Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’

Kulturstattbern – das Ende

Christian Zellweger am Dienstag den 1. Januar 2019

Dieser Blog wird seit 1.1. 2019 nicht mehr aktualisiert. Das Archiv bleibt zugänglich.

Die ehemaligen Autorinnen und Autoren sind auf www.ksb.ist aktiv.

Besinnung

Urs Rihs am Sonntag den 30. Dezember 2018

Stehend im Kiosk am Bahnhof, stinkend – nach Leben: Rauch, Fritteuse, Chanel No. 5. Suchend, der Griff in die Jackentaschen: Wo sind die Autoschlüssel, Feuerzeug, Taschentücher – die Finger zwischen einer restverteilten Zigarettenschachtel, bröseliger Tabak, beigemischt Kleingeld und ein schrumpeliges Ohropax.
Die Aufmerksamkeit eigentlich aber gerichtet auf das kühlblauweiss überbelichtete Magazinregal. Zuunterst, auf Knöchelhöhe und versteckt zwischen Ox, Rocks und was weiss ich was sonst noch für hochpolierte Schmuddelheftchen, dort sollte sie doch stehen, die letzte Spex: Schutzheilige abschlussloser distinktionssüchtiger Geisteswissenschaftler*innen mit Hang zum Idealismus und der Frankfurter Schule. Heilige Maria Mutter der Popkultur-Rezeption, Ende des Scheissjahres, wo bist du?
Haben dich marodierende Coworking-Space-Klappstuhlpupser auf ihren geifernden Streifzügen – sonst anzutreffen in zentrumsnahen Brockenstuben – nach subversiver Essenz schon aufgekauft? Damit sie dich schliesslich trotzdem einviertelgelesen auf dem Badezimmerboden liegenlassen werden und dir nichts anderes mehr gönnen, als durch die Klospülung zerstäubte Fäkalbakterien? Schande.

Glänzende Schadstoffe in der Kioskauslage, Warnung: Langes Hinsehen auf eigene Verantwortung!

Ende gut, alles gut – wer glaubt das denn wirklich, in der finalen Horizontalen, im tannigen letzten Hemd? Auge in Auge, gleich ist’s vorbei – nur Spiesser zweifeln nicht. Besinnung.
«Next chapter: Internet.» steht auf spex.de. Schon klar, beruhige dich, wir machen weiter, wir machen selber was und erst noch losgelöst vom Mutterhaus, mit weniger Werbung und dafür gleichbleibender Selbstausbeute, immerhin. Und immer gehen Dinge verloren (und immer diese verdammten Autoschlüssel).

Print, Gedrucktes, zum Blättern und Aufputzen von mit zittrigen Händen verschüttetem Kaffee. Zeitungen, Magazine auf dünnem Blatt oder Löschpapierähnlichem (Hochglanz den Reaktionären, sowieso), das ist analoges Kulturgut – ein grosses Wort, mein Gott.
Es gab mal Ingenieure, die haben an der Umschaltdauer von Fernsehkanälen rumgedoktert – stellt euch vor!
Die sassen da, in den Laboratorien des Telecom-PTT-Hochhauses in Ostermundigen und versuchten herauszufühlen, welches Intervall sich denn am besten anschickt, beim Zappen, von SF-DRS auf Arte beispielsweise. Kein Witz.
Wie steht’s heut um dein Nervenkostüm, wenn du dich durch eine ruckelige Swisscombox zu schalten suchst, welche dem unsteten Takt deiner verfügbaren Bandbreite folgt?

Digitales befremdet, weil es keine Graustufen toleriert, keine Flageolett-Töne, kein Rauschen – das Binäre ist bedingt durch eine schwarz-weisse Logik, unzählige Valenzen ausgrenzend, das Emotionale geht flöten.
Daneben rottet das Analoge dahin wie ein fauliger Apfel auf deinem Balkonkompost, analog ist im Kern organisch und darum verstärkter Verwesung ausgesetzt. Wie können wir seine Textur bewahren, ohne zu Konservativen zu mutieren? Besinnung – Heilandsack, nicht schwelgen, Besinnung! Was ist der Wert davon?
Taxcards, wisst ihr noch Taxcards, damit konnte man aus Telefonkabinen heraus bargeldlos Klönen, die aufgebrauchten Karten sammelte man wie Briefmarken, weil sie so schöne Bildli aufgedruckt hatten, im Pausenhof tauschten wir die gegen Kaugummi und Panini. Das war der Wert davon.

Scheisse, ich steh immer noch im Bahnhofskiosk. Letzte letzte Spex tatsächlich weg, letzter Blogtext beim Bund lose assoziiert, immerhin (Autoschlüssel müssen noch wo auf einem Tresen liegen), Besinnung – der Verkäufer mustert mich halb fragend, halb besorgt: «Sie, alles klar, kann man ihnen behilflich sein?»
«Alles wunderbar, mir ist nicht zu helfen, danke.»

