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Reisen mit dem Animal Collective

Benedikt Sartorius am Donnerstag den 22. November 2012

In der aktuellen WOZ-Musikbeilage schrieb Kaspar Surber eine kleine und sehr schöne Konzerttheorie: «Warum nur fährt man immer und immer wieder an Konzerte, durch die ganze Schweiz und über die Grenze hinaus?», lautet die Ausgangsfrage. Eine Frage, die auch unseren Animal Collective-Beauftragten in den letzten drei Wochen umgetrieben hat. Ein kleines Reisetagebuch.

Paris, 2. November, 2012: Die wunderbare Villette-Halle ist gross, das Publikum ist es auch, und machts nötig, dass das lautstärkste Set der Fuck Buttons frühzeitig verlassen werden musste. Denn man war vor allem für das Animal Collective ans Pitchfork Festival gereist – trotz den beiden Schweizer Auftritten, trotz der Einbettung in ein Festival, das zwar tolle Musik präsentiert hat, aber die Speicher zuweilen beinahe überfüllt hat.

Wieso man anreiste? Nun, da ist das Wissen, das Animal-Collective-Shows im Ausland immer besser funktionieren als hierzulande, werden doch die Konzerte in der Schweiz immerzu zu kühl aufgenommen, und wurde man doch bei einigen versuchten Tanzschritten vor Dreijahresfrist im Fri-Son schal belächelt. Hier, in Paris, da bricht zwar nicht der ganz ganz grosse Rave aus wie, aber doch ein angenehmes und anhaltendes tribalistisches Grund-Wippen. Die Band, das wird schnell klar, spielt als Band, die ein fixes Set vor Augen hat und sich vorab an die Songs des neuen Albums «Centipede Hz» hält und gegen Schluss dann auch die klassischen «Brothersport» und «My Girls» und «Peacebone» aus dem Katalog auspackt. Ein glücklichmachendes Konzert (hier gehts zum Videobeweis) – und ich war froh, dass die nächste Konzertreise bereits gebucht war.

12. November, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen: Man fuhr hin zum Tanzen, nach Stunden im Nachtgeisterzug-Sessel noch ein wenig verspannt, und man fand in der Nationalgalerie zu Kopenhagen zum Schrecken einen Sitzsaal vor: Ein Museumsfoyer, in dem man sich auf die tiefen Treppenstufen setzen musste, und in dem, so die Mutmassung, ein kümmerliches Soundsystem die Vielzahl an Klängen kanalisieren würde. War die Reise eine weise Entscheidung? Oder habe ich nun, in blinder Verblendung für die Lieblingsband, die Clubnacht des Jahres im Palace verpasst?
Wohl oder übel nahm ich meinen allerdings sehr guten Platz dann doch ein, direkt in der Mitte, so dass ich mich beinahe im Plastikluft-Bühnenbild befand – mit erhöhtem Blick über die einzelnen Sampler- und Schlagzeug-Gerätschaften, die die vier Helden – Avey Tare, Geologist, Panda Bear, Deakin – später bedienten. Ja, so befand ich mich in der Stube, im Raumschiff des Animal Collective, und ich als Passagier, der ausblendete, dass ein paar Hundert weitere Personen auch auf dieser Reise sind. Denn der Sound, er war im Wohnzimmer fantastisch, jeder Klang konnte nachvollzogen werden, und die Band spielte zwar das genau gleiche Set wie in Paris, aber man merkte ihr an: Das ist auch für sie etwas Besonderes. Und natürlich wurde ab «Brothersport» doch noch ausgelassen getanzt. Als Zugabe: Das beste Tuborg aller Zeiten, denn wie das so ist nach magischen Konzertmomenten: Das beste Bier kann zuweilen auch eine Industrie-Plörre sein.

20. November, X-Tra, Zürich: Schon wieder das gleiche Konzert? Ja, natürlich. Dieses Mal: bei weitem nicht ausverkauft, wie das so ist mit dem Animal Collective in der Schweiz. Das Gute: Es gab in Zürich angenehm Platz für ein paar Tänze, der Sound war gut, und einmal mehr war die Band toll, und einzelne Momente dieses Konzertes schlicht phantastisch. Geschenkte und taumelnde Glückseligkeit.

21. November, Les Docks, Lausanne: Letzter Stopp für das Animal Collective in Europa, letzter Stopp bis auf weiteres für mich. Bis es soweit war, hiess es: Reisen in ein Konzertlokal, das ich noch nicht kannte – und das ich an einem anderen Ort in der Stadt vermutet habe. Wieder begrüssten die aufblasbaren Tentakel, die toll leuchtenden Zähnen im für mich überraschend kleinen Raum – und ich richtete noch einmal alle Augen auf Noah Lennox aka Panda Bear, der – die Augen immerzu geschlossen – sein Bongo-Schlagzeug betrommelte und sich in die Lieder reinspielte, während sich das nicht immer sehr aufmerksame Publikum langsam reintanzte in die sonische Abenteuerwelt, die auch beim vierten Konzert immer neue entdeckenswürdige Facetten freilegte.

Vieles mag in der ritualisierten Wiederholung Routine sein – sowohl bei der Band wie auch beim Konzertgänger – doch der tanzende Beinahe-Gleichgewichtsverlust und die Tränen der Rührung, die sind es nicht. Und genau wegen solchen Momenten fährt «man immer und immer wieder an Konzerte, durch die ganze Schweiz und über die Grenze hinaus». Zumal für singuläre Bands wie das Animal Collective. Gute Reise!

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4 Kommentare zu “Reisen mit dem Animal Collective”

  1. Benedikt Sartorius sagt:

    Off topic, aber doch nicht so gar: PHANTOM GHOST spielen leider leider nicht heute Abend in der Dampfzentrale. Hier die Mitteilung:

    «Die Gruppe Phantom Ghost hat aus Gesundheitsgründen das Konzert von heute Abend leider absagen müssen. Wie geplant spielen aber Sven Kacirek und das Duo David Maranha & Z’ev, sowie als late night-Gast The E’s aus Bern.

    Die Tagestickets für heute kosten daher nun Fr. 15.- anstatt Fr. 30.-. Wenn Sie ein Ticket im Vorverkauf gekauft haben, erhalten Sie an der Abendkasse eine Entschädigung von Fr. 15.- in bar zurück (ebenso die Besitzer eines Festivalpasses). Sollten Sie sich dafür entscheiden, auf den ganzen Abend zu verzichten, erhalten sie ein Gratis-Ticket für einen anderen der beiden Saint-Ghetto Abende.»

    Der DJ ist im übrigen immer noch der selbe, und hört auf den gleichen Namen wie ich. Das Herz blutet dennoch.

  2. johnny leoni sagt:

    und laut ihrer homepage ist soap & skin ebenfalls abgesagt…

  3. Never-nude sagt:

    Soap & Skin haben ihr Konzert am Saint Ghetto ebenfalls abgesagt: http://www.soapandskin.com/ (Ton ausschalten falls man sich gerade im Büro befindet und auf “Dates” clicken).

  4. […] die vorübergehend besten Kinder der Welt, die in «Before your very Eyes» heranwuchsen und an die Animal Collective-Konzertfahrten, die meine liebsten Drogen überhaupt […]