Liebe ist nicht gleich Liebe
Ein Gastbeitrag von Martina Marti*

Welche Sprache der Liebe sprechen Ihre Kinder? Brüder herzen sich auf einer Veranda. Foto: Juhan Sonin (Flickr)
Kennen Sie das? Sie betrachten mit offener Kinnlade Ihre Kinder, zwar im vollsten Bewusstsein, dass jeweils aus zwei unterschiedlichen Menschen ein neuer entstanden ist, aber dennoch mit totalem Unverständnis, wie sich genetische Bausteine zweimal derart verschieden zusammensetzen können. Oder anders ausgedrückt: Wie können Geschwister nur sooo andersartig sein?
Seit ich mich erinnern kann, verleiht mein Sohn seiner Liebe zur grossen Schwester überschwänglich Ausdruck. Bereits in der Schwangerschaft fing er wie verrückt an zu treten, sobald sie in unserer Nähe war. Im Hochstuhl quietschte er ohrenbetäubend, reichte sie ihm mal den Breilöffel. Kam sie vom Kindergarten nach Hause, flitzte er wie ein geölter Blitz an die Eingangstüre, um sie gebührend zu begrüssen. Auch heute noch lässt er seinen Emotionen freien Lauf: Schmeisst sich in ihre Arme, drückt sie wie verrückt und beteuert, wie fest lieb er sie hat.
Und sie? Sie steht währenddessen da wie eine Schirm im Regen: mit aufgeklappten Armen, stocksteif und leicht schwankend. Seine Worte quittiert sie jeweils mit einem kurzen Nicken, um sich dann gedanklich etwas anderem zuzuwenden. Beispielsweise ihrem Spiegelbild im Entree. Es ist ihr ganz offensichtlich nicht wohl bei diesem intimen Austausch und sie sagt es auch: «Ich halte ihn nur ihm zuliebe.» Kuschelt er sich am Morgen früh in ihr Bett, schiebt sie ihn unwirsch zur Seite.
Meine Tochter war nie ein «Schmusi»-Kind (weder bei uns Eltern noch bei Verwandten oder Freunden), ist eher der zurückhaltende, beobachtende Typ und bunkert Emotionen – egal, ob negativ oder positiv – länger in ihrem Innern. Währenddem sich mein Sohn «seine» Portion an Nähe selbstbewusst abholt, mit offenen und direkten Worten auf jeden zugeht und kundtut, was ihm passt oder was auch nicht. Zwei Geschwister: komplett verschieden vom Scheitel bis zur Sohle.
Kürzlich stöberte ich mit meiner Tochter durch den Manor. Sie bewaffnet mit ihrem Portemonnaie und ich todsicher, dass heute ihr Sackgeld draufgeht. An der Kasse stand sie dann plötzlich mit einem Playmobil-Safari-Set und einem Fluffy-Löwen vor mir. «Das schenke ich Sergio», erklärte sie. Ich (ziemlich baff): «Äh … jö, das ist aber lieb! Du weisst, was das kostet?» – «Ja, 36.90 Franken.» – «Einiges an Sackgeld …» – «Ich weiss.» – «Und dir kaufst du nichts?» – «Nein.» – «Entschuldige bitte, ich bin etwas überrascht, finde es aber unglaublich lieb von dir. Wieso tust du das?» Sie: «Weil ich ihn sooo fest lieb habe.»
Pause. Feuchte Augen der Rührung. Und plötzlich erinnerte ich mich an einen Buchtitel, den ich vor Jahren einmal gelesen und fast vergessen habe: «Die fünf Sprachen der Liebe». Gary Chapman beschreibt darin, dass jeder Mensch eine unterschiedliche Liebessprache spricht. Der eine drückt seine Zuneigung über Geschenke aus, der andere über Zärtlichkeit, der Dritte mittels helfender Gesten, der Vierte durch Zweisamkeit und der Fünfte mit Lob und Anerkennung. Um sicherzugehen, dass eine Liebesbekundung auch wirklich ankommt, sollte man daher von Vorteil wissen, welche Sprache das Gegenüber spricht! Sonst schiesst sie unter Umständen ins Leere. Nicht selten trocknen Partnerschaften nach ein paar Jahren aus, weil beide wortwörtlich aneinander vorbeireden, beziehungsweise Liebesbeweise senden, die nie ankommen.
