Archiv für die Kategorie ‘Jazz’

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Mirko Schwab am Mittwoch den 24. Oktober 2018

Eigentlich wollte uns Redaktor Kuratle ja den Jazz erklären. Dann ist er nach Russland abgehauen deswegen.

So muss man wieder selber ran, so ist das eben mit diesen Jazzern. Fliegen auf der Weltkugel rum und pfeifen sich irgendwelche Psychedelika rein oder Slawische Ravioli. Und das alles, während sie sich am Mutterbusen von Pro Helvetia gütlich tun.

Drum kümmert sich halt Schwab um den Jazz. Schwab, der broke af die letzten Tage des Monats absitzt, mau und treu seiner Sandsteinstadt. Im Auftrag der Hochkultur selbstverständlich. Einer muss ja den Posten warmhalten, wenn sich die Künstler von Welt in der Tundra verlustieren …

À propos Randregionen. Oder falls Sie schon länger wiedermal zum Beispiel nach Langenthal reisen wollten. Oder eben Jazz: Drei von erstaunlich vielen, deren musikalische Laufbahn irgendwann in einem Langenthaler Luftschutzkeller begonnen hat, drei von ihnen kehren zurück. Laura und Luzius Schuler, Geige und Klavier sowie Nicola Habegger, Trompete – alle drei schon weitgereist, sie schenken ihrer alten Heimat ein kleines Jazzfestival zum Wiedersehen.

Bahnhof Langenthal, Stimmungsbild.

Am «Färbi Jazzfest» kuratieren sie sich mit offenem Geist durch einen jungen Schweizer Jazz, der nach allen Richtungen ausschert. Nach New York und Skandinavien, nach Pop und Anti-Folk, nach der grossen Freiheit ohne Metrum, nach dem kleinen Viermalvier für den Intello-Tanzboden.

Vielleicht kommt der Kuratle ja dann mit. Und vielleicht ist der Kuratle dann schon wieder irgendwo und schickt Postkarten. Wir werden sehen.

Jazz und Glamour, Stimmungsbild.

«Färbi Jazzfest», 1. – 4. November 2018 in der Langenthaler Färbi mit Konzerten von Vera Kappeler, Rea, Distric Five, Kali x Marie Jeger, Lolasister, Der White Rauschen, Pan Ton, Wän und dem Laura Schuler Quartet.

Gefährdet ist Gut!

Clemens Kuratle am Sonntag den 29. Juli 2018

Die Langnau Jazznights sind wieder einmal Geschichte. Die Szene war anwesend, ist das Festival doch mit seinen Workshops, Clinics und Jams eine Brutstätte des Schweizer J***s. Und so wars, neben dem hochkarätigen Line-Up, auch dieses Jahr wieder ein Familientreffen. Ein Résumé.

Furios und kontrastreich werden die Nächte Dienstags von den Bands von M-BaseGuru Steve Coleman und Basslegende Christian McBride eröffnet. Zwei gegensätzliche, vielschichtige Konzerte.

Mittwochs beeindruckt das stilbildende Trio um Brad Mehldau mit einem, seiner Extra-Klasse entsprechenden, ausgedehnten, abwechslungsreichen Set.

Donnerstags kann man der Jazzgeschichte in Gestalt des beinahe 80-jährigen Schlagzeugers Billy Hart beim Spielen zuschauen, was der anwesenden amerikanischen Drummer-Elite und dem Autor Tränen der Rührung in die Augen treibt.

Freitags, den Kater von den nächtlichen Jamsessions in der Kupfergabel noch im Genick, wird einem dann die Tradition bei aller Spielgewalt und Präzision plötzlich etwas zuviel, worauf man sich vornimmt auch den kommenden, letzten Abend nüchterner anzugehen.. S‘isch haut ****.

Am Samstag Morgen wünscht man sich den Jazz dann, trotz der Nüchternheit, überall hin, nur nicht ins Emmental.

Und dann geht man trotzdem. Wegen der Community, dem letzten Jam, weil man ja nun mal da ist… Im Gegensatz zu den Vorabenden spielt heute keine Legende auf der Bühne, man findet einen Sitzplatz.

Als Endangered Blood loslegt, der Sound justiert, die Ohren gebüschelt sind geht plötzlich alles viel zu schnell. Eine Stunde fühlt sich an wie zwanzig Minuten, die Zugabe wird frenetisch herbeigeklatscht. Die Musik von heute hat gesprochen. Da nützen alle Worte nichts. Chris Speed, Oscar Noriega, Trevor Dunn und Jim Black. Endangered Blood!

