Hört auf mit den Geschenken!

Schaut, was ich bekommen habe: Influencerin Naomi Victoria nervt mit einem PR-Geschenk. Foto: Naomi Victoria (Youtube)

Meine Weihnachtsferien haben vorgestern begonnen und ich flog nach Berlin, wo sich meine Familie dieses Jahr versammelt, um bei der älteren meiner beiden jüngeren Schwestern die Festivitäten zu verbringen. Bei uns Kianis ist Weihnachten eine schöne Angelegenheit, es gibt nie Streit, warum auch. Meine Mutter, meine Schwester und auch ich streiten uns höchstens darum, wer die meiste Zeit in der Küche sein darf, um sich intensiv mit der Gans, der Sosse und den Beilagen zu beschäftigen.

Aber ich will erzählen, warum wir dieses Jahr gar keine Geschenke unter dem Baum haben wollen. Natürlich gibt es jedes Jahr das Credo «keine Geschenke», aber dann verschenkten wir sogenannte «Kleinigkeiten». Aber dieses Jahr habe ich nichts – für niemanden. (Nur eine neue tolle Kuscheldecke für die Katze meiner Schwester, aber Tiere dürfen immer beschenkt werden.)

Social Media, ganz speziell Instagram, hat aus dem eigentlich sehr schönen Akt des Schenkens etwas Schreckliches gemacht. Da ja mittlerweile jede (o Gott, was sage ich jetzt bloss, ohne jemanden zu diskriminieren) und jeder, von der Drogeriefachverkäuferin, über  die Mathe-Nachhilfelehrerin bis zur Krankenschwester sich als Influencer betätigt – neben denen, die es als Haupttätigkeit sehen (ich vermeide das Wort Beruf) –, sieht man seit zwei Wochen auf Instagram nur noch Hände, die Kartons öffnen, und heraus kommt dann, aus Lagen von Papier – irgendein Schrott.

Langweilig und sinnlos

Ich bin schockiert, was und wie viele Scheusslichkeiten verschickt werden, und vor allem, von wem. Selbst Künstler und Kleinstunternehmen wollen auf das Erfolg versprechende Marketingtool nicht verzichten. Dann werden die Schals, Trackpants, Schuhe, Mützen, Kalender, Sweatshirts enthusiastisch angezogen und vor dem Spiegel gefilmt, der Name des Absenders getaggt. Es ist langweilig, sinnlos und vor allem ästhetikvernichtend. Ich habe bis auf einen Concealer von Nars (hallo Nars, winke!) bei Wana Limar, den ich selbst besitze, weil er der Allerbeste ist, nichts gesehen, worauf man Kauflust verspüren könnte. Eher die grosse Sorge: Wo soll das ganze Altpapier hin?

Den Vogel der maximalen Scheusslichkeit hat aber die Instastory einer bekannten jungen Schauspielerin abgeschossen, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, weil ich sie persönlich mag. Sie öffnete die Schleife einer Riesenschachtel von Chanel, und ich hielt den Atem an und freute mich auf den geilen Neid, den ich gleich verspüren würde. Als sie den Deckel hob, kamen mir ungelogen die Tränen. In dieser Hammer Schachtel lagen die hässlichsten Schneeboots aus gesteppten schwarzen Daunen mit Gummisohle, die ich je gesehen habe. Es waren solche Boots wie sie Leute von Filmteams, die oft die ganze Nacht in der Kälte auf der Strasse herumstehen, tragen müssen, in Deutschland kauft man solche Boots bei Kik. Wissen Sie, was Kik ist? Nein, wissen Sie nicht, denn in der Schweiz tragen alle die süssen Boots von Ikks und Moncler. Ich hätte die Boots zurückgeschickt mitsamt eines empörten Briefs, wofür sie mich halten würden, sie sollen mir nie wieder etwas schicken, ich wäre in meinem Leben noch nie so beleidigt worden.

Sie sehen, schenken kann grausam und eine Plage sein, schlimmer als alles andere, was man dekontextualisiert und nur aus reiner Profitsucht betreibt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen wahre und besinnliche Festtage!

