aber nicht reale Sachwerte. Ein nicht zu verachtender Vorteil einer Reservewährung.
Als Liebhaber der Wirtschaftsgeschichte scheint es mir, daß jedesmal, wenn die Stellung als Reservewährung verloren ging, auch der politische Abstieg zwangsläufig nachfolgte, zum Beispiel beim Solidus aus Byzanz.
@Anh Toàn:
– „etwa gleich chancenlos wurde den Gebieten der ehemaligen DDR mit der harten DM beurteilt und heute ist es da“
Und der Euro ist heute auch einfach da …
Und diese von Ihnen kritisierte Beurteilung hatte sich dann auch in der Realität bestätigt, denn bei der Einführung der harten DM in der DDR haben die Unternehmen über Nacht soz. massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst. Für die sozialen Kosten, aufgrund Schliessung vieler Betriebe, die diese Massnahme forderte, die wohl Ihrer Meinung nach ‚alternativlos‘ war, mussten dann die West-Deutschen Steuerzahler aufkommen und diese Suppe ist bis heute noch nicht ausglöffelt. Ein wenig Ausgleich aber entstand dann über die Massen-Auswanderung aus der DDR. Es hätte aber auch anders gehen können, etwas weniger erdbebengleich.
– „Bayern war vor nicht so langer Zeit ein armes Bundesland“
Es war aber nicht so arm, dass es zu einer bayerischen Massenauswanderung kam.
Mit einer weicheren DM-Wähung in der DDR hätten auch die Bürger in der DDR gut leben können, wenn auch unter etwas ärmeren Verhältnissen im Vergleich zu den westdeutschen. Aber zugleich hätten diese auch eine normale Chance gehabt weiterhin zu wachsen. Die harte DM hatte ihnen diese Chance komplett zu nichte gemacht und obendrauf die relative Armut noch vergrössert. Das wäre nicht nötig gewesen.
– „… Exportüberschuss zu haben bzw. einen solchen gar nicht zu benötigen, wenn man mit der Union eine Reservewährung erhält“
Das könnte stimmen.
– „Das ist gut für die Amis. Die brauchen eben keine Handelsbilanzüberschüsse“
Sobald aber China und alle anderen für ihre $-Reserven Lieferungen amerik. Produkte verlangen, müssen die Amis aber mehr exportieren als importieren, sprich Export-Überschüsse erzielen. Die Amis haben es nur deshalb ‚gut‘ wie Sie meinen, weil die Sparer die $ eben nicht ausgeben. Sobald diese aber ihre $’s für US-Waren-Dienstleistungen konsumieren, wird es den Amis sogar noch besser gehen, jede Menge neue Jobs würden entstehen und die Wirtschaft würde boomen wie noch nie zuvor möglicherweise.
Also brauchen auch die Amis Export-Überschüsse, denn nur durch Exporte bezahlt man die Importe.
Ausserdem, ein Umstand dafür, dass viele Länder dazu erpicht sind $-Reserven zu erbeuten und halten, könnte auch etwas mit dem sog. Petro-Dollar zu tun haben, sprich, man kann Öl praktisch nur mit US$ kaufen.
@Rolf Zach:
– „Die Amerikaner haben es mit ihrem Dollar bequemer, sie geben gedruckte Schuldscheine, aber nicht reale Sachwerte. Ein nicht zu verachtender Vorteil einer Reservewährung.“
Es ist nur ein scheinbarer Vorteil, alles hat seinen Preis. Für diesen Vorteil, massenweise Schuldscheine zu liefern, müssen die Amis doch Zinsen bezahlen.
– „Damit diese Ausländer auch noch kommen, müssen sie ihnen wegen ihres fürchterlichen Leistungsbilanz-Defizit Steuerfreiheit einräumen“
Aber diese Ausländer müssen doch gar nicht unbedingt kommen, denn die Ausländer können diese Immobilien auch mit z. B. $ kaufen und es dann den reichen Finanz-City-Boys von London vermieten oder weiterverkaufen.
