Eigentlich saudoof, so Rollschuhdisko. Eigentlich ein Fall für die Mottenkiste der Achtzigerjahre.
Aber «who gives a fuck» sagt mein Freund Y. immer dann, wenn man sich selbst oder seine Prinzipien nicht allzu ernst nehmen sollte. Er hat recht. Ich hab Prosecco. Die S-Bahn fährt am Europaplatz ein, wo Nebel aufsteigt bis hoch zum Betonbauch der Autobahnbrücke. Bunte Lichter haben sie montiert, Glitzer Glitzer allenthalben, die besten schlimmsten Lieder stehen in der Luft. Lieder einer Zeit, der wir uns nostalgisch erinnern, ohne sie erlebt zu haben. Dancing with tears in my eyes.
Es ist Rollschuhdisko. Und Rollstuhl-. Die «Heitere Fahne» ist mal wieder fremdgegangen, unverkennbar oszillierend zwischen Inklusivität und Sexyness hat sich die verrückte Idealistenschar breitgemacht am Verkehrsknoten, für einen unbeschwerten Tanz auf Rollen. Es ist schön, passiert sowas. Zumal hier, wo das amerikanisierte Bern und das eidgenössische, das Schrebergärtli-Bern und das verlotterte aufeinandertreffen wie sonst nirgendwo, wo die Zwischentöne viel Platz haben im urbanen Kessel zwischen Verkehrsarchitektur, Arbeiterhäusern und Gentrifikation.
Und es ist nicht selbstverständlich. Kollektive wie die «Heitere» prägen damit nicht nur die wichtige Debatte um Kultur in der Öffentlichkeit und überholte Bewilligungspraktiken, um Lärm, Luft und Demokratie, eine Debatte, die gerade erst richtig – voilà – ins Rollen kommt. Gerade die Idealistenkiste aus Wabern leistet mit ihrer eleganten und unprätentiösen Art der sozialen Festerei auch einen wichtigen Beitrag zum Selbstverständnis meiner lieben Sandsteinstadt. Eine derart vielfarbige und gemeinschaftliche Atmosphäre, getragen von Leuten mit und ohne Behinderung oder Haarausfall oder wasimmer, who gives a fuck – dieser seltsame Gegenentwurf zum klassischen Szenenauflauf, zur «quiche urbaine», er wäre im sich selbst stets bis zur Verspannung bewussten Zureich etwa kaum daheim.
Nichts ist peinlich hier zwischen den Brückenpfeilern. Im Diskonebel mischt sich Freiheit unter. Immer dann, wenn man sich selbst nicht allzu ernst nimmt.