28 Kommentare zu «Hört auf mit den Geschenken!»

  • Anh Toàn sagt:

    Mir scheint die logische Forderung: „Hört auf mit social media!“

    • Muttis Liebling sagt:

      Das passiert ganz von selbst. Die Heilige Inquisition, die so ähnlich war, gibt es ja auch nicht mehr.

    • Vierauge sagt:

      das dacht euch auch. ich bin nicht auf Instagram, und wenn ich das hier lese, habe ich auch nicht die geringste Lust darauf.

      Meine Frau hat sich jedenfalls über meine Geschenke gefreut, ganz ohne sie nachher irgendwo zu posten. Und es gab auch kaum Papiermüll.

  • H.Decurtins sagt:

    Ja was soll man schenken ? Am besten NICHTS. Es erspart unnötiges Rennen durch die Kaufhäuser, bringt nur Hektik, Unzufriedenheit, Stress und schlussendlich weiss man genau, dass jeder doch bereits alles hat. Ich erinnere mich an Zeiten, da ich über einen neuen Pulli glücklich war, den meine Mutter aus aufgetrennter Wolle eines alten Pullovers strickte, oder einen neuen Mantel, den sie aus den Kleidern meines grossen Bruders neu nähte. Warum können wir nicht etwas von uns schenken ? Z.B. einen Bon für 1 Stunde Zeit zum zuhören. Einen Bon für ein gemütliches Nachtessen oder einen gemeinsamen Kino- oder Konzertabend ? Sind wir so übersättigt oder so fantasielos geworden ? Kann es nicht mal unter dem Jahr ein kleines spontanes Geschenk sein, das man dem anderen schenkt ?

    • tina sagt:

      mich würde ein 1stundenzuhörbon als geschenk zutiefst verstören 😀

      • andy sagt:

        Geht mir auch so.
        Dann lieber ein 1Stundezuschaubon.
        Der könnte mich wiederum zu tiefst betören. ?

        • tina sagt:

          🙂 ah stimmt, mit schauen statt hören macht das irgendwie mehr sinn. und weniger konversation ist es ja auch nicht

          • andy sagt:

            Liebe Tina

            Mit zuschauen regt sich bei mir tatsächlich die Fantasie. Das soll nun nicht abschätzig verstanden werden. Die Körpersprache sagt bekanntlich mehr als alle Worte. Wenn ich dazu noch meine eigenen Erfahrungen aus dem Seelenleben und alle gelesenen sowie persönlich mitgeteilten Seelensorgen von Menschen mit dazu bewusst halte, dann ist eigentlich klar welches Geschenk allen wirklich fehlt. Die wahre Liebe.

          • tina sagt:

            🙂
            und, wie wars? 🙂
            wir hatten es eigentlich wirklich gut. aber mir liegen wirklich bereits jetzt die nächsten weihnachten auf dem magen, wegen einer einzigen person, die ja nun wirklich nichts dafür kann weil psychisch krank, aber halt trotzdem dermassen unausweichlich unerträglich ekelhaft ist, je feier desto schlimmer. was macht man denn da? bei allem mitgefühl. vieles dürft man nie so stehen lassen wie die person sich ausdrückte, nur schon weil sie anwesende hart angriff, aber alle taten es, krampfhaftes ignorieren. die person darauf ansprechen ist sinnlos, es ist ihr bewusst und es würde trotzdem nur zur eskalation führen.

      • Nova sagt:

        Dann ist es höchste Zeit für ein klärendes Gespräch

    • Valentina sagt:

      @Decurtins: Einen Bon für eine Stunde Zuhören? Oje,
      sind wir schon so weit? Was kommt als nächstes? Ein Gutschein für die Dargebotene Hand zum Verschenken? Dann muss man nicht einmal mehr selber zuhören.

    • Klärli Benz sagt:

      Die Leute, die Zeit-Gutscheine verschenken, sind eigentlich diejenigen, die mit der beschenkten Person mehr Zeit verbringen möchte. Der Beschenkte möchte das nicht, es würde sich sonst ganz automatisch ergeben. Schenken Sie lieber etwas, woran der Andere freude hat. Auch wenn Sie das nicht so schön oder materialistisch finden.