@G. Nardone: „Sobald aber China und alle anderen für ihre $-Reserven Lieferungen amerik. Produkte verlangen, müssen die Amis aber mehr exportieren als importieren, sprich Export-Überschüsse erzielen.“
Ja, aber inzwischen haben die Amis den Dollar abgewertet, sie exportieren also weniger Arbeit für einen Dollar. Und ausserdem will man etwas an Reserven ja immer haben, wie sie sagen, die meisten brauchen es vor allem für ÖL.
Eine Volkswirtschaft hat nun nur die Wahl, die Amis anschreiben zu lassen und später weniger zurück zu bekommen, oder zu versuchen, den Amis ein Stück dieses Kuchens zu stibitzen.
Bei Abwertungen in nicht Reservewährungen verlieren die inländischen Sparer (welche ihr Geld nicht in eine ausländische Währung wechselten). Bei Abwertungen in Reservewährungsländern, geht ein Teil der Verluste an ausländische Sparer.
@Anh Toàn:
– „aber inzwischen haben die Amis den Dollar abgewertet“
Hat nicht auch China kürzlich abgewertet und nicht zum 1. Mal? Sind hier die Amis die Einzigen die Währungs-Wirtschafts-Kriege führen, wenn überhaupt?
– „Und ausserdem will man etwas an Reserven ja immer haben, wie sie sagen, die meisten brauchen es vor allem für ÖL“
Das könnte allerdings stimmen. Doch die Umstände können sich in Zukunft ändern.
– „Eine Volkswirtschaft hat nun nur die Wahl, die Amis anschreiben zu lassen …“
Das ist wohlmöglich aufgrund des wichtigen Import-Guts des Öl und des Petro-Dollars-Umstandes.
– „… und später weniger zurück zu bekommen“
– „sie exportieren also weniger Arbeit für einen Dollar“
Das kann das Import-Land kompensieren mit Erhöhung der Löhne oder Lohnstückkosten.
Ausserdem wertete China auch schon mehrmals ab, also kriegen die Amis auch weniger Arbeit für einen Dollar den sie in Zukunft möglicherweise voll leisten müssen.
– „Bei Abwertungen in nicht Reservewährungen verlieren die inländischen Sparer“
Nur wenn die Sparer ihr Guthaben für Importe ausgeben. Es ist soz. ’nur‘ ein Verlust auf dem Papier.
– „Bei Abwertungen in Reservewährungsländern, geht ein Teil der Verluste an ausländische Sparer.“
Dafür sind die ausl. Sparer bzw. ihre jeweilige Wirtschaftspolitik vielleicht auch selbst schuld. Denn nicht unter allen Umständen sind Staaten zu Abwertungen ihrer Währung genötigt, schliesslich sind Abwertungen nicht kosten- oder risikolos. Eben, bei Währungs- bzw. nationalen Wirtschaftskriegen können alle nur verlieren.
Ich glaube nicht, dass die USA ein wirklicher Vorteil als Hauptsitz einer weltweiten sog. Reserve-Währung hat.
@G. Nardone: „Ich glaube nicht, dass die USA ein wirklicher Vorteil als Hauptsitz einer weltweiten sog. Reserve-Währung hat.“
Und ich glaube weder, dass diese Rolle den USA vom Rest der Welt aufgedrückt wurde, auch wenn die es manchmal wie ein Opfer darstellen, noch dass sie rein zufällig oder von göttlicher Macht in diese Rolle geführt wurden. Ich denke, sie haben es sich ausgesucht. Also ist es entweder nützlich, oder die Amis wären doof.
@Anh Toàn:
– „oder die Amis wären doof“ ?
Könnte ja sein! Siehe Deutschland heute …
Die Gretchenfrage ist doch die, hätte Spanien die Wirtschaftskrise von 2008 mit der Inflationswährung Peseta besser überstanden als mit der Reservewährung Euro? Erstens auf der Zinsseite sicher nicht. Der Prozentsatz des staatlichen Zinsanteils am spanischen Volkseinkommen wäre heute bestimmt höher mit der Peseta als mit dem Euro und ob derjenige der privaten Zinsschuldner abgenommen hätte kann man mit gutem Grund bezweifeln. Die verstärkte Peseten-Inflation hätte die Sparguthaben weggefressen, die heute in Euro immerhin werthaltig geblieben sind. Die Arbeitslosigkeit wäre sicher etwas geringer, aber sie wäre hoch geblieben, trotz der ständigen Abwertung der Peseta. Eine Wirtschaftsankurbelung nach Keynes wäre nicht möglich gewesen, da der Währungsraum als Peseta-Gebiet zu klein gewesen wäre und die Zentralbank wegen dem Leistungsbilanz-Defizit nicht autonom hätte handeln können. Langfristig sich am Zopf der Reservewährung Euro mit ihrem Kreditpotential wirtschaftlich zu erholen ist langfristiger und nachhaltiger.