 

Eilmeldung: J***-Overload

Clemens Kuratle am Sonntag den 16. Dezember 2018

Warum ein Freund der improvisierten Musik heute im Progr landen muss.

Beehren das LaboratOhrium. Das Zooom-Trio aus Köln.

Wer heute noch nichts vor hat, war bis anhin schlecht informiert. Eine geballte Ladung J*** ist angesagt. Zusätzlich zu Florian Favres “Carte Blanche” bei Bee-flat in der Turnhalle hat die Konzertreihe LaboratOhrium das Zürcher Monsterkollektiv Gamut und im Anschluss das formidable Kölner Zooom-Trio um Expat Dominik Mahnig on Drums in den Progr  eingeladen. Im Gegensatz zu den Duo-Performances mit illustren Gästen, die der Pianist auf der grosszügigen Bee-flat-Bühne plant, wird’s bei der Alternativ-Veranstaltung in der Stube-im-Progr schon allein wegen den acht Herren von Gamut ganz schön cozy! Ein Besuch beider Veranstaltungen sei wärmstens empfohlen. Schade nur, dass sich das ganze zeitlich beinahe komplett überlappt…

Wasserstand: Hoch

Clemens Kuratle am Mittwoch den 12. Dezember 2018

Man(n) schaut in die Röhre und versucht das Loch zu füllen. Nur wie?

Yup. Auf in neue Gewässer. Für die Kultur Statt für Bares, heisst’s bald bei uns. Und weil das Wasser so einigen Leuten im Kulturbetrieb bis zum Hals steht, ein paar Do’s für die endlos scheinende Konsumsaison. Weil Nachhaltigkeit auch hier gelebt werden muss.

  • Haltet eurer guten alten Stammkneipe, eurem Hang für den müden Dienstagabend, dem Kaffee für den verkaterten Sonntag und eurem Lieblingsclub die Treue. Hier trefft ihr zwar immer die gleichen Gesichter, aber da wird auch kontinuierlich geackert und da gilt’s Fixkosten zu berappen, die bei so einer Pop-Up Bar (oder einem Glühweinstand) nicht auftauchen. Die haben ja auch keine Nebensaison..
  • Trotzt der Kälte: Raus in die Stadt (Und dann wieder rein). Weil Kultur nur zusammen geht. Zum Beispiel heute ins Bee-Flat zu den Alt-Anarchos von The Ex, mit unfreundlichem Support von ennet dem Röschtigrabe. Danach ist man wieder wach.
  • Zu Weihnachten: CD’s, LP’s oder Konzertbesuche verschenken. Auch wenn alle Musiker grad stolz ihre Streams aus der ganzen Welt präsentieren, verdienen tun sie dabei nichts. Drum: Support Your Local Artists. Gerade in Nischen.. Unser Markt ist zu klein. Es braucht jeden Rappen.

Kassettenliebe

Urs Rihs am Samstag den 8. Dezember 2018

Ferrophil geht auch fremd, abseits der Schiene – dafür auf Magnetband gespult. Je mehr Eisenanteile (Fe) desto bandgesättigter, desto fett und warm im Klang. Tonbänder, ich spreche von der Kompaktkassette und ihren Vorzügen. Type I, II, III und IV, qualitativ zunehmend metallpulverbeschichtet in numerisch aufsteigender Folge, und rauschreduzierter. Nerdtalk-Alarm?

Eine kleine Gilde erfreut sich noch immer des Zeremoniells. Musikstücke veröffentlichen auf Tape.
Was für Steroid-Indie-Bands auf ihrem schändlichen Weg weiss der Teufel wohin als Werbegimmick missbraucht wird, trägt im Untergrund den Heiligenschein einer vasa sacra, eines heiligen Geräts oder Gegenstands – Die Kompaktkassette schöpft Geist aus ihrem Vermächtnis als hyperdemokratisches Medium, gewachsen in den 80ern mitsamt einem ganzen Industriezweig.
Die intuitive Handhabe, ihre Erschwinglichkeit und vor allem das Novum der individuellen Gestaltbarkeit – als Mixtape – prädestinierte sie als Katalysator der Popkultur und als Petrischale des Untergrunds.

Auch in unserem Städtchen wird gerne und mit viel Leidenschaft an Magnetband rumgebastelt, darauf gemixt und kompiliert. Releast auf obskuren Labels häufig und mit ständig wechselnden Alias der Künstler*innen. Damit ein entnebelnder Blick schwerfällt und viel eher auf die Schleier- beziehungsweise Schutzfunktion einer Subkultur verwiesen wird. Als Blende vor dem Hauptstrom und als Würgereflex gegen den damit einherschwimmenden Selbstdarstellungsdrang überschärfter und somit quasi-pornografischer Qualität.