  • Carolina sagt:

    Da ich weder auf Instagram noch FB bin und bei sogenannten Influencern sofort abschalte/weglese, scheint mir das doch ein hausgemachtes Problem. Die Diskussionen um den Geschenkerummel hat es immer schon gegeben, meine Eltern waren sehr strikt, es gab ein Geschenk pro Kind. Dafür hatten unsere Grosseltern Mitleid (!) mit uns, und schenkten uns alles, was meine Mutter aufgeregt hat. Wir feiern seit Jahren alle zusammen und es gibt eigentlich nur eine Regel: dass es wenigstens an Weihnachten keine Regel gibt. Natürlich artet es oft aus, vor allem, da wir alle selber Kinder haben, aber wir alle lieben dieses weihnachtliche Chaos und, ja, Zügellosigkeit. Unsere Mutter, die Strikte, ist heutzutage fast so weit, dass sie diese ein-mal-im-Jahr-Party geniesst!

    • Muttis Liebling sagt:

      Ich finde Schenken ganz einfach. Meine Mama hat mir dieses wie jedes Jahr ein Packet geschickt. In dem ist ein Weihnachstollen, den sie selber geknetet, der Bäcker im Dorf gebacken hat, weil ein Haushaltsherd die notwendige Temperatur nicht schafft. Den Füllraum mit dem nicht ideal rechteckigen Stollen hat sie mit Nüssen aufgefüllt. Damit der Stollen nicht beschädigt wird.

      Der Stollen schmeckt jedes Jahr gleich. Kaufen kann man so etwas nicht. Das ist mein liebstes Weihnachtsgeschenk. Nebenbei, für das Porto hätte ich mir in der Migros die dreifache Menge Gebäck kaufen können. So ist ein Geschenk.

  • miroslav shine sagt:

    Ich schenke nie was zu Weihnachten. Geschenke mache ich nur dann, wenn ich sehe das jemand was braucht und ich helfen kann. Diesen sinnlosen Stress um Müll zu Weinachten zu kaufen habe ich nie verstanden. Selber schuld wer da mitmacht.

  • Luigi sagt:

    In unserer Wohlstandsgesellschaft hat doch praktisch jeder, was er braucht, oder könnte es sich leisten. Deshalb schenke ich Überraschungs-Erlebnisse. Wenn man es gemeinsam erlebt ist umso besser! Und kann es einfach im Internet kaufen… 🙂

  • Claude sagt:

    Jetzt habe ich aber genug Influenza. Ohne geschenke habe ich Mir selber das grösste Geschenk gemacht. Ich kann es mir leisten, im Cafe zu sitzen, und draussen die gut getrimmten Konsumsüchtigen bei ihrer lieblingsjagd zu beobachten. Alles für den Weihnachtsfrieden. Frohe Festtage.

  • Karl-Heinz sagt:

    Ich würde mich über ein sehr persönliches vielleicht auch selbstgebasteltes Geschenk freuen. Ich erinnere mich an ein Geschenk einer guten Bekannten:
    einen Blumentopf mit Kaffeebohnen, in der Mitte war eine stachelige Gurke eingepflanzt.
    Niemals, wirklich niemals wollte ich ein technisches Gadget wie ein Gerät, das auf den Namen Alexa hört öder etwas ähnliches. Ich will auch kein Wearable.
    Überhaupt kein „must have“. Dann lieber eine gute Tasse Kaffee mit einem netten Menschen.

  • Chris sagt:

    Habe vor ein paar Jahren in unserer Familie durchgesetzt, dass nichts mehr geschenkt wird an Weihnachten. Gab zuerst Widerstand, doch seither ist alles viel entspannter an unserem Heiligabend. Aber warum tun Sie sich das an Frau Kiani mit dem Instagram Influencer Scheiss? Influencen ist die moderne Art der Prostitution.
    Und falls jemand von den Marketing Fritzen meinen Text liest:
    Alle Firmen, Marken und Produkte die mich mit Werbung nerven, kommen auf meine Blacklist und werden NIE, aber auch NIEmals berücksicht bei einem Einkauf. Soviel zur personalisierter Werbung.

  • andy sagt:

    Liebe Frau Kiani

    Ich glaube immer mehr, je mehr Sie von sich und Ihrem Leben erzählen, Sie könnten die richtige Dame an meiner Seite sein.

    Bei mir müssten Sie NIE (wirklich nie) streiten, wegen Abwaschen und Küche.
    So frei bin ich nun mal seit Geburt.