Wenn man die Landstriche am Mittelmeer, deren Arbeitsplätze vor allem durch nicht-Euro und illegal gebunkerte Euros erhalten blieben ( und noch bleiben ),
würde die obige Statistik
die Realität im Restspanien
noch deutlicher machen.
„… dass Spanien gezeigt habe, wie man mit Reformen und Sparmassnahmen die Krise überwinden könne“
„Es drohe ein Defizit von 4,5 Prozent des BIP (statt wie vereinbart 4,2 Prozent des BIP)“
… und dies bei einem Wachstum von vielleicht 3%, womit die Verschuldung weiter schneller steigt als die Wirtschaftsleistung. Man mag die Bemühungen der Regierung ja als Sparmassnahmen betiteln, aber wenn die Schulden stärker wachsen als die Wirtschaft, sollte man es nicht wirklich „sparen“ nennen, sondern bestenfalls weniger schnelle weitere Überschuldung. Allerdings wird diese Gangart weltweit angewendet, indem z.B. die weltweite Verschuldung seit Ende 2007 bis Mitte 2014 mit einer jährlich Wachstumsrate von 5,3% von $ 142 auf $ 199 Bil. anstieg und sich im Verhältnis zum gdp von von 269 auf 286% erhöhte. Es sind ja die zu hohen Schulden, welchen die wirtschaftliche Dynamik negativ beeinträchtigen und man ist noch immer der Überzeugung, dass man das Problem zu hoher Schulden mit noch höheren Schulden lösen soll.
Zahlen aus diesem LInk: http://ggc-mauldin-images.s3.amazonaws.com/uploads/pdf/151004_TFTF.pdf
Bitte nicht „Sparen“ mit Sparsamkeit/Ausgabenreduktion verwechseln. Die Ersparnis (monetäre und/oder reale) ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft IMMER das Ergebnis von temporärer Verschuldung: http://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/die-wahren-gruende-der-wirtschaftskrise/. Wenn sich der debtor of last resort verweigert, dann sind wir zum ewigen Siechtum verdammt: https://www.project-syndicate.org/commentary/demand-crisis-radical-measures-by-adair-turner-2015-10
LG Michael Stöcker
„Wenn sich der debtor of last resort verweigert, dann sind wir zum ewigen Siechtum verdammt:“
Ich denke wohl eher, dass wenn ein debtor of last resort aufgrund der Vermeidung von temporär schwierigen Zeiten seine zentralplanerische Funktion aufnimmt, wir uns in eine Sackgasse begeben, an dessen Ende sich gesellschaftliche Verwerfungen befinden. Es geht ja nicht um debt an sich, sondern um dessen Ausmass. Die Idee, dass Menschen sich ohne dieses Ausmass zentralplanerischer Energie nicht zu organisieren wissen, ist der grundlegende Überlegungsfehler.
Verschuldung bekämpft man ganz einfach mit zwei einfachen Mitteln. Erstens man besteuert stärker die Reichen und bestraft sie bei versuchter Kapitalflucht empfindlich, so werden diese nicht mehr die Käufer von Staatsanleihen sondern Steuerschuldner. Dabei hat man nicht mal Inflation, aber sehr rebellische Bürger und ein ohrenbetäubendes Geschrei der Öffentlichkeit. Nicht nur Politiker in Demokratien müssen sich davor fürchten, sondern ebenso Diktaturen, die in solchen Sachen noch viel anfälliger sind. Sogar Hitler konnte sich gegen Interessengruppen nicht vollständig durchsetzen. Gut geschildert bei A. Tooze „Die Ökonomie der Zerstörung“.