Kassetten bergen Dignität.
Heute Samstag erscheint «Soul Tape One» von «Azul Loose Ties», im Selbstvertrieb versteht sich, auf seinem eigenen Label «Underground Soul». Ein bedachter House-Head, welcher am Ufer des Wohlensees in einer Scheune an analogen Synthesizer rumtastet und dem Herzen guttut. Nicht nur als DJ und Produzent, sondern auch als Freund.

Das lokale Kassettenschaffen – eine kleine Auswahl, ohne Anspurch auf Vollständigkeit, versteht sich. Check the linx if you hungry for.

Rauchfrei schlechte Laune

Ilona Steiger am Freitag den 7. Dezember 2018

Für KulturStattBern zeichnet Ilona Steiger aka rauchfrei93 als Gastillustratorin wöchentlich Shortstorys aus dem urbanen Untergrund und von der Sandsteinoberfläche.

Reviews, anyone?

Clemens Kuratle am Donnerstag den 6. Dezember 2018

Liebe Berner Bands,

Ich mag keine Videoreviews schreiben. Ich hab Bock auf Alben oder zumindest EPs. Musik in einer Länge in der man auch mal einnicken kann, anstatt dass man sich im Anschluss gleich noch die nächste Folge von Last Week Tonight reinzieht. Also schiesst mal los. Nicht in unseren KSB-Messenger sondern direkt an mich. You’ll find me!

Somewhere on the road im grossen Kanton.

Unser Autor ist wieder mal auf Tour, diesmal im Deutschen und da fehlt manchmal die Inspiration fürs Schreiben. Helft ihm aus dem Loch mit guter, neuer Mucke!

Rauchfrei auf dem Vorplatz

Ilona Steiger am Donnerstag den 29. November 2018

Für KulturStattBern zeichnet Ilona Steiger aka rauchfrei93 als Gastillustratorin wöchentlich Shortstorys aus dem urbanen Untergrund und von der Sandsteinoberfläche.

Rauchfreie Höflichkeitskultur

Ilona Steiger am Mittwoch den 21. November 2018

Für KulturStattBern zeichnet Ilona Steiger aka rauchfrei93 als Gastillustratorin wöchentlich Shortstorys aus dem urbanen Untergrund und von der Sandsteinoberfläche. 

Kunst kosten

Roland Fischer am Samstag den 17. November 2018

Kunststattbern? Kunststadtbern! Die zeitgenössische Szene ist alive and kicking – eine kleine Bildergeschichte und eine Gratulation.

Angefangen in der Galerie DuflonRacz, wo gestern gleich zwei neue Ausstellungen aufgingen. U5 fragen «Are you with me?» – I was, indeed. Masken und Selfies, alte und neue Beschwörungsrituale, Gelder und Geister. Zeitgenössische Kunst wird da auf verblüffende Weise verscchränkt mit rituellen Objekten aus afrikanischen Kulturen aus der Sammlung des Hausherrn. Derweil drüben im Kabinett Kosmogonia von huber.huber: eine wunderbare olfaktorisch-visuelle Überforderung.

Dann weiter raus ins Zieglerspital, wo sich allerlei Initiativen eingenistet haben in den letzten Monaten. Hat man gar nicht so mitbekommen.

KORE zeigte Werke von Jérémie Sarbach & Flurina Badel und von Livio Baumgartner, unter dem Titel «Tribe and Error» – gewissermassen eine Weitererzählung von U5 also. Seltsame Räume, da draussen.

Und dann noch ins Grand Palais, wo man der Chefin (fleissig hinter der Bar, wie immer) ein Kränzchen wand. Letzte Vernissage an diesem Ort, mit Monica Germann und Daniel Lorenzi, zu zweit in einem Raum. Nächstes Jahr geht’s an anderem Ort weiter (und im Grand Palais mit einem neuen Team), aus eins mach zwei also. Und apropos nächstes Jahr – da kommt sowieso ein ziemliches Kunst-Spektakel auf uns zu, dank dem Kollektiv Bern und dem Hauptstadtkulturfonds. «Connected Space» ist ein künstlerischer Staffellauf, bei dem sich die einheimischen Kunsträume untereinander neu vernetzen und auf Zeit in kunstfernen Räumen wie einem Fundbüro oder Kinderkrippe einnisten. Kunstnah, kunstfern, das spielt ja sowieso immer weniger eine Rolle. Auf jeden Fall: Let’s connect, wir freuen uns.

Bisschen weniger vorfreudig war übrigens das Mutterschiff. Lieber Bund – seit wann titelst du eigentlich so Blick-style? Kommt Kunst von kosten?