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Rückkehr ins Rossfeld

Mirko Schwab am Donnerstag den 7. Juni 2018

3004. 1993. 2001. 2018. Es hätt es ehrlechs Lied gä.

Neundzehndreiundneunzig, wo sind deine Kinder?

Bus 21 führt am schnellsten aufs Land. Nach dem Halt beim Bierhübeli kommt man am Viererfeld vorbei, Waldrand und Minigolf und ein Fussballfeld. Der FC Tibet United trainiert hier und der FC Logos 1999. Dereinst wird die Verdichtung nach innen auch am Viererfeld auf Stadt machen wollen. Mit grosszügig befensterten Häusern im Minergie-Standard, die genau so auch in Münchenbuchsee stehen könnten und verraten, wie wenig man die Stadt herauskitzeln kann mit solchen Siedlungsprojekten. So wird sie immer mit den letzten Häuserzeilen der Länggasse enden und der vornehmen Verschwiegenheit der japanischen Botschaft.

Bus 21 ist ein kleiner Bus. Die Quartiere, die er nach der Länggasse bedient, sind kleine Quartiere mit dörflichem Charakter, Enge innere und äussere, das Rossfeld, die Felsenau. Dann biegt er nach Bremgarten ein über eine kleine Brücke, die nur einen kleinen Bus zu tragen vermag. Bremgarten, ein kleines Dorf mit quartierähnlichem Charakter im selbstgefälligen Dornröschenschlaf des gelangweilten Mittelstands unter sich.

Ennet dem Geviert zwischen Minigolf und Waldrand beginnt bald schon das Rossfeld. Ich bin dort aufgewachsen am Tulpenweg. Ein Quartier wie ein Dorf mit Dorfplatz und Dorfpfarrer, Dorfmetzg und Dorfbeck (bei Frau Hänggi ging auch mal eine abgelaufene Studentenschnitte über die Theke) und einem Dorfdenner. Was ist davon noch?

Einmal wollten wir eine Rauchbombe auf den Fenstersims einer in den Augen von Buben unfassbar alten Frau zirkeln. Leider oder zum Glück (die Geschichtsschreibung den Gewinnern) ist das Ding nach seiner Landung brennend über den Sims gepurzelt und durch das offene Fenster in der dunklen Wohnung verschwunden. Gelben Rauch und Gezeter und call the police we got, wir sind dann fortgerannt. Einen hats erwischt, ich hab seinen Namen vergessen.

Heute, an diesem von innen heraus doch traurigen Tag, heute möchte ich zurück zu diesem dummen Kindskopf. Möchte eine Rauchbombe anstecken und sie auf das Fensterbrett eines Arschlochs werfen und mich darüber freuen, wenn sie den Weg über die Brettkante findet in sein Zimmer hinein und dieses Zimmer zuräuchern würd. Einen Wurf landen mit entzündeten Zeilen der Wut, der berechtigten Wut über alles was schiefläuft, süssliches Urin der Gerechtigkeit ans faule Bein der Besitzenden pissen, die Liebe predigen zwischen den Zeilen, Schüsse und auch gerne übers Ziel hinaus – etwas sinnvolleres ins Internetz hineintun als dieser Text, der nirgends hinweist als zurück.

Zurück ins Rossfeld. In sechs Minuten fährt Bus 21. Schauen, was noch ist.

Haben auch Sie eine lustige Kindheitserinnerung aus ihrem Quartier oder gar eine Empfehlung für Potenzpillen? Schreiben Sie es in die Kommentare!

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Ein Kommentar zu “Rückkehr ins Rossfeld”

  1. Das schöne Haus mit den blauen Fensterläden sagt:

    Frau Hänggi – Sinnbild für das ewige Spannungsfeld zwischen Kleptomanie und Emphatie. Gewonnen hat natürlich die Liebe. Geklaut wurde später im Denner.