Das zweite Mittel, daß mehr angewandt wird, ist die Inflation. Ein klassisches Beispiel ist Argentinien, es war immer unfähig die Reichen zu besteuern, ob Demokratie oder Diktatur, zuletzt landete es bei der Inflation. Die Ausland-Gläubiger mit ihren Dollars müssen sich halt so einrichten, daß sie nicht ein Moratorium kommen.
Wäre aber eine Reservewährung hat, hat aber mehr Spielraum und dieser Spielraum ist äußerst wertvoll und um diesen Erhalt der Reservewährung ging es in der Euro-Krise.
Linus: Es ist eh ein Witz das Defizit über das BIP zu rechnen, es muss über die Staatseinnahmen gerechnet werden – Spanien hat eine Staatsquote (Ausgaben) von rund 44.5% oder 460 Mrd Staatsausgaben und 400 Mrd Einnahmen – also beträgt das Defizit rund 15% der Staatseinnahmen, dazu gehen noch 9.7% Zinszahlungen auf die Einnahmen weg – also nochmals um die 40 Mrd. Total also 25% der spanischen Staatseinnahmen werden für Neuverschuldung und Zinszahlungen aufgewendet – das sind die matchentscheidenden Zahlen und nicht die Schönfärberei übers BIP!
Dieses gibt Hinweise, ob sich die Staatseinnahmen erhöhen könnten aber sonst sagt das BIP in dem Fall zuwenig aus – so jedenfalls meine Meinung. Genauso muss man bei den privaten Verschuldungen die Neuverschuldung resp. Zinszahlunge ins Verhältnis setzen zu den Einnahmen der Haushalte und nicht zu BIP – erst das zeigt die Tragfähigkeit der Haushalte aus, dito bei non-fin. Corp und fin-Corp. Alles andere ist Augenwischerei!
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Die % Defizite über das BIP implizieren einfach, dass am Ende der dumme Steuerzahler für den ganzen Schaden aufkommen wird und die Zahlen wirken über das BIP berechnet auch nicht ganz so bedrohlich.
Schliesslich ist der kreditbasierte Spätkapitalismus ja anscheindend immer noch das beste aller Systeme — also darf er nicht ganz so versaut werden mit zweistelligen Schuldzins- und Verschuldungszahlungen — darum werden die Zahlen ja auch schön „geschminkt“ bevor sie an die Oeffentlichkeit gehen!!
Linus: Du beziehst Dich vermutlich auf die McKinsey Studie von 2015 für Mitte 2014 mit den 199 Bio Weltverschuldung — gemäss einer ING Studie von 2013 war die globale Verschuldung damals schon bei 223 Bio $ und dürfte heute schon über 230 Bio$ liegen — also rund 15% höher als McKinsey (die haben ja vor allem die AMI Verschuldung etwas geschönt und nur die Public Debt von total Governement (inkl. Locals und States genommen) aber nicht die internen Schulden von nochmals rund 4-5 Bio und sind darum auch nur auf 89% US Staatsverschuldung gekommen — effektiv dürften es schon um die 116% sein! Bei Japan haben diese Manipulateure nämlich public und internal Debt genommen (rund 234% – dabei wären die public Debt in Japan nur rund um die 134% – 100% sind internal Debt) — auch McKinsey ist nur eine US Marionette!
http://blogs.wsj.com/economics/2013/05/11/number-of-the-week-total-world-debt-load-at-313-of-gdp/
Im Prinzip war das ja schon länger klar, dass dieses Wachstumswunder primär auf einem sehr kurzen Gedächtnis basiert. Wenn man die Wirtschaft tief genug in den Boden rammt ist es ja relativ einfach, hinterher auf diesem tiefen Niveau ein Strohfeuer-Wachstum zu entfachen. Viel mehr wird daraus leider wohl effektiv nicht.