    Wir schenken uns übrigens seit Jahren nichts mehr an Weihnachten.
    Was auch? Hat jeder genug von dem was es braucht zum glücklich sein.
    Die Kehrseite des Non Konsums sind halt immer die fehlenden Umsätze, Gewinne der Reichen und somit die Jobs der Lohnempfänger.

    Lasst uns Trinken, auf die Flaschen!

    Schöne Festtage wünscht der widersprüchliche andy

  • Nina sagt:

    Wir haben die „1 Kind, 1 Geschenk“-Regel. Dafür wird ab Mitte November gebastelt, gekranzt, erzählt, gesungen, gebacken oder gekocht. Mit Familie und Freunden.

    Wenn ich die Leute im Laden herum hetzen sehe, bekomme ich voll die klaustrophobe Krise. Was mich aber sehr ins Herz trifft, ist zu sehen das finanziell karge Familien ihr letztes Geld zusammen zu kratzen um den Kinder etwas zu kaufen.

  • Susanna sagt:

    Ich verschenke dieses Jahr anstatt Weihnachtskarten das „Surprise“-Magazin – habe für jedes 10 CHF bezahlt, damit die arme Verkäufer/in wenigstens ein bisschen davon hat. Geschenk: 1 Kinobon für jeden, and that’s it. Meine Familie erzählt an Weihnachten von ihren tollen Ferien, dem Silversterball im Drei-König, ja, ihr wisst schon… ich kann dieses „Sauglattismus-Szenario“ weder sehen noch hören, aber sämtliche meiner Versuche, mich von Weihnachten fern zu halten, wurde entrüstet beantwortet. So viele Leute sind arm, so viel gäbe es zu tun für andere – diese Ueberfluss- und Ueberflüssigkeitsschlacht – ich kann’s nicht mehr sehen.

  • Felix Rothenbühler sagt:

    Instawas? Kann man das trinken?
    Und: Influenzwobitte? Gibts dagegen Medikamente?

    Offenbar muss man sich seinen Ärger mühsam online selber zusammensuchen, wenn man in der Familie an Weihnachten keinen Streit hat. Da wäre die Umkehr der Angelegenheit vielleicht nicht ganz so verkehrt: Einmal im Jahr am Lichterfest so richtig Zoff mit der Familie. Dafür den Rest vom Jahr Abstinenz von FB, Insta und anderen vermeintlichen Weltverschönerungsgadgets voller Leute, die man eh nicht kennt.

    Frohes Fest allerseits!

  • Alex bourdon sagt:

    Mir kommt es vor als ob wir zu beschäftigt und egoistisch sind um uns mit geschenken für andere zu beaschäftigen. Wieso wird schenken immer gleich mit konsumzwang und terror verbunden. Die ausrede ich brauche keinen christlichen tag um zu schenken und schenke lieber mal zwischen durch was ist wohl auch meist nur ein spruch. Nehmt euch doch bitte mal etwas von eurer wertvollen zeit und überlegt euch was sich eure liebsten wirklich wünschen und überrascht sie!

  • Anna Oriana sagt:

    Was interessiert mich, was irgendein Promi als Werbegeschenk bekommen hat? Ich finde es schön, den Liebsten irgendeine Aufmerksamkeit schön zu verpacken und unter dem Baum zu legen, ebenso von diesen eine kleine oder grosse Überraschung zu bekommen. Der Alltag ist öde genug. Und klar, es müssen nicht immer Gegenstände sein, wobei ich mich über Bücher immer freue :).
    Den Zwang, irgendetwas grosses und teures kaufen zu müssen, kann man doch als reflektierter Erwachsener ignorieren.

  • Roland K. Moser sagt:

    Dann vereinbart man, dass nichts geschenkt wird, und dann kommt so ein Totsch und bringt doch für alle etwas mit und ist danach enttäuscht, dass sie von allen anderen selbst nichts erhalten hat. Ich habe es erlebt.

  • Roland K. Moser sagt:

    Das ist schön, wenn man vereinbart, dass nichts geschenkt wird. Aber irgendjemand hält sich bestimmt nicht daran, und schmollt danach weil er/sie alle beschenkt hat, und nichts erhält.

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