Auf einmal wird mir auch klar, warum ich bei den Herzensbekundungen meines Sohnes so mitgelebt habe (ich spreche dieselbe Sprache), während mir die meiner Tochter eher fremd waren. Und nur so nebenbei: Mein Mann bringt mir seit Jahren von jeder Geschäftsreise eine Kleinigkeit mit. So unlogisch gestalten sich die genetischen Bausteine unserer Kinder also doch nicht.
Bücher von Gary Chapman:
Die 5 Sprachen der Liebe. Wie Kommunikation in der Ehe gelingt.
Die 5 Sprachen der Liebe für Kinder. Wie Kinder Liebe ausdrücken und empfangen.
*Martina Marti ist freie Journalistin und Psychosoziale Beraterin in eigener Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, www.martinamarti.ch. Sie lebt mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern (Jg. 06 und 09) in der Nähe von Zürich.
16 Kommentare zu «Liebe ist nicht gleich Liebe»
Ich habe das Buch ebenfalls gelesen und finde es eine grosse Bereicherung. Im Umgang mit Kindern, aber auch mit Freunden oder eben Partner.
Die Zeit wird zeigen wer sich von den eingeführten Benutzerunfreundlichkeiten nicht abschrecken lässt- aber wenn wir schon dabei sind mit Sprachen der Liebe und so…,
einer grossen Anzahl würden Geschenke in Form von letzte-Kommentare, Monatsarchiv und so, sehr gefallen…
Die Farbliche Aenderung mag gefallen. Das ist mMn nur kosmetisch und besagt, dass Kritiken gelesen wurden.
Nur: Die eher funktionalen Anliegen wurden weggelassen und die Aenderung neulich betreffend der unlogischen Aenderung der Sortierung (neueste zuerst bei Kommentaren, aber älteste zuerst bei Antworten dazu) wurde nicht angefasst. Ditto neueste Kommentare, die bei allen anderen Gefäaasen hier vorhanden sind. Was soll das? Was soll das ‚Gespiel‘?
Und was soll das anscheinend langsame aufschalten einiger regelmässigen?
Yep, unterschreibe ich alles! Und habe null Verständnis für die mangelnde Kommunikation – dabei handelt es sich ja hier seit einiger Zeit um eine Bezahl-Platform! So ein bisschen Beleidigtsein à la ‚wir dachten, wir machen Euch eine Freude‘ ist nur kindisch – vor allem, wenn sich die Freude ganz offensichtlich in Grenzen hält.
What do you expect von Leuten, die einen so offensichtlich blöden Zensurmechanismus haben, wo Beiträge zensiert werden, die kritisch sind, der Redaktionslinie nicht entsprechen aber garantiert niemanden beleidigen – wo aber Beiträge durchgelassen werden, die wirklich Beleidigendes beinhalten?
Warum sich nicht den „Stadtblog“ zum Vorbild nehmen? Da sind die ganzen Features (letzte Kommentare, Schlagwörter und damit das Archiv) vorhanden – und mit einer zeitnahen, wenn auch manchmal rabiaten Reaktion auf Fragen der Community kann immer gerechnet werden.
Und es gibt nicht mal irgendwo ein Kontakt-Link, wo man reklamieren kann.
Und mein Nick & Email wird neuerdings auch nicht mehr gecookied, sondern muss ich jedesmal wieder neu eingeben. Und wenn ich’s vergesse, ist der ganze Beitrag ins Nirwana verschwunden.