Entsprechend wäre es wohl an der Zeit, einzusehen, dass diese Hoffnungs-Heftpflasterpolitik der EU gescheitert ist. Die Realität ist nun einmal, dass ohne eine Union, die diesen Namen auch verdient, und damit ohne gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik, das ganze Währungsprojekt nie funktionieren wird. Also müsste man dringend den Schritt vorwärts machen und die politische Union vorantreiben. Aber dafür fehlte ja schon in guten Zeiten der Mut. Entsprechend muss man befürchten, dass die Euro-Zone langfristig dahin serbeln wird oder halt vollends scheitert. So oder so ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende..
Eine weitere Integration wird es mit Frankreich nicht geben; never ever! http://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/frances-macron-is-wrong-to-think-fiscal-union-is-solution-to-eurozones-woes/
LG Michael Stöcker
„Wie robust der Aufschwung tatsächlich ist, wird man sehen, sobald die Schönwetterlage vorbei ist, und dieses Szenario kann jederzeit eintreffen.“
Das „spanische Wirtschaftswunder“ ist nicht, wie wunderbar überzeugend phantastisch toll der Aufschwung in Spanien ist, das Wunder ist, dass es trotz Austeritätspolitik und EUR überhaupt einen Aufschwung gibt: Dies wurde uns jahrelang hier als volkswirtschaftliche Unmöglichkeit verkauft. Mindestens 10 Beiträge versuchten die Unmöglichkeit eines Aufschwungs in Spanien zu erläutern.
Die Aussage bei NMTM war, ich glaube auch bei salopper Zusammenfassung nicht etwas zu unterstellen:
Damit Spanien (und Italien etc. etc.) wachsen können, muss der spanische EUR zum deutschen (und holländischen, luxemburgischen) EUR abwerten: Nur so könnten die Ungleichgewichte in der Handelsbilanz abgebaut werden.
Aber der spanische EUR ist noch immer genau gleich stark oder schwach wie der deutsche EUR.
„…das Wunder ist, dass es trotz Austeritätspolitik und EUR überhaupt einen Aufschwung gibt:“
Stimmt: Einen homöopathischen Aufschwung! So etwas galt früher mal als Rezession und/oder Stagnation!
LG Michael Stöcker
@Michael Stöcker: Da man sich Wunder nicht erklären kann, leugnet man sie, man ist ja rational und glaubt nicht an Wunder. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. So lassen sich Gewissheiten erhalten: Der EUR ist schlecht: Wenn es aufwärts geht, sieht es nur so aus, als ginge es aufwärts. Früher hätte man dem abwärts gesagt. (Das ist nicht Wissenschaft, das ist Religion)
Mathematik. Licht. Zeit.
Der Computer ist sehr schnell im Rechnen. Parameter bestehen aus vielen kleinen Teilen. Das lässt sich vorwärts wie auch rückwärts modellieren. Da der Markt auf Impulse reagiert, fragt sich wer den Buzzer als erstes drückt. Der vollautomatische Logarithmus oder der in der Realwirtschaft agierende Mensch. Clevere extrapolieren
Die Brüsseler Kontrollbehörde über Serverirgendwasnetzhoheit steht in Riga.
Mein Gott, vergeßt doch einmal das Handelsbilanzdefizit der einzelnen Länder innerhalb des Euro-Raums. Interessiert jemand das Handelsbilanzdefizit des Kantons Bern, der wird sowie so mit Agrarsubventionen vollgestopft wie eine Gans. Gleiches geschieht in Europa mit den Agrarsubventionen von Brüssel aus. Nur sind die Berner nicht so blöd wie die Griechen und erfüllen die Formalitäten des Bundes, resp. von Brüssel.
Man darf das R Wort (Rezession) heute nicht mehr in den Mund nehmen, das ist doch nur eine leichte Wachstumsverlangsamung! In der Presse muss immer WACHSTUM geschrieben werden, es ist ja auch immer Wachstum (negativ oder positiv).
Die staatliche Propaganda wird immer mehr von der Presse akzeptiert, man kann schauen wo man will. So ist es auch mit dem Wachstum in Spanien – schlussendliche Propaganda.
Wer hat das wieder erfunden ? Spanisches Wunder ? Wie, Wo, Was ? Spanien mit Kanaren und Balearen ist sicher ein schönes Land. Aber wirtschaftlich so was von am Boden, dass man wirklich weit Suchen muss, bis man etwas vergleichbares findet. Die Arbeitslosenquote ist bei 25%. Länder wie Albanien oder Vietnam haben deutlich weniger.