Im Anschluss steht man mit Seelenverwandten stumm und glücklich an der Bar und braucht keinen Alkohol. Die Nörgler können einem gestohlen bleiben. Man ist Fan! der Drummer und Bandleader des Fischermann‘s Orchestra (am 3. August am BeJazzSommer) macht sich auf, die CD signieren zu lassen.

Das zweite Konzert wird über die Lautsprecher der Bar zur Kenntnis genommen, der Abend verrinnt, der Jam wird um halb 5 mit einem Blues beschlossen. Man liegt sich in den Armen, verabschiedet sich und freut sich auf die Ausgabe vom nächsten Jahr. Die Helfer sind bereits am Verräumen.

Danke Langnau!

Jazz: Annäherung an ein Unwort

Clemens Kuratle am Samstag den 7. Juli 2018

Nicht shiny, nicht glamourös und auch nicht zwingend schön, dafür ziemlich wendig. Eine Ode an eine zum Musikstil degradierte Geisteshaltung.

“Der Jazz wird’s danken.” Mit diesen Worten offiziell von der KSB-Gang begrüsst, darf ich jetzt meinen Einstand geben. Eine Stimme für die junge Berner (Jazz)-Szene soll ich sein. Hoppla.

Klingt zuerst mal lahm, nicht?

Was ist das überhaupt, Jazz?

Ich muss ausholen: Kommunikationsformen sind so verschieden, wie es Menschen auf diesem Planeten gibt. Den einen ist es vergönnt, schnell in Worte zu fassen, was sie denken und fühlen. Andere können das zwar auch, brauchen dazu aber länger und viele hadern mit der Sprache an sich. Ein anderes Ventil muss her und wenn die Sprache versagt, spricht die Kunst. Zum Beispiel eben  dieser Jazz (ich stolpere jeweils, wenn ich dieses Wort brauche) das wohl missverstandenste “Genre“ unserer Zeit.

Musiker*innen, welche die maximale Ausdruckspalette auf ihrem Instrument suchen, bietet diese Musik ein Vehikel. Dabei ist der ideologische Unterbau entscheidend, nicht die Klanglichkeit und nicht irgend ein Stilmittel.

Nicht um spezifische Grooves oder Sounds gehts, sondern um die Haltung. Eine Haltung die missverstanden, falsch eingeordnet und die vermehrt auch wieder eingefordert werden muss.

Haltung heisst hier Präsenz.

Mit der Musik ausdrücken, was man gerade fühlt.

Die Musik so spielen, wie sie in dem Moment gespielt werden will.

Genau wie im Gespräch nicht immer die selben Phrasen gedrescht werden wollen, kann das auf dem Instrument auch nicht das Ziel sein und wo gute Popmusik diese Neuartigkeit in der Produktion und im Arrangement sucht, versucht der J***-Musiker (Genderneutralität wird ab hier dem Flow geopfert, sorry..) die Dringlichkeit improvisatorisch auf die Bühne zu bringen.

Nach Hits sucht man dann halt vergebens.. Aber wenn die erarbeitete Klang- und Ausdruckspalette zu einem späteren Zeitpunkt in den Dienst eines guten Songs gestellt wird, umso schöner! Nicht ohne Grund vertrauen unsere Grossen (Sophie Hunger, Baze, Eveline Trouble, Fai Baba, to name too few!) auf das Können von Musikern, welche sich auf dem Instrument auszudrücken wissen..

Wichtiges Forschungsfeld bleibt die Improvisation und hier wären wir wieder bei dem was **zz sein sollte. Die unmittelbarste Kommunikationsart, der Schlüssel zu der Seele eines Instrumentalisten, wie ich ihn mir wünsche. Pathetisch aber wahr!

Dieser Haltung ist die Legitimität wohl kaum abzusprechen, aber sie setzt den Hörer vor grössere Herausforderungen. Es gilt sich auf die Sprache einzulassen, sie zu verstehen versuchen. Wie geht das?

Ganz einfach: Ab ans Konzert, Ohren auf, gelegentlich die Augen zu und dann schauen ob die nonverbale Kommunikation greift.

Wenn‘s nicht gefällt:

– Tant pis, schlechter Zeitpunkt. Als ob man immer offen für alles wäre..

– Die Musiker haben sich verfahren.

– Es war schlechte Musik ← Uh jaa, die gibts.

s‘isch haut Tschäässs.