Genau, ist bei mir auch so…… Ich greife mir auch an den Kopf – diese Verschlimmbesserungen sind so sinnlos! Merkwürdig wirklich nur, dass vom Mamablog eine ganz besonders subversive Gefahr ausgehen muss – wenn bei den anderen solche doofen Massnahmen anscheinend nicht nötig gehalten werden. Oder sind wir bloss die plüschigen rosa Versuchskaninchen?
@Carolina
immerhin, nicht mehr plüschig-pinkige sondern signalrote…
Es ist kurz nach 5 Uhr nachmittags, es gibt zur Thema „Liebe“ gerade mal 5 Kommentare, gleich viel wie die (angeblich nur) 5 Sprachen der Liebe…. Wow!
Die Lektüre des Buchs kann Welten bewegen: Die oberflächlich klein klingende Zahl an 5 Sprachen der Liebe schreckt womöglich viele ab, einfach mal hineinzuschnuppern.
Empfehlenswert, leider nur in englischer Sprache, übrigens der Test auf der Webseite des Autors. Man lernt sich schon nur aufgrund der Fragen selbst etwas besser kennen und erkennt schnell die Dimensionen, die hinter den „fünf Sprachen der Liebe“ stecken. Meine Frau und ich haben beide den Test gemacht, wir kennen beide die jeweilige Gewichtung jeder Liebessprache und handeln sehr bewusst danach. Wir sind uns dadurch noch einmal ein gutes Stück näher gerückt und geniessen die positiven Auswirkungen jeden einzelnen Tag aufs Neue.
Danke Frau Marti. Habe das Buch soeben bestellt und mir senden lassen.
Ich bin sicher es hilft generell zum besseren Verständnis – auch unserer anderen Familienmitglieder, Freunden, Bekannten und sicher auch im Berufsleben. Sicher einfach deshalb, man wieder sensibilisiert wird dafür, dass jeder Mensch Gott sei Dank ein Individuum ist.
Freue mich schon jetzt auf das Lesen.
Also: Menschen sind unterschiedlich. Das ist zwar bekanntermassen ein Quell von Unterhaltung – aber nicht von Überraschung.
Meine zwei sind auch anders. Anders anders zwar, aber immer noch anders.
Ich kenne das Buch. Habe es schon fast wieder vergessen. Vor vielen Jahren war das für uns als Paar ein grosses A-ha Erlebnis, um überhaupt mal zu begreifen, dass Menschen verschieden sind und verschieden empfinden und sich verschieden ausdrücken.
Gut aber, wenn man nicht allein da stehen bleibt. Es gibt noch viel mehr, als das und wie immer muss man bei solchen psychologischen Erklärungsmustern aufpassen, dass man die Menschen nicht zu sehr in diese Schubladen einteilt und dort lässt.
Es ist wichtig, dass man die Kinder, die sich eher sträuben auch für Körperkontakt gewinnen kann. Denn auch sie haben das Bedürfnis nach Körperkontakt. Wir sehen das sehr gut bei unserem Grossen, der auch zu den „Sträubern“ gehört.
Durch Körperkontakt wird Oxytocin freigesetzt, das ist für viele Dinge sehr wichtig, um es mal kurz zu machen.
Schön beschrieben!
„Die 5 Sprachen der Liebe“ zu lesen lohnt sich, nur schon um neue Inputs für Gespräche in der Partnerschaft.
Ich kann mich sehr gut an unsere Kindheit erinnern; meine Schwester, 1 Jahr jünger als ich, meinem Vater aus dem Geschicht geschnitten und eine absolute Schmusekatze – ja manchmal sogar als lästige empfunden (so aussagen von Tanten und Onkeln; ich , der Mutter eins zu eins ähnlich, dagegen musste mich immer überwinden die Küsse und Streicheinheiten von denen zu ertragen. Ja manchmal wurde ich sogar „bestochen“ an Geburtstagen Verwandte abzuküssen. Das war manchmal schon sehr schwierig weil meine Schwester meist, wenigstens am anfang, eine sehr guten eindruck auf alle machte.