@Romeo: Die Arbeitslosenzahlen Spaniens lassen sich nicht mit denjenigen Vietnams vergleichen: Ein grosser Teil der Vietnamesen hat auch keinen Arbeitsvertrag, wenn sie arbeiten, und werden darum auch nie „arbeitslos“. Da es kaum Sozialhilfe gibt, muss jeder ein Auskommen finden.
2009 war ich auf Sizilien. Ich habe einen Sizilianer getroffen, der vom Staat als arbeitsloser Schreiner lebt. Ich habe auch einen Deutschen getroffen, der ist 1989 aus der DDR nach Sizilien, lebt dort davon, alte Holzyachten zu renovieren, wohnt während der Arbeit darauf, und verkauft sie anschliessend. Warum hat der Deutsche Arbeit und der Sizilianer ist arbeitslos? Weil der Sizilianer Arbeitslosengeld bekommt. Letztes Wochenende war ich auf Mallorca. Chinesinnen haben da Arbeit am Strand, wo sie massieren (ohne „happy ending“). Die „sans papiers“ aus Afrika haben Arbeit, sie verkaufen Hüte und Brillen und andere Gimmicks für den Ausgang bis 4 Uhr morgens. Die Peruanerinnen haben Arbeit, sie servieren in den Restaurants. Viele Spanier sind arbeitslos.
Diese ‚Sans Papiers‘ haben und brauchen auch keine Arbeitsverträge, Spesenreglemente, Lohnabrechnungen und Lohnausweise und sie brauchen auch keine Bilanzen, Erfolgsrechnungen, Steuererklärungen und MWST-Abrechnungen.
Das heisst: Würde die ganze Welt nach Ihrem Vorbild leben, hätten vor allem auch Sie persönlich keine Arbeit…
Gäbe es dann auch keine Sozialleistungen, hätte ich doch Arbeit, müsste halt Frösche fangen oder Altstoffe sammeln, wovon ausser von Arbeit sollte ich sonst leben?
Klar ist das zynisch, ich empfehle nicht eine solche Gesellschaft, es geht mir nur darum zu erläutern, dass die Arbeitslosenzahlen Vietnams nicht mit denjenigen in Spanien verglichen werden können.
„…Ein aktuelles Beispiel ist die Mär vom spanischen Wachstumswunder. In den letzten Monaten hat man immer wieder lesen können, dass Spanien gezeigt habe, wie man mit Reformen und Sparmassnahmen die Krise überwinden könne…“
Durchhalte-Propaganda der EU, wie immer. Die EU ist daran, die Kulturen, Gesellschaften, Staats-Strukturen und Wirtschaft der europäischen Länder zu vernichten. Nur dann kann ein sozialistisches Regime auf gesamteuropäischer Ebene installiert werden.
Das ist der Grund für die Lügenmeldungen.
Ein sozialistisches Regime? Herr Moser, Sie machen sicher gerade Satire, oder?
Informieren Sie sich über TTIP, dann wissen Sie was auf Europa und damit auf die Schweiz zukommt.
Mit Sozialismus hat das dann etwa so viel gemein, wie ein Flugzeugträger mit der Heilsarmee.
Herr Straumann hat mit seinem Artikel recht, die Meinungsbildung geht seltsame Wege. Wo kommen solche Narrative her?
„Die EU ist daran, die Kulturen, Gesellschaften, Staats-Strukturen und Wirtschaft der europäischen Länder zu vernichten. Nur dann kann ein sozialistisches Regime auf gesamteuropäischer Ebene installiert werden.“ Sorry, aber das ist so ein Quatsch! Sozialistisches Regime? Die EU? Ja genau! Und denn Weihnachtsmann gibts auch! Können Sie ihre Aussagen mit Quellen untermauern?
Sie bringen hier die Ismen durcheinander. Etabliert wird hier mithilfe des Neoliberalismus die Bankokratur: http://norberthaering.de/de/27-german/news/136-sinn-zu-berlusconi. Das ist der wahre Grund für die Lügenmeldungen.
LG Michael Stöcker